Besonders preiswerte DAB-Kofferradios gehören zum Pflichtprogramm im Testparcours und versprechen nach bisheriger Erfahrung weder Überraschungen noch Lustgewinn. Das Albrecht DR-600 gehört mit seinem empfohlenen Verkaufspreis von 129,90 Euro genau in diese Kategorie, konnte aber mit etlichen Vorurteilen aufräumen.
Diesen Test haben wir bereits in Fußballsommer 2006 durchgeführt. Die Kiste mit dem Testmuster stand in der Abendsonne hinter Glas. Man könnte es vielleicht bei sinkenden Temperaturen auf dem Balkon einmal ausprobieren, dachte ich mir. Das Öffnen der Verpackung und Abstreifen der Kunststofffolien führt zu einem ersten sinnlichen Erlebnis: Das leicht erwärmte Radio verströmt einen feinen Duft von verleimtem Holz. Ein Zigarrenkistenradio kommt zum Vorschein. Der Begriff passt einfach perfekt. Die strenge Formgebung, die Größe, der Geruch: Als erstes Radio der ”Zigarrenkisten-Kaste“ wartet das DR-600 mit einer massiven Holzrückwand auf. Eine abnehmbare Teleskopantenne und der Stromanschluss sind dort zu finden und sonst nichts als ein paar kleine vernickelte Schrauben. Das Gehäuse besteht vermutlich aus Sperrholzplatten und ist mit einem Buchefurnier bezogen.
Trotz der geringen Anschlussfreude gibt es vorne - also dort, wo es eigentlich auch hingehört - eine Kopfhörerbuchse. Zwei Drittel der Frontfläche sind mit einem grauen Bespannstoff überzogen, hinter dem tatsächlich zwei Lautsprecher Platz finden. Bei Licht betrachtet erkennt man drei geradezu winzige Schallöffnungen, durch die sich die Schallwellen ins Freie verdrücken sollen. Im oberen Bereich sind die Bedienelemente auf einer mokkabraun-metallisierten Blende untergebracht. In der Mitte dominiert eine silbern hinterlegte Acrylglasplatte als Abdeckung für das grün hinterleuchtete zweizeilige LC-Display.
Die Verarbeitung ist nicht ganz über jeden Zweifel erhaben. Die Bedienblende wurde bei unserem Muster nicht völlig gerade in die Frontplatte eingepasst, der große Lautstärkeregler schabte mehlig an der Acrylplatte.
DABs beste Zigarrenkiste
Die erste Inbetriebnahme gestaltet sich problemlos. Ein Gedrückthalten der Taste Scan startet den großen Suchlauf. Groß deshalb, weil das kleine DR-600 auch die L-Band-Kanäle mit überprüft. Der Suchlauf ist verblüffend schnell und doch gründlich, findet in Bonn auf Anhieb das Ensemble NRW und das Handy-TV-Paket Watcha aus Köln. Das ist schon einen ersten Applaus wert. Mit eingeschobener Antenne unternimmt das Radio sofort den Versuch, auf ZDF abzustimmen, erkennt dann aber ein nicht bekanntes Datenformat und führt die Sender des DMB-Ensembles nicht weiter in der Programmliste. Das ist vernünftig, um unbedarfte Nutzer nicht unnötig zu verwirren. Die manuelle Abstimmung ist ebenfalls schnell gefunden und schon ist das kleine Radio bereit für den Rheinland-Pfalz-Test. Und genau hier kommt die Sensation: Das kleine DR-600 findet auf dem Balkon das Ensemble Rheinland-Pfalz mit seiner Teleskopantenne und es gelingt ihm sogar - eine gute Position mit Reflexionen von der Balkontür vorausgesetzt - alle Programme mit etwas Fehlerbesatz hörbar zu machen. Zeit für einen tropischen Rum-Limetten-Soda mit Eis in der rheinischen Tiefebene, um der tollen Zigarrenkiste zu huldigen. Bislang war nämlich nur ein einziges DAB-Radio in der Lage, eine ganz ähnliche Empfangsleistung abzuliefern: Das Pure Evoke-1 XT TriBand.
Meisterklasse auf UKW
Doch der Wahnsinn geht in die nächste Runde. Bisher waren wir fast durchgehend vom UKW-Empfang der DAB-Tischradios enttäuscht, mit der markanten Ausnahme des Tivoli Model DAB, das sich ja einen eigenen hochwertigen UKW-Empfänger leistet. Das Gros der DAB-Radios liefert fünf bis acht Ortssender ohne Rauschkonzert ab, um im restlichen UKW-Band ein undefinierbares Gemisch aus Geisterstationen und nicht getrenntem Wellensalat zu Gehör zu bringen. Das kleine Albrecht DR-600 bietet nicht nur einen UKW-Empfangsteil mit RDS inklusive Radiotext, sondern entpuppt sich als trennscharf und hinreichend empfindlich. Sogar das RDS-Modul ist auf Zack und liest sogar dann noch zügig Stationskennungen aus, wenn die Signalstärke eher dünn ist und der Stereoempfang ein wenig Rauschen mitbringt. Durch das undichte Kabelnetz konnten wir in Bonn über 40 Signale feststellen, rund 30 Sender konnten in akzeptabler Qualität wiedergegeben werden. Alle 200 kHz trennt das Radio ganz brav und wie selbstverständlich sogar starke Stationen voneinander. Die Mindestanforderungen wie SWR3 aus Linz oder BFBS vom Sender Langenberg sind kein Problem, das DR-600 schafft viel mehr: BigFM auf 104,0 (Koblenz) und 104,7 (Ahrweiler), Radio Bonn/Rhein-Sieg, Radio Erft, Radio Berg, RPR1, SWR4 Koblenz (alle mit RDS) und sogar die Antenne AC (Aachen-Stolberg) auf 107,8 mit leichtem Rauschen in Stereo. Von der Leistung sollten sich andere Hersteller dringend eine Scheibe abschneiden. Übrigens: Auch das Albrecht DR-601 schaffte seinerzeit die Antenne AC, aber das DR-600 kann es deutlich besser. Endlich mal ein ernsthaftes Radio für DAB und UKW.
Schlafen mit grünen Männchen
Gegen die Bedienung des DR-600 ist kaum etwas einzuwenden. Wenn man respektiert, dass der Drehknopf nur für die Lautstärke zuständig ist und sich eingeprägt hat, wo die kleine unscheinbare Entertaste liegt, wird man mit dem Radio schnell zurechtkommen. Postiv: Die Software ist flink und sogar die Labeltexte sind sorgfältig portiert worden und können Umlaute korrekt anzeigen. Zwei mal vier Stationstasten lassen sich mit Lieblingssendern belegen. Für UKW und DAB also 16 Programme. Man kann sich mit dem DR-600 wecken lassen oder es als Einschlafhilfe verwenden. Zumindest die Weckzeiteinstellung ist zeitraubend, weil man die Zeit vorwärts oder rückwärts flitzen lassen muss. Stunden und Minuten lassen sich nicht getrennt einstellen. Ob das Radio schlafzimmertauglich ist, muss bezweifelt werden, weil die Displaybeleuchtung selbst im Stand-By-Betrieb nur eine Stellung kennt und die dürfte im Schlafzimmer wie ein Flutlicht wirken und den Schlafpartner zum grünen Marsmonster ausleuchten.
Dünn aber ehrlich
Ob Buena Vista Social Club oder sinfonische Dichtung von Friedrich Smetana, das DR-600 klingt immer gleich topfig. Wir hatten zwar schon aggressiv-quäkende Billigradios auf dem Tisch gehabt, die viel nervtötender geklungen haben, aber ein 30-Euro-Radiowecker klingt auch nicht wesentlich schlechter als das DR-600. Immerhin drängen sich keine sirrenden Nebengeräusche in den Weg und das DR-600 bemüht sich im Rahmen der von den Lautsprecher aufgezeigten Grenzen um eine klare Wiedergabe, aber das ist dann auch schon alles. Während andere Radiohersteller versuchen, schwachen Lautsprechern durch Bassbooster und Equalizer zu mehr Pepp zu verhelfen, ist das DR-600 wenigstens ehrlich. Die kleine Kopfhörerbuchse ist beim kleinen Albrecht ein echter Ausweg, weil die Tonausgabe recht linear verläuft. Das große Klangerlebnis bietet ein ordentlicher Kopfhörer.
Fazit
Preiswert, völlig unscheinbar und doch der ungekrönte König unter all den DAB-Radios zum Einsteigerpreis. Das Zigarrenkisten-Radio DR-600 ist die Überraschung beim Empfang und beherrscht DAB Band III, das L-Band und UKW wirklich aus dem Eff-Eff. Als Beistellradio in der Küche oder in der Garage, ohne große Klangambitionen, ist das DR-600 immer ein Volltreffer. Selbst in reinen Band-III-Versorgungsgebieten ist das DR-600 ein wirksames Mittel gegen schwachen Inhouse-Empfang und selbst Freunde des UKW-Empfangs werden nicht enttäuscht wieder einpacken. Aus heutiger Sicht ist bedauerlich, dass das DR-600 die geplanten neuen Programmangebote mit der DABplus-Audiocodierung nicht wird wiedergeben können.