Das Evoke-3 von Pure ist so etwas wie der Rolls-Royce unter den DAB-Kofferradios. Er vereint alle Funktionen, die man in verschiedenen Modellen von Pure Digital zumindest im Ansatz gesehen hat und kann alles noch einen Tick besser.
Understatement ist eine britische Tugend. So ist man beim Auspacken des großen Evoke-3 keineswegs überrascht. Ein strikt konservativ gestaltetes Kofferradio in einer dekorativen Kirschholzzarge kommt da zu Tage. Auf den ersten flüchtigen Blick ist der Rolls-Royce allerdings leicht mit einem Evoke-2 zu verwechseln. Nachdem die Evoke-Serie ein enormer Erfolg ist, wagt man in Hertfordshire offenbar keine Experimente.
Die Verpackung hat es nicht mit dem Understatement und ist mit Funktionslogos geradezu zugekleistert: MP3, SD, UKW-RDS, TriBand, DAB, 99 Memories, 20 Timer, 20 Alarm, EPG, Ipod-Input, USB, Digital Output, Charge-Pak-Ready, ReVu und Remote-Control. Das ganze Funktionsuniversum wird über zwölf Tasten und drei Drehregler kontrolliert. Da glaubt man fast, ihre Majestät die Königin hat “Mister Q” mal eben an Pure Digital ausgeliehen, um das alles hinzubekommen.
Tatsächlich bringt das Evoke-3 alles zusammen, was man bislang in unterschiedlichen Pure-Geräten gefunden hat. Das 2,7-Kilo-Schwergewicht hat gleich zwei Bügelgriffe, die als “Snooze-Handle” den Alarm für ein paar Minuten Nachschlafzeit verstummen lassen. Die Radio-Rückspulfunktion ReVu kann auf mehr geräteeigenen Speicher zugreifen. 30 Minuten Programm können so locker abgepuffert werden.
Drehen und Drücken x 3
Wirklich bemerkenswert sind die Fortschritte bei der Bedienbarkeit der vielen Funktionen. Der “Bug”, bisheriger Innovationsträger bei Pure, kann ja ebenfalls auf ReVu und SD-Karten-Aufnahmen sowie auf umfangreiche Weckfunktionen für jeden Wochentag zurückgreifen, aber mit der vielverzweigten Menüführung hatten wir so unsere liebe Mühe. Die Idee, einen großen Teil der Bedienung über einen Dreh- und Druckknopf zu bewerkstelligen, bekam von reinHÖREN beim Evoke-1-Test hingegen klare Beifallsbekundungen. So hat der Evoke-3 drei Drehregler die nach diesem Prinzip funktionieren. Der Lautstärkeregler aktiviert per Druck Bass- und Höhenregler, ein Druck auf den ReVu-Dreher stoppt das laufende Programm und startet die Zwischenspeicherung. Der Abstimmknopf wechselt auf Druck in die Auswahl der Speicherliste. Ein weiteres Erfolgselement ist das neue Display: Menüauswahlen lassen sich auf einer sechszeiligen Auswahl abrufen. So macht das Spass. Selbst die Programmierung von Weckzeiten wird dadurch zu einem Kinderspiel: Wochentag auswählen, Weckart (Ton, Radio oder bestimmte Musikstücke auf der SD-Karte) auswählen, drücken und fertig. Die Bedienung wirkt aus einem Guss. Niemand muss befürchten, erst nach langwierigem Studium der Bedienungsanleitung, die Möglichkeiten des Radio zu ergründen.
Sechs Zeilen Schwarz-Weiß
Noch ein Wort zum Display: Es handelt sich hier um eine begrenzt grafikfähige schwarze LCD-Punktmatrix und nicht um die bekannte blau-weiße Anzeige. Kontrast und die Helligkeit der Hintergrundbeleuchtung sind stufenlos regelbar. Dabei lassen sich sogar unterschiedliche Helligkeitswerte für Betrieb- und Stand-By-Modus definieren. Wer den Evoke-3 wirklich als Radiowecker einsetzt, wird das begrüßen. Zudem lässt sich das Display auch ohne Beleuchtung bei Tageslicht ordentlich ablesen. So gesehen, ist die Schwarz-Weiß-Anzeige kein Rückschritt.
Top-DAB-Empfang
In der Empfangsbewertung präsentiert sich das Evoke-3 auf Augenhöhe mit den beliebten Evoke-1. Der Empfang im DAB-Band III und im L-Band ist ohne Tadel. Das Ensemble aus Rheinland-Pfalz kommt an manchen Stellen der Redaktion in Bonn mit leichten Störungen sogar indoor auf der Teleskopantenne. Der Kanal LD mit seinen DMB-Ausstrahlungen für Köln lässt sich ebenfalls indoor mit eingeschobener Teleskopantenne auslesen. Zum Vergleich: Das Trinloc-Sinfonie sieht auf LD überhaupt kein Signal. Für den L-Band-Empfang wird bei Pure neben einer kleinen Platinenantenne im Inneren auch das Signal des externen Antennenanschlusses einbezogen. Anders wäre der Leistungsunterschied nicht zu erklären, setzen doch Pure und Trinloc gleichermaßen auf Frontier-Silicon-Chipsätze.
Hausmannskost auf UKW
Der UKW-Empfang ist allenfalls ausreichend. Der Filter ist zu breit, die Ansprechschwelle zum Umschalten von Stereo- auf Mono-Empfang ist schlecht gewählt. Die RDS-Auslesung braucht viel Signal, aber selbst bei ausreichend starken Sendern, bei denen der RDS-Text über das Display flitzt, wird der Empfang von zischen und rauschen begleitet. Den Sender Linz/Rhein (SWR III) und RPR1 (Heckenbach/Schönberg) bringt das Evoke, was leider nicht jedem Testgerät gelang. Mehr als ein UKW-Empfänger für den einfachen Hausgebrauch sollte man hinter dem Evoke-3 aber nicht vermuten. Beim Evoke-1 (179 Euro) haben wir das akzeptiert. Trotz aller Funktioneritis des Evoke-3 sinkt unsere Akzeptanzschwelle für schwachen UKW-Empfang bei einem 349-Euro-Radio rigoros gen Null.
Standesgemäß sonorer Auftritt
Der Klang des Pure-Kofferradios entspricht etwa dem, was man anhand des Gehäusevolumen an Fülligkeit vermuten würde. Es neigt zu einer Betonung im Übergangsbereich von Tief- in Mitteltonlagen, was dem Radio einen respektablen sonoren Ton einhaucht. Der Sprachverständlichkeit bei niedrigen Lautstärkepegeln hilft der warme Grundton hingegen nicht. Die zwei Lautsprecher sind mit 70 mm Durchmesser freilich nicht gerade üppig dimensioniert. Zudem ist das Gehäuse geschlossen. Der warme Grundton kann bei Hörproben bekannter Aufnahmen von der SD-Karte nicht darüber hinweg täuschen, dass im Frequenzkeller nicht viel zu holen ist. Da freut man sich durchaus über den Bassregler, denn ein paar Dezibel Nachhilfe stehen den Lautsprechern ganz gut zu Gesicht.
Rocker haben keinen Zugang
Bei Kammermusik mit einigen Streichern und einer Klarinette gefiel das Evoke-3 durch seinen ausgeglichenen Klang-Charakter. Bei sparsam instrumentierten Jazzstücken, die zum Beispiel mit Piano und Saxophon auskommen, gefällt die warme Grundfarbe. Geht es aber darum, bei Rockmusik mehrere sich überlagernde E-Gitarren, ein Schlagzeug und einen bemühten Sänger überzeugend darzustellen, erntet das Evoke-3 eher ein Kopfschütteln. Die Instrumente kleben am Gehäuse fest, lösen sich räumlich gar nicht mehr auf. Das ständig im Radio gedudelte Stück “I still burn” von RTL-Superstar Tobias Regner war hier ein markanter Prüfstein. Die Neigung des Pure-Radios regelrecht blechern und hölzern aufzuspielen, war in der ersten Testrunde nicht dem Radio, sondern dem WDR anzulasten: Sowohl WDR2 als auch Einslive schicken nur noch 112 Kilobit pro Sekunde herüber. Hoffentlich nur testweise, weil WDR Event 24 Kilobit ohne Modulation belegt. Wir haben die Tests dann mit MP3-Material durchgeführt. Obwohl das Evoke-3 mit impulsiver elektronischer Musik keine Schwierigkeiten hatte, präsentiert es seine klanglichen Schokoladenseiten ohne Wenn und Aber in gebundenen Musikstilen, denen ein warmer Klangcharakter zu eigen ist, der auf dem Evoke-3 bestens zur Geltung kommt. Realistisch auch die Wiedergabe charaktervoller Stimmen. Jedenfalls lässt sich Gianmaria Testa mit seiner “Il Valzer di un Giorno” aus hunderten italienischer Barden sofort wiedererkennen.
Das Klangresultat geht in Ordnung: Das Evoke-3 dürfte mit seinem gesamten Auftritt und Stil eine klare Alters-Zielgruppe ansprechen. Und hier folgt es mit seinem klanglichen Stärken den dort vermuteten musikalischen Vorlieben. Ein Angebot für Musikgenießer, denen ein warmtönendes Kofferradio für endlos viele Einsatzzwecke schon lange gefehlt hat.
Der Rekorder erkennt Musikstile
Ein wesentliches Feature ist das Zusammenspiel mit der SD-Karte. Wir haben Karten mit 512 MB (Scandisk) und 256 MB (Kingston) mit verschiedenem Audiomaterial bespielt und ausgiebig gestestet. Selbst mit verzweigten Ordnerstrukturen hatte das Evoke-3 keine Probleme. Das Scrollen der Titellisten ist ein reines Vergnügen, auch weil die Bediensoftware zügig arbeitet. Zum Start einer Radioaufnahme reicht ein Druck auf die Record-Taste. Ein erneutes Drücken stoppt die Aufnahme. Alle DAB-Aufnahmen werden mit Sender, Kanal, Datum, und Uhrzeit abgelegt. Interessanterweise erkennt die Aufnahmefunktion den Musikstil. Aufnahmen von WDR 2 Klassik werden als Classic gespeichert. Musik bei der die Stimme des Sängers dominiert wird als Vocal bezeichnet eine Pop-Aufnahme wird als Pop abgelegt. Wunderwerk der Technik!
Auch die Rückspulfunktion ReVu war noch nie so schön in Ausführung und Funktion, wie beim Evoke-3. Ein Druck schaltet das Radio stumm, man kann in Ruhe telefonieren und ein erneuter Tastendruck setzt die Radiowiedergabe an der Stelle der Unterbrechnung fort. Das Display zeigt die Pausenuhrzeit und rücklaufend die verbleibende Zeit, bis der Zwischenspeicher voll ist. Gut und gerne 30 Minuten. Beim Vorspulen der Zwischenspeicherinhalte wird die ursprünglich genaue Sendezeit mit eingeblendet. Tja, Zeitmaschinen werden auch immer komfortabler.
EPG: Radiozeitung eingebaut
Gar nicht würdigen konnten wir die EPG-Funktion. Das steht für “Elektronischer Programm Guide”, also einer Radioprogramm-Zeitschrift, die im DAB-Ensemble für jeden Sender ausgestrahlt werden könnte. Darüber haben wir in reinHÖREN vor über einem Jahr berichtet und seither ist Präzise nichts geschehen. Nun steht das erste PC-unabhängige DAB-Radio mit EPG-Funktion in den Schaufenstern, aber Inhalte gibt es nicht. Spätestens jetzt ist der Moment gekommen, wo man sich von bunten PAD-Bildern verabschiedet, um den Hörern einen echten Mehrwertservice, nämlich Informationen über den eigenen Programmablauf, zukommen lassen sollte.
Das Evoke-3 lässt sich mit sechs wiederaufladbaren Batterien bestücken und im Netzbetrieb wieder aufladen. Ein Stromsparer ist das Radio bestimmt nicht. Das Netzteil liefert 18 Watt Leistung und bei hoher Lautstärke beginnt die Displaybeleuchtung SOS zu morsen. Jede Batterie soll wenigstens 2.200 mAh besitzen. Optional ist ein “ChargePak”-Akku erhältlich. Der hat seinen eigenen Stromabnehmer im Batteriefach und dürfte mehr netzunabhängigen Betrieb erlauben. Nachteil dabei: Das Radio wird noch schwerer.
Wo geht’s zur Premuimklasse, bitte?
An der Gehäuseverarbeitung gibt es zwar nicht viel auszusetzen, aber in der 350-Euro-Klasse darf es gerne mehr sein: Die Tasten unterscheiden sich qualitativ in nichts von einem Evoke-1, der Batteriefachdeckel wirkt billig, die Drehknöpfe sind aus einfachem Kunststoff. Gummierte Oberflächen wären hier eine Alternative zur massiven Metallausführung gewesen, hätten aber den Premiumanspruch etwas unterstrichen. Die Fernbedienung ist funktional und liegt gut in der Hand, ohne besonders edel daherzukommen.
Fazit
Alles was an einem Evoke-1, Tempus-1 oder Bug gut war, ist im Evoke-3 besser. Der Empfang ist, mit Ausnahme der UKW-Leistung, vorzüglich. Die Bedienung ist gemessen an den mannigfaltigen Funktionen des Evoke-3 eine Klasse für sich: Das Radio hat eine Menge gut gedachter Funktionen und ein klares Bedienschema sorgt im Verbund mit dem großen Display dafür, dass sich alle diese Funktionen sofort nutzen lassen. Das warme Timbre in seiner Wiedergabe dürfte bei Freunden eines klassischen Kofferradios recht gut ankommen. Nach unserem Geschmack übertreibt das Pure Evoke-3 sein gepflegtes Understatement, denn ein wenig mehr Klasse bei den Tasten und Schaltern hätte dem konservativem Auftritt des Briten einfach etwas mehr Glanz verliehen. Als Gesamtpaket ist das Pure Evoke-3 ein Ausblick in die digitale Luxusklasse des Radiohörens von heute - und in dieser Rolle derart souverän, dass der Preis von 350 Euro eher bestärkt als abschreckt. Ihre Majestät dürfte zufrieden sein.