Die Squeezebox-Serie von Logitech ist eine Klasse für sich. Das gilt auch für das aktuelle Brot-und Butter-Modell, das „Squeezebox Radio“. Mit Farbdisplay, beeindruckender Klangqualität und ausgezeichnetem Qualitätseindruck kann es glänzen und doch ist es nicht für jeden Kunden die richtige Wahl.
Das kompakte, pultförmige Radio verzichtet auf Effekthascherei. Es bringt knapp 1,3 Kilogramm auf die Waage und wirkt bis in die letzte Fuge perfekt verarbeitet. Die Tasten gehen seidenweich, das Scroll-Rad hinterlässt mit seiner gedämpften Rasterung ein sattes Gefühl in den Fingerspitzen. In der Preisklasse – das Squeezebox Radio kostet zum Testzeitpunkt 179 Euro – hinterlassen nicht viele Wettbewerber einen ähnlichen Qualitätseindruck.
Auch ein TFT-Farbdisplay gehört nicht zu den üblichen Zutaten dieser Geräteklasse. Der Luxus kennt aber auch seine Grenzen. Die kleine Fernbedienung lässt sich Logitech extra bezahlen. Statt eines iPod-Dock steht nur eine Line-in-Buchse zur Verfügung. Das kleine Bedienhandbuch hat zwar 170 Seiten, ist aber nur eine Schnellstartanleitung in 13 Sprachen und die ist unserer Meinung nach zu knapp gehalten, um die Klippen bei der Einrichtung sicher zu umschiffen.
Zwar sind die Bildschirmdialoge bei der Ersteinrichtung hilfreich und das Eingeben eines Netzwerkschlüssels für den eigenen WLAN-Zugang kein Hexenwerk, aber selbst wir fragten uns, wie man dem Gerät mitteilt, dass die Eingabe beendet ist. Wir kamen schließlich doch noch dahinter (ein Leerzeichen), aber einen Tipp dazu in der Anleitung suchten wir vergebens.
Klingt prächtig
Nach der Inbetriebnahme imponiert das kleine „Squeezebox Radio“ mit einer hörenswertes Klangvorstellung. Das üppige Gerätegewicht ist offenbar dem Lautsprechermagneten geschuldet. Auch wenn man es nicht sehen kann: Das „Squeezebox Radio“ hat ein koaxiales Zweiwegesystem unter der Abdeckung. Dort verrichtet ein 76-mm-Chassis zusammen mit einem 20-mm-Hochtöner seinen Dienst bei der Wiedergabe. Angetrieben wird das Ganze durch einen Digitalverstärker mit integrierter Frequenzweiche. Das Ergebnis kann sich wirklich hören lassen. Die hohen Tonanteile kommen wohldosiert an und bei der Wiedergabe tiefer Frequenzen waren wir überrascht, wie tief die Lautsprecher in den Keller hinuntergehen können. Das Gehäuse ist geschlossen, verzichtet damit auf einen Bassreflex, was die Geräteaufstellung flexibler macht. Bei maximaler Lautstärke sind kaum Verzerrungen feststellbar, bei flüsterleisen Lautstärken beeindruckt die unglaublich klare Aussprache.
Es gibt nicht viele Radios in dieser Preisklasse, die hier noch Anschluss an die kleine Squeezebox halten könnten. Das große „Avox Classic“-Kofferradio macht deutlich mehr Druck, klingt aber nicht so ausgewogen. Revo ist mit seinem Domino vielleicht noch am ehesten am kleinen Logitech-Radio dran.
Die Bedienung, ein Irrgarten
Trotzdem ist eine Squeezebox etwas für Kenner und Könner. Die Bedienmenüs sind weit verzweigt und nicht alles erklärt sich auf Anhieb. Das Standard-Internetradio-Verzeichnis wird von Radiotime gestellt. Über den verwendeten Internetanschluss erfolgt eine geografische Zuordnung. Im Ordner „Lokal“ liegen eigentlich deutsche Stationen aus dem Nahbereich. WDR, NRW-Lokalradios, Radio 700 aus Euskirchen, die Programme des SWR, die tatsächlich auf UKW gut in Bonn ankommen und dann noch ein paar Sender aus Bayern und Baden-Württemberg. Nun, der Versuch ist ja löblich, das Ergebnis immer noch verbesserungswürdig.
Das Hauptradio-Verzeichnis von Radiotime soll über 60.000 Stationseinträge besitzen. Standardmäßig sucht man mit diesem Radio eigentlich nach Orten. Wer weiß aber schon, wo der Lieblingssender genau herkommt? Inzwischen bietet die Datenbank Schlagworte wie Musik, Talk, Sport und Welt. Hinter Welt steht nicht die ganze Welt, sondern bloß die Stilrichtung Weltmusik. Wer sich da hinein verirrt, könnte glatt glauben, in Afrika gäbe es nur in fünf Ländern Webradio. Übersichtlicher wird es so nicht. Hinter dem Begriff „Find a City“ kann man sich jetzt zu Kontinenten und Ländern vorarbeiten und die Suche nach einem bestimmten Ort auslassen.
Auch wenn man durch zahllose Menüs springen muss, um an sein Ziel zu gelangen, ist das immerhin schon eine Verbesserung. Wahrscheinlich haben sich viele Umsteiger von anderen WLAN-Radios die einfache Ländernavigation gewünscht. Trotzdem bleibt es dabei, dass Radiotime die Sender mit lexikalischer Gründlichkeit verortet. Besonders Radiosender von Exilanten werden nicht dem Zielgebiet zugeordnet, sondern dem Standort. Iranische und somalische Programme verstreuen sich so über London, Amsterdam, Stockholm, Los Angeles und Nairobi und Vancouver. Da hilft nur noch die Datenbank-Suchfunktion nach Namen weiter.
Radiohörer mit mangelnden Englischkenntnissen müssen hinnehmen, dass Logitech die Stationsdatenbank immer noch nicht auf deutsch umschalten kann, während die Radiotime-Datenbank im Internet in deutscher Sprache bereitsteht.
Nun ist Radiotime nur eines von vielen Radioverzeichnisdiensten einer Squeezebox. Im Auslieferungszustand wurden uns zudem noch Last.fm und das deutsche Radioverzeichnis Radio.de mit auf den Weg gegeben. Wer sein Gerät online anmeldet, erhält Zugriff auf weitere 24 Dienste. Darunter Spezialverzeichnisse und Webkanäle, Online-Musikspeicherlösungen, Podcast-Verzeichnisse, Programmketten wie Accu Radio und Radio IO, Digitally Imported, Absolut Radio, Live Music Archive und weitere Vollverzeichnisse wie Live365 oder Shoutcast.
Mit einer solchen Ausstattung wird jede Squeezebox zum Schwergewicht, wenn es darum geht, seinen eigenen Musikgeschmack zu bedienen. Andererseits wird die Bedienung zum Orientierungslauf durch nicht enden wollende Verzweigungen und Hörangeboten.
Extravaganzen einer Serverlösung
Als sei das nicht schon kompliziert genug, setzt man bei Logitech noch eine Etage drauf. Der Serverdienst für den heimischen PC - inzwischen "Squeezecenter" genannt - bringt Erstnutzer an den Rande der Verzweiflung. Den Serverdienst braucht man, wenn man MP3-Bestände von der Festplatte drahtlos per WLAN ins Radio übertragen lassen möchte. Andere Radios geben sich mit einem beliebigen UPnP-Server zufrieden. Solche Server sind mitunter Bestandteil einer Netzwerkfestplatte. So kann der PC ausgeschaltet bleiben.
Eine Squeezebox besteht hingegen unbedingt auf ihrem eigenen Server. Um die Musikwiedergabe über den Server anzustoßen, muss das Radio auf das Squeezecenter umgeschaltet werden. Ab sofort gehen alle Anfragen, auch die nach einer Webradiostation oder die Auswahl eines Verzeichnisdienstes, ausschließlich über den Squeezecenter-Serverdienst im Rechner. Auch die Menüoberflächen am Radio können sich nun verändern, wenn im Server nicht die gleichen Einstellungen vorliegen, wie beim Radiobetrieb ohne Server.
Und hier nimmt das Unglück seinen Lauf: Wenn Sie erst das Radio und später den PC ausschalten, könnten Sie beim Wiedereinschalten des Radios ein blaues Wunder erleben. Ihr Radio streikt, es erwartet seinen Server, doch der PC ist aus. Wir haben getestet, ob die Squeezebox in einer solchen Situation auch als Wecker versagt. Die Antwort: Wenn das Radio keine Onlineverbindung herstellen kann, ertönt eine kurze Melodieeinspielung, die das Wecken ersatzweise übernimmt. Verschlafen muss man also nicht. Weshalb eine Squeezebox nicht automatisch auf den direkten Onlinezugriff umschaltet, wenn der Server nicht verfügbar ist, bleibt uns nach wie vor ein Rätsel.
Um das Gerät wieder zum Leben zu erwecken, müssen Sie manuell wieder auf den direkten Internetzugriff ohne Server umschalten. Das geht nur, wenn man über „Eigene Anwendungen“ auf „mysqueezebox.com“ geht. Kenner lieben ihre Squeezeboxen dafür und legen solche wirklich geradezu katastrophalen Bedienmängel als liebenswerte Exzentrik aus.
Auch das kleine, in der Diagonale sechs Zentimeter messende Farbdisplay mit automatischer Helligkeitsregelung muss sich ein wenig Kritik gefallen lassen. Zwar werden Plattencover und Senderlogos angezeigt und auch sind die Menüs in hinreichend großer Schrift tadellos bedienbar. Die Laufschriftanzeige mit Titel und Senderinformation ist hingegen wirklich winzig und nur etwas für echte Adleraugen.
Positiv ist die Audioformat-Unterstützung zu erwähnen, die sich nicht auf MP3 und WMA beschränkt, sondern auch AAC+, Ogg, FLAC und Apple Lossless umfasst. Auch ist das „Squeezebox Radio“ zusätzlich mit einem Akkuschacht ausgestattet. Gegen Aufpreis lässt sich ein Akku samt Fernbedienung für 50 Euro nachrüsten, der das Radio dann begrenzt mobil macht.
Verfügbarkeitsprobleme
Nicht extravagant, sondern beängstigend lesen sich die Kommentare bei Amazon.de. Die Benutzer beklagen sich über gehäufte Ausfälle der Bedienplattform in Internet. Ohne die Dienste von mysqueezebox.com lässt sich das Radio nicht gebrauchen. Auch uns ereilte dieses Schicksal. Nur über den Server konnte man auf die Onlinedienste zugreifen. Doch wenn man beim Squeezeboxbetrieb immer den PC mitlaufen lassen soll, kann das nicht mehr der Sinn der Sache sein.
Jedenfalls waren im Testzeitraum – insbesondere in den frequentierten Abendstunden – neue Verbindungsversuche zur Onlineplattform zu beobachten gewesen . Der Radioempfang blieb von solchen „Re-Connects“ aber unbeeinflusst. Bezüglich des Vollausfalls haben wir keine Ursache ausmachen können. Erst nachdem wir das Radio stromlos gemacht hatten und es so zu einem Neustart kam, buchte sich die Squeezebox wieder auf die Webplattform ein. Das spricht aus unserer Sicht gegen eine Störung von mysqueezebox.com sondern deutet auf einen Softwarehänger hin.
Fazit: Lieben oder lassen
Man liebt die Squeezebox oder man hasst sie. Als Musik-Entdeckungsmaschine mit verblüffender Wiedergabequalität geht an dem „Squeezebox Radio“ kein Weg vorbei. Wer unkompliziert und ohne längere Studienzeit in die Weiten der Radiowelt aufbrechen will, sollte um das „Squeezebox Radio“ besser einen Bogen machen. Geht es hingegen nur noch um die Frage, ob es eine „Squeezebox Boom“ oder ein „Squeezebox Radio“ sein soll, ist festzuhalten, dass die große „Squeezebox Boom" Stereowiedergabe mit höherem Schalldruck erlaubt, in der Funktion aber kaum weitere Vorzüge zu bieten hat.
Steckbrief:
- Internetradio mit WLAN (802.11 g m. WPS) und Ethernet-Schnittstelle
- Streamingformate: MP3, Ogg Vorbis, HE-AACv2 und WMA
- Audioformate: MP3, FLAC, WAV, AIFF, WMA, Ogg Vorbis, HE-AACv2, Apple Lossless sowie weitere über Transkodierung unterstützte Formate
- WLAN-Sicherheit: WPA Personal, WPA2-AES und 64/128-Bit, WEP
- Datenbank: Radiotime (Standard)
- Anschlüsse: Kopfhörer, Line-in, Stromversorgung Netzwerk (RJ-45)
- Stromversorgung: Steckernetzteil
- Stromverbrauch: 3,3 W (WLAN), 3,2 W (Stand-by), 0,0 W (Off)
- Abmessungen (H x B x T): 130 x 220 x 85 mm (Vom vorderen Rand des Reglers bis zur Rückseite)
- Gewicht: 1,275 kg Optionen: Akkupack u. Infrarotfernbedienung
- Preis (UVP): 179,00 Euro