Lange erwartet, nun endlich verfügbar. Der Albrecht DR-301 will als MP3-Player, DAB und UKW-Empfänger letzte Zweifler überzeugen, das beim Radio die digitale Zeitrechnung gestartet ist.
“Ach, hast Du wieder eine neue Digitalkamera?”, fragt mein Nachbar mit gespieltem Desinteresse. “Ist ein Radio”, gebe ich emotionslos zurück. “Sicherlich”, zweifelt er und wendet das silberne Kästchen. Auf der Geräterückseite liest er die Aufschrift “---> OPEN”. Da müsste sich nach seiner Einschätzung das Objektiv der vermeintlichen Kamera befinden. “Mensch das geht aber schwer auf, muss man da was sagen?”, fragt er mich als sich plötzlich das Batteriefach öffnet und die Plastikklappe zu Boden schießt. “Du nervst mich. Nie glaubst Du mir, was ich Dir sage”, fahre ich diesen eigentlich sympathischen aber zu neugierigen Zeitgenossen mit gespielter Verärgerung an. “Das ist ein Leihgerät und nun die Finger weg.” Mein Nachbar gibt Ruhe. Er nippt schweigend an seiner Tasse Tee und schaut aus dem Fenster. “Komisches Radio”, murmelt er leise. Dann schaut er zu mir rüber und meint: “Immer wenn ich hier bin, hast Du so komische Radios da.” So kann ich nicht arbeiten, denke ich. “Also gut”, sage ich ganz gönnerhaft: “Hier ist der Kopfhörer, da wird angeschaltet. Viel Spaß und Ruhe jetzt.”
Die Bedienung ist ganz einfach. Das klappt auch bei meinem Nachbar auf Anhieb. “Klingt prima!”, brüllt er mich versehentlich an. Ich zucke zusammen und lächle vielsagend. Doch mit Ruhe ist nicht viel. Er dreht das Ding voll auf und nuschelt lauthals mit: “Hmm hmmh, seine Straßen von jeeh heer, hmm hmm von den Bergen bis ans Meer ...!” Ich zieh aus.
Schauen
Die Verwechslung mit einer Digitalkamera ist verständlich. Die Kamerarückseite ist beim DR-301 eben die Vorderseite. Statt eines Vollfarb-TFT-Bildschirms gibt es nur ein LCD-Panel in Schwarz-Weiß. Oben rechts in der Ecke dominiert ein Multischalter, dessen Oberfläche aus Metall besteht. Genauer, eine Ringschaltwippe, die in alle Himmelsrichtungen navigiert und in der Mitte ist ein “Auslöseknopf”. Während wir sonst immer standardmäßig lose wirkende Joystickschalter monieren, notieren wir beim Albrecht ein ausgesprochen solides Schaltwerk. Man mag aber mit Blick auf den Gerätepreis darüber philosophieren, ob ein Magnesiumgehäuse besser zum Gerät gepasst hätte, als das präsentierte Kunststoffgehäuse.
Die Verarbeitung ist nicht weiter zu beanstanden. Der Teufel steckt eher in den Details: Der SD-Karten-Slot ist mit einem Gummi-Stopfen abgedeckt, aber nicht am Gehäuse gesichert und damit schneller weg, als man gucken kann. Wenn dort eine SD-Speicherkarte drin steckt, lässt sich der Gummistopfen zudem nicht mehr anbringen. Bei der USB-Abdeckung hat man hingegen an eine Sicherung gedacht. Unglücklich waren wir auch mit der Tastaturverriegelung. Die äußere Umrandung des Navigationsschalters ist aus einfachem Plastik. Wird der Ring verschoben, ist die Tastatur gesperrt. In der Hosentasche kann sich der Ring locker wieder verschieben, weil zur Bedienung ein erhobener Steg angebracht wurde.
Lauschen
Die Empfangsleistungen im Band III waren ausreichend. Wer hier einen großen Schritt nach vorne erwartet hat, dürfte enttäuscht sein. Die Empfindlichkeit im Band III unterschied sich nicht wesentlich vom kleinen Albrecht DR-101 oder dem P1 von Trinloc. Während man für das L-Band eine kleine Handy-Stummelantenne verwendet, aus der man noch ein paar Zentimeter gummierten Empfangsdraht ausziehen kann, ist man beim Band III einmal mehr auf das Kopfhörerkabel angewiesen.
Immerhin, die separate L-Band-Antennen wirkt: In der Praxis erzielt der DR-301 im L-Band hörbar mehr Empfangsleistung als die kleinen Pocket-Modelle von Albrecht. Auch der UKW-Empfang geht in Ordnung.
Genießen
Der Sound des 180 Gramm leichten Winzlings ist eigentlich ein ganz starkes Kapitel beim DR-301. Die meisten Kunden werden das leider bloß nicht mitbekommen, weil die mitgelieferten Ohrhörer nicht einmal im Ansatz demonstrieren, was in dem kleinen Gerät drinsteckt. In der serienmäßigen Konfiguration muss das Klangergebnis enttäuschen. Dünn, ohne Basswiedergabe und ohne räumliche Weite, da glaubt man an einen Einstellungsfehler. Nur bei der MP3-Wiedergabe steht ein Equalizer zur Verfügung, mit dem man den Ohrhörern ein wenig mehr Lebendigkeit einhauchen kann.
Mit unserem Referenzkopfhörer Sennheiser HD-600 hingegen wird man unversehens in einen Konzertsaal katapultiert. Am Sound stimmt einfach alles: Jedes Detail hat eine klare räumliche Zuordnung, ob Stimmen, Klassik oder Electronica, in keinem Frequenzspektrum wirkt etwas aufgesetzt oder zu betont. Sehr gut, aber wie gesagt, nicht mit dem gelieferten Ohrhörer. Der hochwertige Kopfhörer bringt jedoch ein anderes Problem mit sich: Besonders bei den Heimkopfhörern ist üblicherweise eine ganze Menge mehr Kabel dran. Unsere Erkenntnis dazu ist eine Empfangsverschlechterung im Band III, aber eine Empfangsverbesserung auf UKW. Ein weiteres Problem mit einem HiFi-Kopfhörer für daheim ist seine Impedanz. Sie beträgt bei unseren Sennheiser HD-600 300 Ohm, bei den kleinen Ohrhörern hingegen nur 32 Ohm. In der Folge ist der Lautstärkepegel am Heimkopfhörer etwas zu gering.
Der UKW-Empfang ist aller Ehren wert. Die Balance zwischen Empfindlichkeit und Trennschärfe ist gut gewählt und der Klang bei rauschfrei eingehenden Sendern ist beachtlich. Was am UKW-Teil definitiv verwundern muss, ist der Umstand, dass es nicht für ein RDS-Modul gereicht hat. “102,4 MHz" ist auf dem Display etwas verloren zu lesen und sonst gar nichts.
Staunen
Nun geht es ans Eingemachte. Auch ohne Speicherkarte im Bauch verfügt das DR-301 über eine Rewind-Funktion. Das heißt, ein interner Speicherbaustein wird fortlaufend beschrieben. Ein Druck auf die Rewind-Taste erlaubt ein Zurückspulen des Radioprogramms. Der interne Speicher reicht ziemlich genau für 60 Sekunden. Das war der erste Streich und der zweite folgt sogleich:
Nach dem Einlegen einer SD-Speicherkarte bis 512 MB Kapazität kann man mit dem DR-301 auf Knopfdruck digitale Aufnahmen auf die Speicherkarte bannen. Aufgenommen wird das typische DAB-Audio-Format MP2, die Dateien werden hingegen .mp3 benannt und können somit problemlos auch in anderen MP3-Playern abgespielt werden.
In der Praxis lässt sich die Aufnahmefunktion wunderbar einfach nutzen. Als MP3-Player mit wechselbarem Speichermedium ist man zudem vielseitiger und leistungsfähiger unterwegs, als mit den meisten Playern, die nur über einen fest eingebauten Flashspeicher verfügen. Auch klanglich macht der Player bis auf den bereits monierten Ohrhörer eine gute Figur. Das Gerät verarbeitet klaglos MP2, MP3 und Windows Media Dateien. Die Titel-Navigation ist allerdings etwas dürftig geraten: Es reicht bei einer vollen Speicherkarte von 512 MB nicht aus, vor- und zurückspringen zu können. Nicht einmal eine scrollbare Titelliste erleichtert das Auffinden des Wunschtracks. Immerhin bietet der DR-301 alle gängigen Funktionen zum Abspielen der Speicherinhalte, so zum Beispiel Anspielen, Zufallswiedergabe, Dauerschleife und Titelwiederholung.
Spielen
Die Bedienung erinnert stark an das Albrecht Tischradio DR-601. Die Menüs sind gut verständlich aufgeteilt und in sich schlüssig in der Bedienung. So bleibt keine Funktion lange verborgen. Eine Besonderheit bedarf der Erwähnung: Wenn man ein Ensemble mit seinen Programmen durchklickt, scheinen sich immer andere Reihenfolgen zu ergeben. Eine Täuschung, weil sich der Empfänger beim Ausschalten die letzte Station merkt. Lustigerweise wird man am “Ensemble-Ende” automatisch ins manuelle Tuningmenu geschaltet, um weitere DAB-Kanäle auf Aktivität zu untersuchen. Die Idee dahinter leuchtet zwar ein, aber in der Praxis empfanden wir das als lästig. Stationstasten gibt es nur drei pro Bereich. Wer seine Favoriten in die Preset-Liste ablegt, hat garantiert mehr Speicherplätze als Programme zur Verfügung, doch die eigentlich praktische Listenabfrage ist im Handling etwas zu kompliziert.
Fazit
Das lange Warten hat sich gelohnt. Der DR-301 ist ein innovativer und pfiffiger Begleiter. Das Konzept ist, bis auf ein paar kleinere Macken, sehr sauber umgesetzt worden. Ein MP3-Player mit wechselbaren SD-Karten bis 512 MB, die Aufnahmefunktion, sauberer DAB wie UKW-Empfang. Um die Klangqualitäten den DR-301 voll auszukosten, sollte man vom serienmäßigen Ohrhörer Abstand nehmen. Wer 300 Euro für diesen mobilen Entertainer ausgibt, will nicht noch für einen passenden Kopfhörer extra zur Kasse gebeten werden.