Seit Januar befinden sich zwei Chumby One im Dauertest der reinHÖREN-Redaktion. Die Erfahrungen zeigen viele richtungsweisende Details, aber auch eine ganze Reihe gravierender Mängel.
„Melde Dich, um der Chumby-Gemeinschaft beizutreten!“ Die Kundenansprache folgt den einschmeichelnden Beispielen von Apple und Ikea. Der Nutzer und der Hersteller sind miteinander per Du. Das hat nichts mit der englischen Sprache zu tun, sondern ist Methode. Wer einen Chumby hat, ist in, wer keinen hat, ist out. Schöner Schein der Marketingwelt, die im Internet zu neuen Höhen findet: „Gefällt mir“ votieren Facebooker und sagen der Firma „Hänschen Klein will Dein Freund sein“.
Abseits der anbiedernden Werbestrategie hatte es uns das Chumby-Konzept gleich angetan. Seit Ende 2009 kann das Chumby auch in Deutschland gekauft werden. Chumby bietet seinen Nutzern für das kleine Internetradio das, was Apple seinen iPhone-Jüngern bietet: Eine tolle Plattform für alle möglichen Widgets-Anwendungen, ähnlich den Apple-Apps.
Serienmäßig wird das kompakte Touchscreen-Radio mit wenigen Widgets und einigen fest in der Hardware hinterlegten Anwendungen ausgeliefert. Die Radio-Kernanwendung ist ein Shoutcast-Interface. Pandora und Ilove sind bei europäischen Nutzern inzwischen verschwunden, weil die Anbieter nicht aus den USA heraus streamen wollen. Drin sind hingegen noch die CBS-Podcasts und einige unbeachtliche Audioanwendungen.
Gigantische Spielwiese
Das Spiel mit dem Chumby basiert darauf, dass man sein Gerät bei Chumby registriert und aus 1400 verschiedenen Anwendungen auswählen kann. Richtig gut dabei: Die Applikationen für das Chumby kosten keinen müden Cent.
Die App- oder Widgetfunktionen werden mit dem Nutzerkonto verbunden. Die persönliche Bedienoberfläche mit allen Miniprogrammen wird beim Start geladen. Der Speicherbedarf der meisten Widgets tendiert knallhart gegen Null. Das bedeutet, es gibt keine Limits, wie viele Funktionen man einrichtet. Nur wenige Widgets beanspruchen etwas internen Speicher. Hier muss ein Programmteil per USB-Stick in den Chumby geladen und installiert werden.
Touchscreen und Bedienung sind top
Die Bedienung und Einrichtung ist dabei ein Gedicht, von dem unserer Meinung nach sich die meisten Hersteller von Touchscreen-Radios dringend eine dicke Scheibe abschneiden sollten. Es beginnt mit einem kleinen Einführungsvideo, das alle wesentlichen Fragen vorab beantwortet. Die Einrichtung an einem Hotspot funktioniert mit und ohne DHCP völlig reibungslos. Der Touchscreen ist hinreichend genau und sensibel. Die Schlüsseleingabe per Bildschirmtastatur ist einfach und angenehm. Eine deutsche Benutzerführung gibt es allerdings nicht. Chumby spricht derzeit nur Englisch.
Unter den Chumby-Widgets haben wir uns natürlich vor allem Radio-Anwendungen angesehen. Dazu gehört ein Scanner für gesprochene NOAA-Wetterinformationen, ein Polizeiscanner (den man mittlerweile wegen möglicher rechtlicher Schwierigkeiten innerhalb der EU heraus genommen hat), ein Streaming-Portal, in dem Chumby-Nutzer untereinander Radiostationen empfehlen können, aber auch ein paar ganz spannende Spezialverzeichnisse für Campusradios und ähnliche Anwendungen.
Über das Radio hinaus gibt es zahllose Uhren, Social-Games, Zeitungsfeedreader (z. B. NY Times und FAZ), Bildbetrachter, Youtube-Abspieler, die neusten US-Kinotrailer, aktuelle Wetterinformationen, Twitter und vieles mehr. Um dabei nicht den Überblick zu verlieren, werden die Anwendungen in so genannten Channels organisiert.
Chumby als Radio
Als Radio kann man ein Chumby als Einschlafhilfe und als Wecker verwenden. Die Bildschirm-Hintergrundbeleuchtung ist fast stufenlos regelbar und lässt sich voll abschalten. Über die Shoutcast-Anwendung hatten wir bereits an anderer Stelle berichtet.
Die Senderauswahl ist recht gut, wenngleich man auf die großen Anbieter quasi komplett verzichten muss. Shoutcast listet nur Sender auf, die das Shoutcast-Serversystem verwenden. BBC und ARD gehören zum Beispiel nicht dazu. Toll ist aber die Freitextsuchmöglichkeit nach Stil, Ort, Musiktitel und Genre. Dank der Bildschirmtastatur kann man so durchaus komplexe Fragen stellen. Die Suchanfrage durchsucht alle den Streams zugeordneten Tags und das gerade gespielte Musikstück.
Nüchtern betrachtet taugt das Chumby als Radio aber nur bedingt. Die Flash-Widgets können sich keinen Zwischenspeicher als Puffer auf dem Gerät zuweisen lassen. Viele Low-Budget-Stationen sind knapp mit der Kapazität und Aussetzer sind nicht gerade selten zu beobachten. Selbst Powersender bringen Aussetzer mit. Die sind dann zumeist der schlechten WLAN-Empfangsleistung des Chumby zuzuschreiben. Dessen Empfang ist einfach schwach. Bei langsamer Verbindungsgeschwindigkeit und viel Fehlerkorrekturbedarf kommt es so zu Störungen, wo die versammelte Mannschaft gewöhnlicher WLAN-Radios noch einwandfrei funktioniert.
Der Akzent auf die vielfältigen Funktionen, ließ auch die Frage des Klangs bei der Entwicklung in den Hintergrund treten. Dass der kleine Würfel nicht für Konzertfülle würde sorgen können, war völlig klar, aber der winzige (Piezo?)-Lautsprecher, den man unter dem Schallaustritt im Gehäuse entdecken kann, klingt durchaus schwindsüchtig. In der Küche kommt das Chumby nicht gegen eine lärmende Dunstabzugshaube an. Im Kopfhörerbetrieb klingt das Gerät hingegen einwandfrei.
UKW-Empfänger unbrauchbar
Einen weiteren unverzeihlichen Radio-Faux-Pas leistet sich Chumby-Industries mit dem ebenfalls verbauten analogen UKW-Empfänger. Der ist recht unempfindlich, müsste für Ortssender in RDS-Auslesequalität aber ausreichen. Soviel zur Theorie. In der Praxis lieferte Chumby Geräte nach Europa aus, die nur im 200 kHz-Raster abstimmen können (EU: 100 kHz, auf 50 kHz endende Frequenzen im Kabel). Das Radio springt an allen maßgeblichen Sendern vorbei. Wir haben Chumby Industries darauf hingewiesen. Passiert ist aber nichts. Gut möglich, dass sich die Firmware diesbezüglich gar nicht aus der Distanz ändern lässt.
Ein Chumby arbeitet mit dem Chumby-Betriebssystem, das auf Linux basiert. Als Musikserver kann Chumby mit dem Squeezeserver der Logitech-Squeezeboxen zusammenarbeiten. Auch das Auslesen von MP3-Files vom USB-Stick ist möglich. Der Funktionsumfang der MP3-Abspielsoftware ist aber höchst rudimentär. Shuffle, Start, Stopp, Pause. Das war´s. Das können inzwischen andere Widgets gottlob besser, als der fest abgelegte Player.
Als letzten Leckerbissen bietet Chumby den Akkubetrieb. Als Akku, der sich nicht im Lieferumfang befindet, wird ein Fuji-Fotoakku NP120 verwendet. Unseren Tests zufolge läuft ein Chumby damit rund 70 Minuten fern der Steckdose. Wegen des schwachen WLAN-Empfangs allerdings nicht allzu fern des WLAN-Routers. Wir haben hier schon mehrere Akkus getötet. Zwar scheint es eine Ladeelektronik zu geben, die bei geladenem Akku abschaltet, trotzdem kann man den Akku nicht im Gerät belassen, wenn man das Radio komplett abschaltet. Nach einer Woche Nichtbenutzung erkennt die Elektronik einen Ladebedarf, im Verlauf der Zeit bei jedem Einschalten. Ist der Akku 30 Mal von 98 % auf 100 % hochgeladen worden, ist selbst der beste Akku mausetot.
Fazit
Konzept, Chumby-Plattform und die Bedienung sind einfach vom Feinsten. Schwacher Klang, schwacher WLAN-Empfang und der EU-Totalausfall auf UKW machen es nicht gerade zum Traum eines jeden Web-Radiohörers. Wer aber ein ausgefallenes Radio-Webtechnik-Spielzeug sucht, wird mit dem Chumby One zum Preis von etwa 120 Euro aber bestimmt glücklich.
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Steckbrief
- Empfang von UKW (mit RDS) und Internetradio (WLAN)
- Audioformate/Musikplayer: MP3, WMA, Squeezebox-Server, kein UPnP
- Datenbank: Shoutcast
- Anschlüsse: Kopfhörer, USB, Netzteil
- WLAN-Sicherheit: WEP, WPA/WPA2
- Stromversorgung: Steckernetzteil
- Stromverbrauch:Webradio 4,4 W, Nachschaltung 3,4 W, Off 1 W
- Abmessungen (B x H x T): 115 x 98 x 77 mm
- Gewicht: 298 gr. ohne Akku
- Preis (UVP): 119,00 Euro