Die Fans des Model One von Tivoli Audio mussten lange auf die Implantation eines digitalen Schrittmachers warten. Nun mutierte der UKW-Klassiker Model One zum Model DAB. Ein Testreport zwischen Legendenbildung und Wahrheitsfindung.
In den USA ist alles anders: Der Radiomoderator Howard Stern kassiert für seinen Start auf dem Satellitenradio Sirius über 200 Euro Millionen Dollar in Form von Aktien.
Auf UKW wird kein RDS-Signal ausgesendet.
DAB gibt es nicht.
Tivoli feierte mit seinem puristischen “Model One” einen Welterfolg der Analogtechnik mitten im Digitalzeitalter.
In den aufkeimenden Märkten für das Digital Radio DAB soll das Tivoli Model DAB nun eine Abwanderung der anspruchsvollen Kundschaft zu Mitbewerbern verhindern. Zwar ist der DAB-Keim in Deutschland eher Wunsch denn Wirklichkeit, aber das Model DAB schaffte es trotzdem vor Weihnachten in deutsche Edel-Radio-Vitrinen.
“Sie müssen die Komponenten in ihrer Gesamtheit erleben”, begründet Martin Koch vom deutschen Importeur TAD l´auditeur die Zusendung der gesamten Gerätelinie, die neben dem Radio auch einen CD-Player, Subwoofer und zweiten Lautsprecher enthält. Uns interessiert vor allem das Radio.
“Die Antenne ist nicht abnehmbar. Die Abnahme der Antenne lässt die Garantie erlöschen”, mahnt der Beipackzettel. Für den deutschen Markt mit seinen immer noch schwachbrüstigen DAB-Sendern ist dieser Hinweis keine gute Nachricht. Optisch ist das Model DAB keine Sensation mehr. An diese streng rechteckigen Kisten hat man sich einfach gewöhnt. Das Wallnussholz ist matt gehalten, könnte aber poliert vielleicht appetitlicher wirken, weil auf dem matten Holzdekor nun so ein leichter Grauschleier zu liegen scheint. Die beige Frontplatte gibt sich keine Mühe, besonders edel zu wirken. Der Zuwachs an Bedienelementen ist der augenfälligste Eingriff in das Tivoli-Radio: Vom spartanisch, hochwertigen Feeling der analogen Version kündet nur noch der angenehm übersetzte Analogradio-Drehknopf.
UKW macht den Unterschied
Und hierin unterscheidet sich das Model DAB von seinen mannigfaltigen Konkurrenten im DAB-Lager. Tivoli verbaut seinen weltberühmten UKW-Empfänger in das DAB-Radio, wo es Mitbewerber bei dem integrierten UKW-Modul des Radioempfangschipsatzes bewenden lassen. Der Tivoli-UKW-Empfänger existiert also parallel zum DAB-Empfänger und spielt einfach in einer anderen Liga. Selbst in unserer durch Kabelinterferenzen verseuchten Redaktion lässt sich der UKW-Empfänger kaum aus der Ruhe bringen und trennt selbst dort die Stationsflut voneinander, wo die meisten DAB-Testprobanden schon längst im Gebrodel des UKW-Wellenchaos versunken sind.
Leider nur Band III
Beim DAB-Empfang setzt man auf einen Chipsatz von Frontier-Silicon. Die Ähnlichkeiten bei Performance und Bedienung mit den erfolgreichen DAB-Radio von Pure Digital ist wohl kein Zufall. Sogar auf das blaue Display mit weißer Schrift greift Tivoli gerne zurück. Im Prinzip ist das kein Fehler, aber leider handelt es sich um einen reinen Band-III-Empfänger. Für Deutschland ist das Tivoli somit nicht die erste Wahl.
Die Feststellung, dass die neuen Dualband-Chipsätze für DAB Band III und das L-Band insgesamt etwas mehr Empfindlichkeit bringen, bestätigt sich beim Tivoli Model DAB. Das benachbarte Rheinland-Pfalz-Ensemble hat beim DAB-Tivoli keine Chance auf Empfang - mit der Teleskopantenne schon gar nicht. Taub ist der Empfänger deshalb nicht, aber in Verbindung mit der fest eingebauten Teleskopantenne schon arg eingeschränkt.
Neue Klanghorizonte
Nun gibt es vier Gründe, einem Tivoli-Radio vor allen anderen Radios den Vorzug zu geben. Design, Simplizität, Empfang und natürlich die Klangqualität. Und das Model DAB enttäuscht beim Klang nicht. Das Radio klingt glasklar und erstaunlich voluminös. Es vereint den wundersamen Wumms eines Sangean DPR-215 und die Ausgeglichenheit eines Pure-Evoke-1-Triband miteinander. Bei niedrigen Lautstärkepegeln sind Stimmen unglaublich präsent und verständlich. Bei Gesang und klassischer Musik hört man die Sorgfalt der Entwicklungsabteilung, mit dem Lautsprecher das bestmögliche Klangergebnis zu erzielen. Der Übergang vom Mittel- zu Hochtonlagen ist leicht überzeichnet, drängt sich jedoch nicht weiter auf. Die Bässe sind leicht überbetont, ohne dabei dröhnend zu werden. Nachträgliche Regelmöglichkeiten zur Klangkosmetik gibt es nicht und das ist auch gut so. Am Kopfhörer klingt das Model DAB ebensogut. Mitbewerber sind in dieser Disziplin schon durch starke Bassanhebungen mit ihren Klangtricks aufgeflogen.
Ob die Audiofilter beim UKW-Teil mit denen des Model One identisch sind, ließe sich nur im direkten Vergleich ergründen. Die parallele Integration eines UKW- und DAB-Tuners lässt aber eine völlig verzögerungsfreie Umschaltung von DAB auf UKW zu. Hier können zwei verblüffende Entdeckungen gemacht werden. Erstens ist der Zeitversatz zwischen DAB und UKW im Bereich unterhalb einer halben Sekunde. DAB läuft UKW typischerweise etwas nach. Das liegt zu einem Teil an der DAB-Signalzuführung und zum anderen Teil an der Digitalisierung am Multiplex des Senders und der Dekodierung des Empfangssignals im DAB-Radio. Eine bis anderthalb Sekunden sind nicht ungewöhnlich. Das Tivoli ist hier von der schnellen Sorte und ermöglicht so sehr gut einen Klangvergleich.
Und hier die zweite Überraschung: DAB klingt selbst bei einem 128-Kilobit-Signal erheblich besser als UKW. Im direkten Vergleich wirkt die UKW-Wiedergabe etwas dumpf, mit weniger Brillanz verleihenden Hochtonanteilen. Mathematisch ließe sich das über die übertragbaren Audiofrequenzen auf DAB erklären. Doch Zweifel an einem wirklich so ohrenfälligen Klangunterschied angesichts des kleinen Lautsprechers sind wohl angebracht. Es scheint so, als wolle man dem audiophilen Radiofreund eine Genugtuung für den deutlichen DAB-Mehrpreis zukommen lassen.
Gegen einen weiteren Mehrpreis ist ein zweiter Lautsprecher erhältlich. Weil auf der Radiofrontplatte kein Platz mehr ist, strahlt der Lautsprecher des Radios nach oben ab. Der Beistelllautsprecher macht es ebenso. Das ist akustisch nicht optimal und schränkt auch die Aufstellungsorte ein. Im Regal haben die Komponenten nichts verloren. Sie müssen schon - wie in den Werksfotos gezeigt - frei auf einer TV-Bank oder einem Sideboard Platz finden. Der hier zu beschallende Raum hat rund 40 Quadratmeter und ein Pultdach mit einer Deckenhöhe zwischen 3,50 und 5,20 Metern. Da sind die Schallwellen erst einmal unterwegs, bis am Sofa dann nach allerlei Reflexionen etwas ankommt. Der zweite Lautsprecher brachte zwar mehr Volumen, aber keinen plastisch-räumlichen Klangeindruck. Das ganze Tivoli-System eignet sich eher für ein kleines Stadtapartment, als für eine Wohnhalle. Dafür lässt sich das System dank der 12-Volt-Stromversorgung im Caravan oder auch einer Yacht bestens einsetzen.
Für noch mehr Fülligkeit steht aber der optionale Subwoofer, mit eigener Stromversorgung in einem etwas größeren Holzkästchen zur Verfügung. Mag das Gehäusevolumen auch kaum zwei Liter betragen, so ist der Subwoofer doch so perfekt auf das Tivoliradio abgestimmt, dass die Klangfülle selbst in unserer hallenartigen Behausung mächtig Eindruck schinden kann, ohne dabei den frischen Klangeindruck des Tivoli-Systems basslastig an die Wand zu drücken.
Top für Linkshänder
Die Bedienung des Tivoli Model DAB ist eine Offenbarung für Linkshänder. Durch die strikte Aufteilung UKW/MW rechts und DAB-Funktionen links fällt einem Rechtshänder auf, dass die häufig benutzte Entertaste etwas eng am griffigen Bandwahlschalter liegt. Linkshänder haben damit keine Schwierigkeiten. Einige Menüs sind über ein Gedrückthalten der Entertaste zu erreichen. Nachdem wir schon so viele DAB-Radios vor der Nase hatten, bedarf es zur Entdeckung solcher Funktionen keiner Bedienungsanleitung mehr. DAB-Neulinge werden aber wohl doch auf eine Bedienungsanleitung angewiesen sein; auch um die Sonderfunktionen Sleep und Alarm korrekt einzustellen. Trotz der Weckunterbrechungstaste (Snooze) an der Gehäuseoberseite, taugt das Model DAB nur bedingt als Radiowecker, weil sich die Displaybeleuchtung nicht ganz abschalten lässt.
Die Rückseite des Model DAB lohnt aber einen genaueren Blick. Neben dem Lautsprecher- und Subwoofer-Anschluss findet man dort einen Balance-Regler für den Stereobetrieb sowie einen Aux-In. Hier liesse sich problemlos ein Ipod anschließen.
Fazit
Mit einem sehr guten UKW-Empfänger und einem hochwertigen DAB-Band-III-Tuner ausgerüstet, rettet Tivoli Audio seine Radiolegende ins Digitalzeitalter. Der DAB-Klang ist ausgezeichnet und an der Verarbeitungsqualität gibt es nichts auszusetzen. Ob das Gerät im deutschen Handel für Aufbruchstimmung sorgen kann, ist durch den reinem Band-III-Empfang noch nicht ausgemacht. Ausgerechnet dort, wo das DAB-Programmangebot in Deutschland zu gefallen weiß, wird man auf das L-Band nicht verzichten wollen. Doch wird eine sachliche Kritik einem solchen Kunstobjekt überhaupt gerecht? Die surreal anmutende Preisvorstellung von 350 Euro trägt zum Imagegewinn des stolzen Besitzers bei und Kenner wissen längst: Jedes Original hat seinen Preis.