Das gute, alte Radio steht Dank Internet vor neuer Blüte und das Kofferradio als Gehäuseformat hat längst nicht ausgedient. Das Avox Indio Classic sieht nicht nur aus wie ein stattliches Kofferradio, es klingt auch so.
Ein kantiges, glänzend schwarzes Gehäuse, eine mehr als zweidrittel der Fläche einnehmende Lautsprecher-Abdeckung und das Kontrastspiel aus Schwarz und Silber bringt ein wenig Designmode der 1970er Jahre zum Vorschein. Wer modern sein wollte, hatte Sessel aus Kunstleder im Wohnzimmer, eine Metallbogenlampe und Beistelltische aus weißem Polyacryl. Das schwarze Avox Indio Classic wäre darauf ein perfekter Blickfang.
Technisch hat das Avox Indio Classic nicht viel gemein mit den Kofferradios von Grundig und Braun jener Tage. Kein
UKW-Empfänger, sondern ein WLAN-Internetradio-Empfänger werkelt im Inneren. Keine Transistor-Gegentakt-Endstufe, sondern ein gepulster Digitalverstärker mit ausreichend Kraft. Beim Klang, werden die Erinnerungen an diese sonor klingenden Kofferradios plötzlich wieder hellwach.
Voller Klang
Das ist auch ohne Zweifel das Kaufargument Nummer 1 für das Avox Indio Classic, denn kein anderes WLAN-Internetradio in der Preisklasse bis 200 Euro kann ein solches Klangvolumen aufweisen.
In der ursprünglich gelieferten Firmware haben die Techniker bei Avox in Norderstedt bei Hamburg eher zu viel des Guten getan. Das Gerät gurgelt schon bei geglätteter Popmusik in so tiefen Tonlagen, dass bei höheren Lautstärken das ganze Gehäuse schwingt wie eine Rüttelplatte. Mit der Klangregelung haben wir den Bass auf - 4 von 6 Abschwächerstufen geregelt und selbst das reicht noch vollauf.
Ein derartiges Kofferradio ist nun nicht für HiFi-Puristen entwickelt worden, sondern einfach für anspruchsvolle Vielhörer, die sich akustisch auf keinen Fall einem schreienden Brüllwürfel aussetzen möchten. Ein Tieftonfundament muss spürbar sein, Stimmen in mittleren Tonlagen sollten luftig klingen und ein paar Hochtonbestandteile erhöhen die Verständlichkeit und Detailzeichnung. Avox bemüht dafür ein komplettes 3-Wege-System und im Ergebnis kann das Indio Classic mit einem nicht minder kompletten Klang aufwarten.
Der erreichbare Schalldruck ist beträchtlich und selbst ein geräumiges Wohnzimmer damit gut beschallt. Wer mehr Klanggüte erwartet, wird nicht umhin kommen mehr als das Doppelte auf den Ladentisch zu legen und ob der Unterschied diesen Mehrpreis wert ist, darüber lässt sich streiten.
Doch der „Bassbums“ führte schon zu erster Kritik. Mit der Bassabsenkung allein ist es im Zweifel nicht getan. Mit einem Firmware-Update (Version 238) versuchte man sich an einer komplett anderen Tonabstimmung. Dabei geht es offenbar auch um die Trennfrequenzen zwischen den zwei Tief- Mittel- und Hochtöner. Der Bass wirkt zurückgenommen und der Mitteltonbereich tritt in den Vordergrund. Durch die Akzentverschiebung treten Schwächen deutlicher in Erscheinung: Stimmen klingen recht nasal und im Gesamteindruck ist die dünnere Klangabstimmung kein großer Gewinn. Doch auch in der aktuellen Abstimmung markiert das Indio Classic die Spitze in der 200-Euro-Klasse.
Schlüssige Bedienung
Abseits der Klangbetrachtung ist das Indio Classic ebenfalls ein Kandidat für den Einkaufszettel. Die WLAN-Internetradio-Technik stammt von Reciva. Die technische Plattform ist fast schon ein Garant für eine übersichtliche Bedienung.
Das Drehrad des Indio Classic kann Menü-abhängig unterschiedliche Funktionen übernehmen. Der WLAN-Funkschlüssel lässt sich über ein Auswahlband dank Drehrad schneller eingegeben, flink bewegt man sich durch lange Senderlisten und im Wiedergabemodus fungiert das Drehrad als Lautstärkeregler. Auch das schlichte dreizeilige LC-Display hat seinen Anteil an der bequemen Bedienung.
Eine weitere Besonderheit ist die Rückenstütze aus Metall, die sich an der Rückwand mit Rändelschrauben befestigen lässt. Die Stütze verhindert das Umstürzen des Radios, wenn man Tasten auf der Frontseite bedient. Viele andere Hochkantradios bestehen diesen „Elchtest“ nicht.
Die Fernbedienung ist klein, hat gummierte eng beieinander liegende Tasten und enttäuscht mit geringer Reichweite. Immerhin handelt es sich um eine Transmitter-Fernbedienung, die eine eigene Tastenwiederhohlung besitzt. In Senderlisten reicht zum Lossausen ein Gedrückthalten der Taste. Das ist komfortabel.
Luxus-Weckfunktion
Auf Weck- und Schlummerfunktionen muss man nicht verzichten, im Gegenteil: Fünf Weckzeiten mit Wochentagvorgabe und ein Schlaftimer, der in 15-Minuten-Schritten bis auf drei Stunden und 15 Minuten verstellbar ist, lässt sicher kaum Wünsche offen. Die Senderdatenbank ist groß und Podcasts haben eine eigene Rubrik im Menü. Von dem für Reciva verfügbaren Dienst Aupeo fehlt beim Indio Classic noch jede Spur, aber das soll sich wohl noch ändern.
Zum Abspielen von Musik ohne DRM-Kopierschutz von der PC-Festplatte kommt die einfache Ordnerfreigabe ebenso in Frage wie ein Musikserver. Neben WMA, MP3 und Real wird auch Ogg Vorbis unterstützt.
Die Rückseite des Radios bietet kaum Anschlussmöglichkeiten: eine Ethernet-Buchse für eine feste Drahtverbindung zum Router und eine Kopfhörerbuchse - mehr wird dem Nutzer nicht zugestanden.
Wenig Macken
Gravierende Fehler haben wir nicht gefunden. Allenfalls ein leicht vernehmbares Rauschen auf den ersten Lautstärke-Stufen war auffällig. Sprachsendungen kommen in den ersten drei bis vier Lautstärke-Stufen zerhackt hindurch, klingen wie aus einem Sprechfunkgerät. Dramatisch ist das sicher nicht, denn die Lautstärke-Pegel sind so gering, dass man schon mit dem Ohr gleich am Lautsprecher-Grill kleben müsste und so hört man ja nicht Radio. Wird der Signal-Rauschabstand größer, ist der Spuk sogleich vorbei.
Im Musikplayerbetrieb fielen hin und wieder Tonunterbrechungen mit einem UPnP-Musikserver auf, weil Daten nachgepuffert werden mussten, was eigentlich nicht passieren sollte.
Zu einem eingebauten Netzteil hat es bei Avox leider nicht gereicht. Ein sehr kompaktes, externes Schaltnetzteil übernimmt die Stromversorgung. Die 5 Watt Stromverbrauch im Betrieb sind in Ordnung, während die 4,3 Watt im Stand-by schon etwas üppig ausfallen. Allerdings gibt es einen Netztrennschalter auf der Rückseite, der den Energiehunger auf 1,5 Watt Leerlaufaufnahme des Netzteils reduziert.
Fazit
Mit leichter Bedienung und guten Klangeigenschaften, ist das Avox Indio Classic ohne Frage eine Empfehlung wert. Eine harte Abkehr von traditioneller Rundfunktechnik, denn auf UKW oder DAB müssen die Kunden ganz verzichten. Dafür wurde der verloren geglaubte Klang eines Kofferradios in die digitale Neuzeit geholt.
Technische Daten
- 2.1 Kanal Klasse-D Digitalverstärker
- Audio-Frequenzbereich 50Hz – 20KHz ± 3dB
- Signal-Rauschverhältnis 93 dB
- Netzwerkverbindung WLAN 802.11b/g (Verschlüsselungen WEP, WPA, WPA2) und Ethernet 802.3
- Audioformate: WMA, Mp3, Real, Ogg Vorbis
- Musikplayer per Ordnerfreigabe oder UPnP
- Display 128 x 64 Punkt schwarzweiß
- Anschlüsse Kopfhörer
- Spannung 100-240V DC Adapter, Ausgang 12V/2A
- Abmessungen (BxHxT) 35 x 23,5 x 11 cm
- Gewicht 3,8 Kg