SDR, das steht für Software Defined Receiver und beschreibt ein Radio, in dem die Signalaufbereitung und Dekodierung weitgehend einem PC überlassen wird. Eine spannende Einsteigerversion kommt von Stephan Schaa aus Oldenburg und hört auf den eigentümlichen Namen Pappradio. Wir haben die aktuelle USB-Version im Alugehäuse schon ausprobiert.
Das Projekt war ein Experiment: Stephan Schaa ist mit den christlichen Missionssender HCJB in Ecuador verbunden. Als HCJB begann, DRM-Testsendungen auszustrahlen, stellte sich das Problem, wie man möglichst preiswert als Hörer daran teilhaben kann. Stephan schickte seine erste Schaltung des Empfängers auf einer Wellpappe mit einem Luftpostbrief nach Quito. Da staunte man nicht schlecht über das kleine Pappradio.
Jetzt, einige Jahre später, präsentiert sich das Pappradio keinesfalls mehr als improvisierte Notlösung. Das, was der funkbegeisterte Kurzwellenhörer Stephan Schaa nun in ein winziges Alugehäuse verbaut, ist eine ernsthafte SDR-Lösung. Mit ihr erhält man einen PC-bedienbaren Kurzwellenempfänger, der durchgehend zwischen 0 und 30 MHz in allen Modulationsarten auf Empfang geben kann.
Theorie und Schaltungspraxis
Doch wenden wir uns erst einmal kurz und verständlich dem theoretischen und technischen Hintergrund zu. Die Idee des SDR - Anfang der 1990er Jahre von Joseph Mitola erstmals formuliert - geht idealtypisch davon aus, dass direkt unterhalb der Antenne ein Analog-Digitalwandler alle Signale einer Software anbietet. In der Praxis eine schwierige Aufgabe. Sämtliche Signale zwischen 0 und 30 MHz simultan zu einem digitalen Datenstrom zu rechnen, erfordert Rechenleistung und eine praktisch unbegrenzte Dynamik, um zwischen vielen starken Signalen auch alle Kleinen aufzunehmen.
In der Praxis gibt es zwei Herangehensweisen, die heute zum Ziel führen. Die kostengünstige Variante, der sich das Pappradio bedient, ist ein lokaler Schwingkreis an dem man die Mittenfrequenz einstellen kann. Das hochfrequente Signal von mehrere Megahertz wird von der Radiohardware auf eine 12-kHz-Zwischenfrequenz gemischt. Dieses 12-kHz-Signal liegt so niedrig, dass eine PC-Soundkarte das Signal verarbeiten kann. Den Rest der Signalverarbeitung übernimmt nun die PC-Software.
Die Breite des zeitgleich zu empfangenden Radiospektrums hängt nun von der Soundkarte ab. Brot-und-Butter-Soundkarten schaffen nur Abtastraten von 44,1 kHz (MP3-Standardwert) oder 48 kHz. Das bedeutet, oberhalb der Mittenfreqenz sieht man 24 kHz und unterhalb der Mittenfrequenz 24 kHz. Hochwertige Soundkarten schaffen bis zu 192 kHz-Abtastrate, kosten aber wenigstens das dreifache eines Pappradios.
Der fortgeschrittene und teurere Ansatz ist näher an der eigentlichen SDR-Idee dran. Hier wird die Hochfrequenz direkt digitalisiert und über einen FPGA-Baustein herunter gemischt. Mit einem FPGA können logische Schaltungen programmiert werden. Ideal für die Weiterverarbeitung der HF-Daten in Echtzeit. Im PC werden die Daten demoduliert und über den DA-Wandler der Soundkarte ausgegeben. Die populärsten Vertreter dieser fortschrittlichen Gerätegattung sind der Perseus aus Italien und das Winradio-Excalibur aus Australien. Die Preise liegen zwischen 800 und 1000 Euro. Eine Portion des Frequenzspektrums kann man direkt auf Festplatte aufnehmen. Wird es später wieder eingelesen, ist es so, als käme das Signal frisch von der Antenne.
Daten wie in der Mittelklasse
Das Pappradio bedient sich der Mittenfrequenz und dem Heruntermischen auf 12 kHz. Um Übersteuerungseffekte zu reduzieren, setzt die aktuelle Pappradioversion auf vier Bandpässe fünfter Ordnung. Ein IP dritter Ordnung von >15 dBm und eine von der Soundkarte abhängige Dynamik zwischen 80 und 125 dB sind schon keine schlechten Ausgangsvoraussetzungen.
Das Konzept aus niedriger Zwischenfrequenz und lokalem Oszillator birgt aber das Risiko starker Spiegelfrequenzen. Deshalb ist der Mischer als so genannter I/Q-Mischer ausgeführt. Es handelt sich dabei eigentlich um zwei Mischer, deren Signale genau um 90 Grad phasenverschoben sind. Verarbeitet man die Ausgangssignale I und Q über den rechten und linken Kanal der Soundkarte wird eine ganz gute Spiegelfrequenzunterdrückung erreicht. Stephan Schaa nennt für das Pappradio eine Spiegelfrequenzunterdrückung von bis zu 70 dB.
Bedienung und Praxis
Als Standard-Demodulations- und Steuersoftware wird das Programm WinRad von Alberto di Bene (I2PHD) verwendet. Wer es zum ersten Mal einsetzt, muss sich erst einmal orientieren. Dort dominieren die Wasserfall- und Signal-Spektrumanzeige. Eine Menge Schieberegler kontrollieren die Geschwindigkeit der Spektrumanzeige und die Signalempfindlichkeit. Das ist recht ungewohnt, aber nicht unpraktisch, denn auf einen Blick kann man erkennen, wo sich modulierte Signale
befinden und anhand der Einfärbung lassen sich starke von schwachen Signalen unterscheiden. Die aktuelle Empfangsfrequenz kann per Mausklick unmittelbar auf eines der gesichteten Signale gesetzt werden. Die Filterkurven zur Erhöhung der Trennschärfe lassen sich im Signalspektrum mit der Maus enger ziehen. Daneben bietet das Programm Noise Blanker (Eliminierung impulsföriger Störungen), Noise-Reduktion (Abfiltern von Hintergrundgeräuschen) sowie ein Mehrfach Notchfilter (Pfeifftonausblendung mit Kerbfilter). Die Filterkerben können per Mausklick ins Spektrum eingefügt werden. Auch eine ECSS-Demodulation mit beiden, oberen oder unteren Seitenband steht zur Verfügung. Dabei werden AM-Signale per SSB abgestimmt und das AM-Trägersignal auf Schwebungsnull gebracht.
In den ersten Versuchen über die Feiertage fungierte ein 2-Meter langer Draht, der mit einem Metallstuhlrahmen verbunden wurde als provisorische Antenne. Selbst hier zeigt sich, dass man trotz Bandfilter auf eine stetige Balance der Eingangssignale achten muss. WinRad erlaubt es, die Pappradioabschwächer bis -30 dB zu schalten. Für gescheite Signal-Rauschabstände ist dies oft erforderlich.
Immerhin fielen auf Kurzwelle viele internationale Stationen ein, so auch ein Afrikarelais der Voice of America, von dem die Frequenzliste „Sender & Frequenzen“ sagt, es sei keinesfalls so einfach zu empfangen. Auf Mittelwelle gingen in den Abendstunden gleich dutzendweise britische Lokalstationen ins Netz.
Bei DRM wird’s eng
DRM-Empfang erfordert eine spezielle Version der Dreamsoftware. Die ganze Software lag auf CD bei. Trotzdem vermutet Dream immer einen 12-kHz-Mischer, der dem DRM-Signal 12 Kilohertz hinzufügt. Beim Pappradio ist der Frequenz-Offset in Wahrheit gar nicht vorhanden, mit der eigentümlichen Folge, dass man das Pappradio etwa 10 kHz unterhalb der eigentlichen Empfangsfrequenz abstimmen soll. Die Winrad-Audioausgabe wird stummgeschaltet und auf die Dreamwiedergabe gewartet. Unsere Soundkarte hier zeigte bereits bei einer Samplingrate von 48 kHz deutlich abfallende Empfindlichkeit an den Rändern. Bei einem rund 10 kHz breiten DRM-Signal wird es so hauteng: In der Mitte liegt das Signal des Oszillators und belegt von den 48 kHz etwa 4 kHz. An den Rändern gehen rechts und links weitere 4 kHz wegen der schwachen Soundkarte verloren. Bleiben störfrei und kraftvoll genau 20 kHz rechts und links der Oszillatorfrequenz übrig, um das DRM-Signal mit knapp 10 kHz und den Frequenzoffset von 10 kHz ins Empfangsfenster einzupassen.
Hinzu kommt, dass man neben Winrad auch Dream mit Stationsdialog und Evaluation-Fenster geöffnet hat und nicht umhin kommen wird, den Empfang über die Bedienung des Abschwächers zu optimieren, was ein weiteres Programmfenster ins Rennen bringt. Da wünscht man sich schnell zwei Bildschirme.
Die Ergebnisse beim DRM-Empfang sind hingegen aller Ehren wert. Im Vergleich zu unserer bisherigen Lösung aus Roadstar-Kofferradio und externem Mischer bringt das Pappradio signifikant bessere Signal-Rauschabstände zustande.
Kuddel-Muddel in der Mischmaschine
Und doch ist nicht alles eitel Sonnenschein. Mischprodukte und Harmonische treten vehement zu Tage. Es muss einen stutzig machen, wenn auf jedem kHz der Mittelwelle (kein Bandfilter) ein anderer Sender in Erscheinung tritt. (Der Kanalabstand auf Mittelwelle ist 9 bzw. 10 kHz.) Man sollte misstrauisch sein, wenn ein Signal im sichtbaren Spektrum nicht als Welle beim Abstimmen im Spektrum in Erscheinung tritt. Beim Erhöhen der Mittenfrequenz sollte man den lokalen Oszillator oberhalb der Mittenfrequenz abstimmen, um nicht regelmäßig auf eine Signalspiegelung hereinzufallen. Unterm Strich benötigt man also einiges an Kurzwellenerfahrung, um Original und Mischprodukt leidlich sicher voneinander zu unterscheiden.
Nicht immer ist der Fall so klar, wie auf Langwelle 150 kHz, wo der WDR2 (im Original der Mittelwellenortssender Bonn Venusberg auf 774 kHz) volles Rohr aus dem Lautsprecher dröhnt und den Deutschlandfunk auf 153 kHz platt macht.
Am anderen Ende der Anwendungsmöglichkeiten ist auffällig, dass die feinen, leisen Amateurfunksignale Mühe haben, sich brauchbar aus dem Signalmüll zu schälen.
Zu diesem Eindruck passt, dass Winrad auf seinem S-Meter selten Werte unterhalb von S9 anzeigt. Kraftvolle Rundfunksender lassen selbst bei geschaltetem Abschwächer Werte jenseits der Anzeigenskala von 9+30dB erscheinen. Da verbiegt sich die virtuelle Anzeigenadel schon einmal bis unterhalb der Menütasten etwa bei 9+50, 9+60dB. Gibt es demnach etwas, das maximale Aufmerksamkeit erfordert, dann ist es die Suche nach einer geeigneten Antenne, am besten mit einem Antennenanpassglied, besser noch mit einem Preselektor und HF-seitigem Abschwächer. Nur nicht zu viel Signal ist die Devise.
Eine simple DV27 auf einem Magnetfuß machte bei unseren Antennenversuchen die beste Figur am Pappradio. Auch der Fußabdruck des Mittenfrequenzoszillators war damit merklich schmaler.
Fazit
Das Pappradio 2.0 USB ist ein hoch spannendes softwaredefiniertes Kurzwellenradio für experimentierfreudige Kenner. Es liefert bei entsprechend sensibler Handhabung gute Leistungen beim Rundfunkempfang inklusive DRM. Da der Preis mit 70 Euro Schäppchencharakter besitzt, wollen sich viele Kurzwellenenthusiasten diese Gelegenheit nicht entgehen lassen. Die Lieferzeiten sind zwar lang, doch die Geduld wird belohnt.