Das Revolutionäre am neuen Digital Radio des englischen Anbieters Pure Digital ist sicher nicht der störungsfreie Empfang, sondern das außergewöhnliche Erscheinungsbild und der große Funktionsumfang für ein Tischgerät. Die Zielgruppe, auf die es der Hersteller abgesehen hat, sind Jugendliche und alle, die im Herzen jung geblieben sind.
Wenn es stimmt, was die englischsprachige Webseite verkündet, die dem Gerät gewidmet wurde, darf die Entstehungsgeschichte von “The Bug” nicht unterschlagen werden. Der “Red or Dead Streetfashion”-Designer Wayne Hemingway, der inzwischen alles in Form bringt, was sich wohltuend von der Konkurrenz abheben soll, ist zu diesem Produktentwurf offenbar genötigt worden. Erst seine Entführung, das Anlegen von Daumenschrauben und der Einsatz einer Streckbank konnten ihn überzeugen, in sechsmonatiger Arbeit das bisher außergewöhnlichste Digital Radio-Gerät zu entwickeln. Die Zwangsmittel scheint Wayne Hemingway indessen vergessen zu haben. “Digital Radio ist eine echte britische Erfolgsgeschichte”, sagt er und fügt selbstbewusst hinzu: “Und ich habe es noch besser gemacht.” Damit das alle Welt begreift, Nachbarn und Bekannte richtig neidisch werden, gehören zum Lieferumfang auch ein Aufkleber für die Fensterscheibe und ein Tattoo-Aufkleber.
Besseres Design
“The Bug" erinnert eher an ein 80er-Jahre-Schreibtisch-Utensil mit Schwanenhals-Tischleuchte als an ein vollwertiges Digital Radio-Gerät für ein störungsfreies Hörvergnügen. Doch das Gerät erweist sich durchweg als Hightech-Radiowecker.
Von seiner ureigensten Funktion kündet die große Uhranzeige im Display, solange das Gerät im Standby-Modus ist. Das Einstellen der Uhrzeit entfällt glücklicherweise. Das übernimmt ein per DAB übertragenes Uhrzeitsignal automatisch und so stimmt die Uhrzeit sogar nach den Zeitumstellungen im Frühjahr und Herbst.
Im Gegensatz zu vielen anderen Radioweckern lassen sich spezielle Weckzeiten für Wochentage und Wochenenden einstellen und sogar unterschiedliche Weckzeiten und Sender für einen selbst und den Lebenspartner. Ebenso ist es beispielsweise möglich, zum Einschlafen einen Klassik-Sender und zum Aufstehen einem lautstarken Rocksender einzustellen.
“Bug” bedeutet eigentlich Käfer oder Wanze. Computernutzer bezeichnen mit diesem Begriff üblicherweise einen fiesen Systemabsturz, doch da muss man Wayne Hemingway in Schutz nehmen. Der “Blue Screen” – sonst eher eine Windows-typische Erscheinung bei einem endgültigen Systemabsturz - ist bei diesem Digital Radio-Gerät ausschließlich ein optisches Stilelement.
“The Bug” ist sowohl in der Kombination Weiß und Chrom als auch Graphit und Chrom erhältlich.
Beim Ein- und Ausschalten wird man von animierten Käferaugen begrüßt beziehungsweise verabschiedet und wer mehr dahinter vermutet, als einen Gag, liegt ausnahmsweise falsch - schließlich handelt es sich beim “Bug” um ein Gerät, das vor allem Leben in die Bude bringen soll.
Großer Funktionsumfang
Die technischen Daten und der Leistungsumfang sind nicht nur dazu geeignet, gute Freunde zu beeindrucken: Der “Bug” verfügt über ein hochauflösendes, vollständig grafisches Display mit 122 x 32 Pixeln in den Farben Blau/Weiß - von denen sich auch Preußen nicht abschrecken lassen sollten. Das Display lässt sich dank des Schwanenhalses in jedem Winkel beliebig verstellen. Am Display sind sechs kontextsensitive Navigations- und dynamische Schaltflächen für zehn vorprogrammierte Sender angebracht. Die Elemente auf der Basiseinheit beinhalten einen so genannten Navigator, der zugleich auch der Ein- und Ausschaltknopf ist. Darüber hinaus gibt es Bedienknöpfe für die Funktionen Menü, Aufnahme, Autotuning, Info und ReVu/Snooze.
Spätestens bei der Begutachtung der neuen digitalen Aufnahmefunktionen ist der Begriff Uhrenradio im Zusammenhang mit dem “Bug" tiefstaplerisch. Das so genannte ReVu-System verfrachtet das empfangene Radioprogramm in einen internen Datenspeicher. Der fasst, je nach Sendung, zwischen 5 und 12 Minuten Programm. Der Radiohörer kann das Programm jederzeit “zurückspulen", um sich die Lottozahlen nochmals anzuhören und mit seinem Tippschein zu vergleichen, um das letzte Musikstück erneut zu hören, um eine ganze Sendung zeitversetzt zu empfangen oder um eine digitale Aufnahme zu starten, die das Tonsignal auf eine Secure Digital Memory Card (SD-Card) schreibt.
Zusammen mit der integrierten Timer-Funktion können Radiosendungen auch automatisch aufgenommen und zu einem späteren Zeitpunkt angehört werden. Nicht nur, dass der “Bug” sich damit ein wenig zum Radio on Demand mausert, nein, die auf der SD-Card abgelegten Sendungen lassen sich auch auf anderen Geräten wie einem PC, einem MP3-Player, einem MP3-fähigen Handy oder einem PDA abspielen. Typische SD-Card-Speicher haben 128 oder 256 Megabyte Kapazität, wobei ein Megabyte für etwa eine Minute Radioaufzeichnung ausreicht.
Wie bei vielen englischen Geräten wird leider nur einer der beiden in Deutschland für Digital Radio eingesetzten Bereiche empfangen, das Band III von 174 – 240 MHz; der L-Band-Empfang wird derzeit nicht unterstützt.
Viele Möglichkeiten
Das Gerät verfügt über einen USB-Anschluss, einen Steckplatz für eine SD-Speicherkarte und eine 75-Ohm-DAB-Antenne. Eine geeignete Teleskopantenne ist bereits im Lieferumfang inbegriffen. In Gegenden mit schlechter Versorgung erweist sie sich allerdings als nicht ausreichend leistungsstark. Ein externes Modell lässt sich aber problemlos anbringen und das wirkt wahre Wunder.
Darüber hinaus hat sich der Hersteller auch bei den Ausgängen nicht knauserig gezeigt und einen 3,5-mm-Kopfhörer-Anschluss, einen 3,5-mm-Analog-Ausgang und sogar einen optischen S/PDIF-Ausgang spendiert, mit dem der Anschluss an ein MiniDisc- oder DAT-Gerät möglich ist.
Der “Bug” wird er über ein Flash-BIOS gesteuert und kann per USB an einen PC anschließen. So lässt sich nicht nur unmittelbar auf eine eingelegte SD-Speicherkarte zugreifen, sondern bei Bedarf auch eine neue Software-Version auf den “Bug” überspielen.
Um den “Bug” zu verstehen und ihn dazu zu bringen das zu tun, was man von ihm möchte, liegt dem Gerät zum einen eine bebilderte, leicht verständliche Kurzanleitung und zum anderen ein ausführliches Handbuch bei, das keine Fragen offen lässt.
Einziger Wermutstropfen: Die Bedienungsanleitung ist bis auf weiteres ausschließlich in englischer Sprache erhältlich. Nach Herstellerangaben soll sich das schon bald ändern und die ausführliche deutschsprachige Bedienungsanleitung via Internet nachgereicht werden.
Wer englisch versteht, bekommt Antworten auf Fragen nach bisher unerwähnten Funktionen: Radiostationen lassen sich in zahlreichen Varianten zum leichteren Abrufen sortieren, z. B. in der klassischen alphanumerischen Variante oder nach Favoriten geordnet.
Neben dem eigentlichen Programm enthält ein DAB-Signal weitere Zusatzinformationen, die der “Bug” in der Anzeige seines Displays wiedergeben kann.
Der eingebaute Equalizer sorgt für eine optimale Anpassung der Wiedergabe an die eigenen Vorlieben, indem beispielsweise die mittleren Tonfrequenzen angehoben oder die Bässe besonders betont werden. Einen Ghettoblaster erwirbt man mit dem “Bug" zwar nicht, aber die Leistung ist doch ausreichend, um morgens aus dem Bett aufgescheucht zu werden.
Fazit
Der Klang ist gut, die Bedienung leicht und das Design außergewöhnlich. Was fehlt, ist einzig die Abdeckung des L-Bandes. Moderne Menschen werden hingegen das Fehlen der analogen UKW/MW-Frequenzbänder kaum vermissen. Und ein besonderer Geschmack war selten preiswert, allerdings muss man dem “Bug” zugute halten, dass er mehr ist als lediglich ein einfaches Wiedergabegerät. Schließlich bietet er die Möglichkeit, Musik und Sendungen in bester Qualität aufzuzeichnen und auf andere Datenträger zu überspielen oder mithilfe des Computers zu bearbeiten. Insofern erscheint die unverbindliche Preisempfehlung von 249 Euro durchaus wie eine Kampfansage an die Konkurrenz - eine SD-Karte sollte man sich noch zusätzlich gönnen. Pure gießt mit dem “Bug” auf jeden Fall weiter Öl ins Feuer des DAB-Empfänger-Marktes. Man darf gespannt sein, was in Sachen DAB noch alles von der Insel zu uns kommt.