Ein vollständig in weißem Klavierlack getauchtes Radio, mit einer weit geschwungenen Front und einem einzigen Bedienknopf in der Mitte. Was bei der Präsentation der Prototypen zur Funkausstellung 2005 wirkte, wie Lifestyle-Objekt für junggebliebene Radiofreunde, wandelte sich bis zum fertigen Radio zum optischen Frührentner.
Da steht steht es auf dem Tisch und verspricht DAB-Empfang im Band III, UKW-Empfang mit RDS und - man lese und staune - die gute alte Mittelwelle. Das Testmuster kam mit silberner Frontmaske und in einer hellen, reichlich hausbackenen Echtholzfurnier-Zarge daher. In Natura wirkt das Gerät zudem schmaler als auf den Fotos. Der weitläufige Schwung der Front kann sich dadurch nicht so elegant in Szene setzen wie erwartet. Das Radio gibt es zwar auch in weiß, doch bezieht sich die Farbangabe nur auf die Frontplatte.
Holzdekor, Analogskala, prima Empfang, angenehmer Klang: Mit dem herrlichen WR-1 landete Sangean einen Volltreffer. Die Renaissance des End-Sechziger-Tischradios, veranlasste viele Radiofreunde zum Kauf. Kann sein, dass genau dieser Erfolg Sangean bewog, das DDR-22 für eine ältere Käuferschicht interessant zu machen. Am Gelingen plagen uns allerdings leise Zweifel.
Fernbedienungszwang
Ein „Einknopfradio” zu präsentieren, bewährt sich in der Praxis nicht. Am Radio selbst kann man nur das Gerät nämlich nur Ein- und Ausschalten und durch Drehen des zentralen Knopfes die Lautstärke einstellen. Für alles andere muss man eine üppig ausgestattete Scheckkarten-dünne Fernbedienung bemühen. Die Fernsteuerung erlaubt auch die Steuerung eines CD-Laufwerks, doch ist das beim DDR-22 nicht vorhanden. Dennoch sind einige vermeintliche CD-Steuertasten für Menü- und Sendereinstellungen in Funktion. Das umständlich wirkende Bedienkonzept zwingt den neuen Benutzer in die Arme einer schlecht übersetzten Bedienungsanleitung. Um in tiefere Menüs abzutauchen muss die Taste Setup gedrückt werden. Zum Wechsel der Menüebenen sind die CD-Vorlauf- und Rücklauftasten zu bemühen. Die liegen nicht so logisch beieinander, wie man sich das wünschen würde. Kurzum: Wenn man das Radio konsequent in Richtung einer älteren Zielkundschaft geplant hätte, wäre dieses Radio nicht dabei herausgekommen.
Viele Funktionen
Die Ausstattung ist nicht schlecht. Die Programmierung der Weckzeiten ist durchschaubar, die Einschlaffunktion erlaubt im Handumdrehen die Zeiteinstellung von zehn bis 90 Minuten in Zehn-Minuten-Schritten. Ein Line-In-Signaleingang bietet sich für einen CD-Player an. Auf der Rückseite steht weiterhin ein Kopfhörerausgang und ein Antennenanschluss zur Verfügung. Einen optischen Digitalausgang gibt es allerdings nicht. Typisch für Sangean-Tischradios: Das ins Gehäuse integrierte Netzteil und eine Verarbeitungsqualität, die keine Klagen aufkommen lässt. Das Uhrzeitsignal liefert das UKW-Empfangsteil per RDS ins Radio und nicht etwa der DAB-Tuner. Bei Nutzern, die konsequent DAB hören, geht die Uhr selten richtig.
3-D mit Klangfehler
Ein leidlich volumenhaltiges Tischradio, lässt von einem satten Klang träumen. Bässe, Mitteltonbereiche und Höhen? Ja, ist alles vorhanden. In welcher Abmischung, darüber entscheiden die schaltbaren Klangprofile in recht rabiater Manier. Bei weiblichen Stimmen lässt sich aber in keiner Klangeinstellung kaschieren, das die zwei Lautsprecher unangenehme Spitzen hinausschleudern. Die den Klangcharakter prägenden Mitteltonbereiche offenbaren Schwächen. Selbst ein warmes, sanftes Saxophon klingt in keinem Klangprofil überzeugend. Auf der Rückseite ist ein Bassreflexausgang angebracht. Durch eine geeignete Aufstellung mit etwas Abstand zwischen Geräterückseite und Wand, bringt das DDR-22 als Entschädigung immerhin eine sehr angenehme warme Bassentwicklung mit. Auf der Rückseite befindet sich noch eine 3D-Klang-Schalter. Der sorgt dafür, dass die Lautsprecher akustisch weit mehr auseinander rücken, als das im Gehäuse möglich ist. Der Trick ist zwar ein alter Hut, aber immer noch verblüffend: Die Instrumente lassen sich plötzlich räumlich zuordnen. Die Musik scheint geradezu im Raum zu schweben. Die Schwächen im Mittenbereich werden dadurch technisch bedingt aber eher betont.
Solide Empfangsvorstellung
Die Empfindlichkeit des DDR-22 auf DAB geht in Ordnung. Das Rheinland-Pfalz-Ensemble wird auf dem Balkon an einer verstärkten Teleskopantenne erkannt. Das ist gutes Mittelmaß, aber eben auch nicht mehr. Der UKW-Empfang ist in vielen DAB-Radios eine wahre Katastrophe. Das Sangean DDR-22 enttäuscht in dieser Disziplin nicht. Es ist recht empfindlich und das RDS-Modul ist richtig „auf Zack“. In Deutschland werden die RDS-Informationen typischerweise mit wenig Pegel ausgestrahlt und deshalb zeigen viele UKW-RDS-Radios die Sendernamen erst bei sehr starken Ortssendern. Ausgerechnet dort hat man die Frequenzen aber sowieso im Kopf. Nicht so das DDR-22: Alles was da leidlich rauschfrei herein kommt, wird sofort ausgewertet. Selbst wenn ein Signal jede Menge Rauschen mitbringt, flackert der Schriftzug RDS tapfer auf und es braucht nicht lange, bis der Sendername im Display steht. Auf diese Weise bin ich zufällig über den Bonner Campussender Bonn 96,8 gestolpert. Das Signal kommt nicht gerade kräftig an, aber das Sangean DDR-22 ließt zügig das RDS-Signal aus. Schlecht hingegen: Die Mono-Stereoumschaltung bei UKW erfolgt ausschließlich automatisch. Die Automatik reagiert nervös, schaltet hin und her und lässt viel zu viele rauschenden Signale in Stereo durch. Weil hier in der Wohnung auch aus dem Kabelanschluss stammende Signale den UKW-Empfang erschweren, ist jedes UKW-Radio im Trennschärfestress. Starke Ortssender schrabbeln wenigstens 100 Kilohertz oberhalb und unterhalb der eigentlichen Sendefrequenz. Für einen Lorbeerkranz reicht das zwar nicht, wirkt aber durchaus praxisgerecht. Spiegelfrequenzen und Geisterstationen bleiben den UKW-Kennern weitgehend erspart. So ist die UKW-Empfangqualität insgesamt völlig ausreichend. Das bringt uns zur Mittelwelle. Das ist der einzige Wellenbereich der nicht auf den einsamen Antennenanschluss zurückgreifen muss, sondern auf eine interne Ferritantenne vertrauen darf. Der automatische Suchlauf findet tagsüber sage und schreibe einen Sender. Und zwar den des WDR, vom Standort Bonn-Venusberg - keine drei Kilometer Luftlinie von der Redaktion entfernt. Auf der Handabstimmung kamen sieben Programme in guter Hörqualität. In den Abendstunden und in der Nacht, wenn sich aus ausbreitungsphysikalischen Gründen viele entfernte Mittelwellensender ein Stelldichein geben, mischt das DDR-22 aber munter mit. Die britischen Talksport-Sender auf 1053 und 1089 kHz stellen ebenso wenig ein Problem dar, wie RFM auf 1305 kHz oder -knapp über dem Rauschen - Manx Radio auf 1368 kHz. Für Kurzwellenhörer sind das alles Standards, aber für gewöhnliche Haushaltsradios mit MW-Taste bei weitem keine Selbstverständlichkeit. Die Balance zwischen Empfindlichkeit und Trennschärfe ist stimmig. Das begrenzte Sortiment an MW-Signalen wird ausreichend voneinander getrennt.
Fazit
Mit seinen Klang- und Bedienschwächen konnte uns das DDR-22 nicht recht vom Sessel reißen. Es sei erwähnt, dass das DDR-22 nicht auf DABplus-Betrieb aufgerüstet werden kann. Der derzeitige Straßenpreis liegt bei 200 Euro.
Steckbrief
Frequenzbereich: DAB-Band-III 174-240 MHz; UKW 87,5-108 MHz; MW 530 - 1710 kHz
Weckalarm , Einschlaftimer
Lautsprecher: Zwei 2,5-Zoll-Lautsprecher, Bassreflexrohr an der Gehäuserückseite
Eingänge: Netzanschluss, 3,5-mm-AUX-Eingang für andere Geräte
Ausgänge: 3,5-mm-Kopfhörer, 3,5-mm-Ausgang (analog)
LCD-Display: 16 x 2 Zeichen
Abmessungen B x H x T (mm): 240 x 115 x 153,
Gewicht: 2,1 kg
Antenne: Abnehmbare Teleskopantenne im Lieferumfang inbegriffen