Etliche Monate mussten wir auf ein Testmuster der „Logitech Squeezebox Boom“ warten. Wir waren mehr als gespannt, ob es der Squeezebox - die bereits etliche Testauszeichnungen erhalten hat - gelingen würde, uns in ihren Bann zu ziehen.
Ein schickes schwarzes Radio entschlüpft der Verpackung. Kompakt, modern und funktional von der Formgebung. Die Fernbedienung ist klein und beschränkt sich wirklich nur auf die wesentlichsten Funktionen. Immerhin überzeugen die Tasten mit mechanischem Hub und seidenweicher Leichtgängigkeit. Man wird es brauchen, wie sich noch später herausstellen soll.
Die Verarbeitung ist routiniert und qualitativ hochwertig. Das Hauptabstimmrad mit Druckmöglichkeit erlaubt im Verbund mit der flinken Software ein schnelles Manövrieren durch die zahlreichen Menüs. Die Tastensymbole sind sehr dezent beleuchtet. Licht fällt keins durch die Gehäuseaussparungen, sondern es leuchten wirklich nur die Symbole. Das verstärkt den Eindruck der Hochwertigkeit.
Das grüne Fluoreszenz-Display mit automatischer Helligkeitsregulierung hat eine beinahe klassische Anmutung. Die Schriftdarstellung ist tadellos. Neben der Statuszeile besitzt das Display nur eine einsame Textzeile, dafür scrollt die Anzeige zügig und lesefreundlich.
Die Einrichtung beginnt – schlau aber selten - mit der Wahl der Bediensprache. Die kommenden Einrichtungsdialoge lassen in ihrer Klarheit nichts vermissen. Ist die Einrichtung auch eine einfache Übung, leitet einen das Menü alternativlos zur Registrierung der „Squeezebox Boom“ auf der Webseite des Squeezecenters. Ohne Anmeldung, kein Betrieb.
Navigation in fremden Gewässern
Für uns als Tester, gibt es nichts schlimmeres als Routine. Die konnte bei der „Squeezebox Boom“ aber keine Sekunde lang aufkommen. Für Logitechs „Squeezebox Boom“ blieb uns nichts anderes übrig, als sich in die endlosen Menüs zu stürzen und alles, was wir für übliche Bedienungsprozeduren gehalten haben, schnellstmöglich zu vergessen.
Die neue Welt beginnt ab Start. Die Senderliste führt den Startpunkt „Lokal“ als ersten Eintrag. Die Sender-Datenbank ermittelt den Empfängerstandort und bietet für Bonn 28 lokale Stationen zur Auswahl. Die vier Programme des Bayerischen Rundfunk sind da zwar ebenso falsch wie das Radio Trausnitz aus Niederbayern sowie RT.1 aus Nordschwaben, doch auch wenn die Umsetzung nicht perfekt ist, so ist sie doch goldrichtig.
Was dann später bei der Prüfung der Sender-Datenbanken folgte, ist ohne vergleichbares Beispiel. Es gibt kein Senderverzeichnis mehr, sondern im klassischen Sinne drei und das ist nur der Auftakt zu Anbieterkanälen, Musikbibliotheken, personalisierten Radiostreams, Podcasts und nationalen Zusammenstellungen. So verliert man sich in den Tiefen der Menüs, entdeckt an jeder Stelle Neues und zappt sich erwartungsfroh durch ein schier unerschöpfliches Audio-Universum - stundenlang, wie in Trance, bis einem die Augen zu- und die Ohren abfallen.
Jedenfalls ist die Auswahl an Verzeichnissen und Musikdiensten so umfangreich, dass wir im Anhang nur auf entsprechende weiterführende Beschreibungen verweisen können.
Anders, aber nicht immer besser
Kommen wir erst einmal zurück zur Ausgangsbasis. Die Standard-Radioliste von Radiotime verfolgt – wie bei dem Lokalbeispiel schon zu erkennen - einen anderen Ansatz, als seine Mitbewerber. Eine Länderliste in üblichem Sinne gibt es nur bedingt. Um sich mit Logitechs „Squeezebox Boom“ durch die Welt des Radios zu bewegen, sucht man nach Städten. Um die gewünschte Stadt zu finden, kann man doch Kontinente und Länder wählen. Dann aber folgen in der Auswahl stets Städte und der Rest ist unter „weitere Sender“ zu finden. Daneben gibt es zehn „sehenswerte Städte“ wie Paris, London, Tokio oder Los Angeles.
Für Deutschland bietet das Radio 23 „Städte“ an, darunter die Ballungsräume Rhein/Ruhr und Rhein-Main, man findet aber auch Bielefeld und Mannheim. Was den 23 Städteregionen nicht zugeordnet werden konnte, liegt unter „weitere Sender“ und da zählt die Liste gerade einmal fünf Programme - ganz so, als würde auf dem Lande kein Radio gemacht.
Nun kommt der berechtigte Einwand, woher man denn wissen soll, aus welcher Sender stammen, die ihr Programm ausschließlich im Internet verbreiten? „Internet-Only“, gut dazu gibt es eine geografisch ungebundene Liste, doch der Inhalt ist letztlich spärlich, denn dort werden nur die großen Ketten gelistet wie Yahoo, Soma, Digitally Imported, AllDanzRadio und Rautemusik.
Manchmal kommt man nicht hin
Im konkreten Beispiel konnten wir Swissgroove nicht finden. Die Datenbank listet den Sender in Dübendorf. Die Suchfunktion des Radios bringt im Zweifel einen Treffer, aber menügetrieben gelangt man dort einfach nicht hin.
Ein anderes Beispiel: Der Iran, in der Testzeit gerade ein Pulverfass nach der Präsidentschaftswahl. Die Listung für den Iran kennt den Staatsrundfunk sowie die Städte Teheran und Qom, der Sendestelle des Kurzwellendienstes. Acht Stationen, nur Staatsfunk. In der Sache ist das sogar korrekt, es gibt keinen Privatfunk im Iran. Andere Webradios listen aber Radiosender, deren Zielgebiet der Iran ist. Darunter jede Menge in den USA produzierter Musikprogramme wie Parsradio, Iranian Dance Party und das durchaus bekannte Radio Farda.
Die Datenbank kennt Radio Farda sehr wohl. Und zwar als Radio Free Europe/Radio Liberty Kanal 21, Radio Farda, Prag, Tschechien. Sachlich ebenfalls völlig korrekt, aber für den WLAN-Radio-Nutzer eben nicht Ziel führend.
Die Webseite von Radiotime spricht von 60.000 Einträgen inklusive Podcasts. Prüfen lässt sich das kaum, und glauben ebenso wenig.
Alternativen Live365 und Shoutcast
Wer sich bislang immer geärgert hat, mit einem Webradio stets an eine Sender-Datenbank gekettet zu sein, ohne eine Wahl zu besitzen, für den ist die „Squeezebox Boom“ von Logitech ein Muß. Aus der Packung und ohne Registrierung lädt man sich mal gerade ganz locker die Shoutcast-Senderdatenbank. Auch Fans von Live365.com, einem der ältesten und immer noch spannensten Webradiodienste, kommen voll auf ihre Kosten: Einfach mal rein-zappen!
Die Squeezebox als Formatkenner
Logitech bietet für die Squeezebox den passenden Streaming-Server zum kostenlosen Download an. Die Server-Software präsentiert sich übersichtlich. Die Prozessorlast und der immanente Arbeitsspeicherbedarf liegt voll im grünen Bereich.
Die Kehrseite der Medaille ist, dass Logitech mit dem Server seinen ganz eigenen Film fährt. Man verwendet ein eigenes Server-Protokoll. Das ist zwar Open-Source, aber nicht kompatibel zum gängigen UPnP-Standard. In der Folge wird die Squeezebox von keinem anderen Server erkannt und liest auch keine Daten von unseren sonstigen Server-Systemen Windows Media, Twonky und Mediathomb ein.
Etwas unflexibel ist man mit dieser Lösung unterwegs und das ist Schade, denn die Format-Unterstützung umfasst neben WMA und MP3 auch Ogg, FLAC, AIFF und WAV. Es laufen sogar AAC, Apple Losless, WMA Lossless, APE, MPC und Wavpack, wobei die letztgenannten über eine Transkodierung unterstützt werden.
Die Einbindung und die „Umschaltung“ zwischen Webinterface und PC-Streamingsoftware hatte auch noch einige Besonderheiten zu bieten, über die wir in einem separaten Beitrag berichten müssen.
Genau so muss es sich anhören
Spätestens beim Kapitel Klang wird klar, dass die Squeezebox ihr Geld wert ist. Das Gerät klingt verblüffend. Sauber, linear, erstaunlich detailreich auflösend. Die ausgewogene Klangabstimmung ist auf den Punkt genau ein Volltreffer. Kein anderes WLAN-Webradio klang so natürlich und war so arm an Verfärbungen. Stimmen näseln nicht, der Frequenzgang hat keine gravierenden Ausreißer, die Höhen zischen und klingeln nicht und es ist viel mehr Bassfundament vorhanden, als man bei dem kleinen Gehäusevolumen erwarten würde. Immerhin werkeln hinter den Abdeckungen Zweigwege-Systeme in einer scheinbar geschlossenen Gehäuseumgebung. Sie holen für Logitech klanglich die Kastanien aus dem Feuer.
Wir hatten schon Radios auf dem Tisch, die mehr Bass und mehr Pegel lieferten, aber keines, mit einer so homogenen Tondarstellung.
Intelligente Details
Es stecken eine Menge Ideen in der „Squeezebox Boom“. Der gut bedienbare Sleeptimer (bis 90 Minuten in 15-Minuten-Schritten) und der leicht programmierbare Wecker mit dem vollen Programm, für jeden Wochentag, wählbarer Quelle, inklusive Rückfallebene auf einen Alarmton, wenn die Netzverbindung nicht aufgebaut werden kann, gehören zum Repertoire der besseren WLAN-Radiogesellschaft.
Auf der Rückseite gibt es neben einer Ethernet-Buchse einen Line-in und einen Kopfhörer-/Subwoofer-Ausgang. Der Line-in-Pegel ist einstellbar. Der Line-out kann von Kopfhörer (stereo) auf Subwoofer-Betrieb (mono) umgeschaltet werden. Zu guter Letzt, kann die „Squeezebox Boom“ RSS-Feeds auslesen und im Stand-by-Betrieb anzeigen.
Fazit
Schnell ist klar, weshalb die „Squeezebox Boom“ förmlich auf Testsiege abonniert ist. Gute Verarbeitung, ein tadelloser Klang, überbordend viele Funktionen, von denen einige richtig Spaß machen, geben den Ausschlag.
Die ortsbezogene Herangehensweise der Datenbank ist anders, sorgt aber auch für Verrenkungen, wenn ein Wunschsender gesucht wird. Die ausschließliche Bindung an den eigenen Musikserver ist eine unliebsame Einschränkung.
Fest steht allerdings, Logitech liefert mit der „Squeezebox Boom“ ein potentes Radio für Musikliebhaber. Für den passionierten „Weltradio-Hörer“ ist das Gerät als Zweitgerät dank der zusätzlichen Verzeichnisdienste ein heißer Tipp. Die gewaltigen Menüräume der Squeezebox sind definitiv nur etwas für Kunden, die wirklich Lust haben, sich mit den Möglichkeiten zu befassen. Als leicht bedienbare UKW-Radio-Alternative taugen die Squeezeboxen weniger.
Erfahren Sie noch mehr:
Videovorführung
Die Musikdienste der Squeezebox Boom
Die Squeezebox Boom bietet zahlreiche Verzeichnis- und Musikdienste. Einige der Dienste haben wir ausprobiert. Neben kostenlosen Diensten, gibt es auch einige Services gegen Bezahlung. Was könnte hier eine Abo-Gebühr wert sein?
SqueezeboxCenter, Musikserver und mehr
Die Serversoftware der Squeezebox verfolgt ein eigensinniges Konzept. Sie erlaubt einen alternativen Zugriff ins Netz, sie weckt schlafende Rechner per LAN, stiftet aber unter Umständen auch Verwirrung. Lohnt sich Logitechs Sonderweg?
Technische Daten:
- Internetradio / Musikplayer
- WLAN 802.11 b/g, WPA / WPA-2 verschlüsselt
- Ethernet 10/100
- Senderverzeichnisse: Radiotime (standard), Shoutcast, Live365.com
- Unterstützte Audioformate: WMA (kein DRM), MP3, Ogg, FLAC, AIFF, WAV, AAC, Apple Losless, WMA Lossless, APE, MPC Wavpack; iTunes-Support (Im iTunes Store erworbene Titel, die durch Apples FairPlay Digital Rights Management (DRM)-Software geschützt sind, können allerdings nicht wiedergegeben werden.)
- Anschlüsse: RJ45, Line-In, Line-Out/Subwoofer, externes Netzteil (im Lieferumfang)
- Zwei Lautsprecher (jeweils 1,9-cm-Weichkuppel-Hochtöner und 7,6-cm-Tieftöner ), Digitalverstärker 30 Watt
- Sonstiges: VFD-Anzeige mit automatischer Helligkeitsregelung, 7-Tage Weckfunktion mit Netzausfallschutz, Sleep-Timer, RSS-Feed-Anzeige, Subwoofer-Ausgang.
- Lieferumfang: Schaltnetzteil, Fernbedienung, Quickstart-Guide
- Stromverbrauch: 7,5 Watt im Betrieb, 6,3 Watt im Stand-By (RSS-Anzeige)
- Abmessungen: B x H x T 330mm, 130 mm, 94 mm