Das Multyradio von Technisat ist eine imposante Erscheinung. Das Datenblatt erklärt, von UKW über Lang-, Mittel-, Kurzwelle ist analog und digital alles an Bord. Digital, dass heißt DAB im Band III und im L-Band und DRM für Frequenzen unterhalb von 30 MHz. Wir haben uns den Alleskönner angesehen.
Das Radio, das da aus dem Karton klettert, ist eine recht wuchtige Apparatur. Die geschwungenen Linien, lassen an eine Designstudie denken. Abseits individueller Geschmacksfragen schindet dieses Radio garantiert Eindruck: „Was ist das denn für eine schicke Anlage”, war hier bei Bürobesuchern die einhellige Standardfrage. Sich als Radiohörer vor ein solches Radio setzen zu können, ist ein beinahe sinnliches Erlebnis: Der massive Metalldrehknopf und das Riesen-Tastenfeld sind jedenfalls mal eine willkommene Abwechslung zu den „Mini-Nöppelchen” der kompakten Konkurrenz.
Viele Funktionen, viele Frequenzen, ein Antennenanschluss
Im Allgemeinen haben Radios und Frauen wenig gemeinsam. Doch die Mahnung, man sollte bei aller Schönheit die inneren Werte nicht zu gering schätzen, lässt sich auch auf Radios anwenden.
Mit dem Multyradio kann man alle Betriebsarten Mittelwelle, UKW, DAB und DRM empfangen und sich die digitalen Betriebsarten DAB und DRM als MP2-Datei auf eine Speicherkarte schreiben lassen.
Überhaupt stecken allerhand Funktionen im Multyradio von Technisat. Besonders nett ist die automatische Aufnahme von digitalen DRM- oder DAB-Radiosendungen per Timer. Dabei stehen zwölf Aufnahme-Timer zur Verfügung. Die Timer-Aufnahme kann einmalig, täglich, einmal die Woche, an Werktagen oder am Wochenende gestartet werden. Der Wecker besitzt identische Wiederholfunktionen. Im DAB-Betrieb steht zudem eine EPG-Software zur Verfügung, die zusätzliche Programminformationen aus einem Programmensemble abrufen kann. Die EPG-Funktion konnte in Nordrhein-Westfalen leider nicht ausgetestet werden, weil kein EPG verbreitet wird.
Wichtiger ist aber die Empfangsleistung auf den vielfältigen Frequenzabschnitten zwischen 0,15 MHz (Beginn der Langwelle) und 1.492 MHz (Ende des DAB L-Bandes).
Dazu muss man erst einmal wissen, dass es nur einen Antennenanschluss gibt: Eine F-Buchse. Üblich bei DAB-Radios und schwierig für die Kurzwelle. Denn alle 50-Ohm-Kurzwellenantennen würden eher eine PL-259- oder N-Buchse erwarten.Eine Antennen mit guter Leistung auf allen Wellen kann Technisat nur schwerlich mitliefern, aber die 100 Zentimeter Drahtwurf im Lieferumfang lässt unbedarfte Kunden sicher daran zweifeln, dass der Empfangsapparat außer auf UKW und DAB überhaupt funktioniert.
Eine lange Teleskopantenne mit Einschiebemarkierungen wäre dazu vergleichsweise eine richtig tolle Wahl gewesen. Der Antennenanschluss liegt auf der Rückseite und zeigt nach unten. Wer meint, hier einfach eine Teleskopantenne mit F-Stecker anzubauen, wird sich wundern. Nicht nur die Anordnung des Anschlusses ist ungünstig, das ovale Gehäuse wird auf ein Schwarz eloxiertes Metallprofil gestellt. Damit ist die ganze Anschlussleiste mitsamt Antennenbuchse verdeckt.
Doch sprechen wir über das Innenleben des Multyradio. Es offeriert keine Überraschungen. Herzstück des Radios ist der RS-500-Chipsatz von Radioscape. Der erste funktionierende Multimorm-Chipsatz mit DRM-DAB für alle Frequenzbereiche.
Leider präsentierte der RS-500 eine eher schwache Performance bei allen anderen handelsverfügbaren DRM-Radios, zum Beispiel vom Morphy-Richards DRM-Radio und dem Himalaya DRM-2009. Ist Technisats eleganter Wellengleiter damit nun zwangsläufig „untermotorisiert“?
Auf UKW wird ein befriedigendes Signalangebot (2µV bei 26 dB S+N/N gemäß Werksangabe) ausreichend gut sortiert und getrennt. Die RDS-Auslesung erfolgt zügig und ist auch bei leicht verrauschten Signalen gerne zu Diensten.
Bei der Lang- und Mittelwelle hat Technisat seinem Multyradio eine Besonderheit mit auf den Weg gegeben: Was auf der Rückseite aussieht wie ein Batteriefach, ist eine abnehmbare Ferritantenne. Auf diese Weise kann die Richtwirkung der Antennen ausgenutzt werden, ohne das hierfür das Großradio herumgewuchtet werden muss.
Eine weitere Besonderheit offenbart das Einstellungsmenü. Dort kann von der Ferritantenne auf eine externe Antenne umgeschaltet werden. Das Risiko einer Fehlbedienung ist nicht auszuschließen, da eine Display-Anzeige dieser nicht unwesentlichen Einstellung fehlt.
Tagsüber kommen auf Lang- und Mittelwelle die wichtigsten Stationen herein. Einzig spürbar ist die Belastung der schwächeren Signale mit surrenden und brodelnden Nebengeräuschen. Es ist zu vermuten, dass diese Störgeräusche zumeist Geräte-intern erzeugt werden.
Mit den wenigen Zentimetern Draht ist auf der Kurzwelle nicht viel zu holen. Nur die ganz starken Europastationen rauschen verständlich aus den Lautsprechern.
Serienmäßiger DRM-Empfang im Garten
Die ersten Versuche mit dem Suchlauf beim Zimmerempfang, erbrachten nur DAB und UKW-Empfangsergebnisse. Der erste DRM-Empfang gelang hingegen erst auf der Terrasse.
In der Zeit 13:00 bis 14:00 Uhr UTC konnte Bayern5 aktuell (6.085 kHz) und Radio Netherlands Wereldompoep auf 5.955 kHz vom deutschen Sender Wertachtal gehört werden. In der manuellen Abstimmung gelang noch die stets präsente Stimme Russlands auf 9.750 kHz. Prag und Sofia ließen hingegen nur einmal kurz das Stationslabel aufblitzen. Zur Wiedergabe reichte es nicht. Auch MOI Kuwait wurde zwar als mögliches Signal erkannt, blieb aber ohne Empfangserfolg.
Interessanterweise war das Signal aus Prag (9.850 kHz) im analogen Modus mit dem typischen DRM-Rauschen recht gut auszumachen, zur Auswertung aber offenbar zu schwach. Mit dem Draht ist also kein nennenswerter DRM und Kurzwellenempfang möglich.
Die beste einsatzbereite Antenne mit F-Steckeranschluss war eine HB9CV für das 2-Meter-Band, die aber ebenfalls nicht für die Kurzwelle taugt. Mit Mühe haben wir provisorisch eine vertikale Q-Tec-Kurzwellenempfangsantenne auf dem Garagendach angeschlossen. Im ersten Augenblick gab es Befürchtungen, die Antenne könne defekt sein, denn von einer durchschlagenden Verbesserung konnte keine Rede sein.
Standards wie BNR Sofia und Radio Prag gingen mit der großen Antenne zwar ebenso wie der Hörgenuss von TDP Radio in parametrischem Stereo, aber DRM-Überraschungskandidaten sind das nicht gerade. Der weiteste Empfang ließ sich mit MOI Kuwait realisieren. Das klingt zwar ganz gut, doch Kenner wissen, dass das auf Robustheit getrimmte Signal aus Kuwait in Europa täglich und ohne Schwierigkeiten aus dem Äther gefischt werden kann.
Mit der großen Antenne füllten sich die Bänder auch beim analogen Kurzwellenempfang. Doch die Signaldynamik des Technisat hat Grenzen. In den Abendstunden wurde das Signalangebot in einigen Frequenzbereichen zu stark und auch die Kanaltrennung im 5-kHz-Raster bereitete Schwierigkeiten. Hier ist das Radio eher auf die breiteren DRM-Sender geeicht.
Das Multyradio ist kein gutes Kurzwellenradio. Ein gutes Kurzwellenradio wäre allerdings die Grundvoraussetzung für einen reibungslosen DRM-Empfang.
Mit einem „Gut“ kann hingegen der DAB-Empfang bewertet werden. Hier reichte der mitgelieferte Empfangsdraht aus, um einen blubberfreien Digitalempfang zu gewährleisten.
Die Bedienung ist Menü-geführt und im Wesentlichen schnell beherrschbar.
Während der große massive Metall-Abstimmknopf einen soliden Eindruck hinterlässt und zudem mit einem starken Schwungradeffekt bestückt ist, der einen schnellen Frequenzwechsel in MHz-Schritten erlaubt, sind die schicken flächigen Tasten mechanisch nicht gleichermaßen gelungen.
Der Kunststoff rückt nach innen ein und löst ohne fühlbare Rückmeldung den Kontakt aus. Das Display ist recht hübsch anzusehen, aber leider in heller Umgebung nicht gut abzulesen.
Da die winzige Signalstärkeanzeige keine zuverlässigen Rückschlüsse auf die Signallage zulässt und eine akustische Kontrolle fehlt, würde man DRM-Kanäle gerne vorab analog „vorhören“. Aber eine Betriebsartenumschaltung, die das ermöglichen würde, fehlt. Wer von DRM auf die analoge Mittelwelle umschaltet, landet wieder auf 150 kHz. Um die angezeigten Displayinformationen zu verändern, muss auch umständlich in die Menüebene Sender–Info geschaltet werden. Einige dezidierte Tasten mehr wären nicht schlecht gewesen.
Dafür lässt sich die Aufnahmefunktion einfach handhaben. Die Bediensoftware flitzt zügig durch die Einstellungen, die Bediendialoge erfolgen in Deutsch. Eines sorgte allerdings stets für Verwirrung: Auf der Senderliste beginnt der Auswahlbalken beim obersten Eintrag. Soweit, so normal. In welche Richtung würden Sie den Abstimmknopf drehen, um weiter unten liegende Einträge abzurufen? Nach rechts oder nach links? Im Uhrzeigersinn nach rechts, würden wir antworten und dieser Meinung waren bisher auch alle anderen Hersteller. Beim Multyradio muss man hingegen nach links drehen und vergalloppiert sich deshalb regelmäßig.
Der Klang entspricht der Erwartung, die durch die Größe der rechts und links fest angebrachten Lautsprecher geweckt wird. Durch die besondere Formgebung des Gehäuses ist dort weit weniger Resonanzraum vorhanden, als auf den ersten Blick angenommen wird. Bei mäßiger Lautstärke tönt das Radio noch recht angenehm, bei höheren Lautstärken im DAB-Modus fallen spitze Höhenbestandteile auf. An der Höhenbetonung können auch die Bassreflexöffnungen auf der Rückseite nichts ändern.
Ein Blick auf das Preisschild lässt Interessenten innerlich zusammen zucken. 449 Euro sind kein Pappenstiel.
Weder das Design noch die Leistungen im DRM-Bereich scheinen das klar zu rechtfertigen. Der Preis dürfte wohl eine Verbeugung vor den geringen zu erwarteten Stückzahlen des Multyradio sein. Denn selbst wenn das Multyradio dem Internetradio 1 aus dem Hause Technisat sehr ähnlich sieht, so unterscheidet sich sowohl das Tastenlayout, als auch die festen Lautsprecher vom Webradio-Modell. So gesehen - und weil die Trimmung des Radioscape-Chipsatzes auf eine ansatzweise gelungene Gesamtleistung erfahrungsgemäß Zeit kostet - dürfte dieser Beitrag zur DRM-Gerätevielfalt nicht im Handstreich zu realisieren gewesen sein.
Für wen ist das Multyradio gemacht?
Für Kurzwellenhörer ist das Multyradio nicht die richtige Wahl. Aus den Suchlaufergebnissen kann man nicht nahtlos auf Handabstimmung gehen, man erfährt auch nicht die Frequenz des Programms aus der Senderliste, aber genau das will ein Kurzwellenhörer wissen. Die Wunschliste der Kurzwellenhörer ist sicherlich noch länger: Antennenanschluss, Abschwächer, Antennenanpasskreis, Auswertung der logischen DRM-Kanäle, Anzeige des Signal-Rausch-Abstandes. Nichts von alledem hat das jedoch Multyradio zu bieten.
Für weniger auf die Technik, sondern auf Programmauswahl und Zukunftsfähigkeit ausgerichtete Radiohörer kann der Multinormansatz ein Argument sein. Der DAB-Empfänger im Technisat Multyradio sollte zudem DAB+-fähig sein. Doch DAB+-fähige Radios gibt es inzwischen von Revo und Pure für weniger als die Hälfte eines Technisat Multyradio. Und DRM-Empfangserfolge erfordern allerlei technische Antennenexperimente, um hier von einem zusätzlichen Nutzwert sprechen zu können.
Dementsprechend ist das Technisat Multyradio - trotz ambitionierter Ansätze - eher eine käufliche Technik- und Designstudie mit hohem Sammelwert, als ein massenmarktfähiger Vorreiter der digitalen Multinormradios.
Technisat Multyradio | |
Gerätetyp | Multinorm-Tischradio |
Empganfsmodis | * DRM Empfang * DAB Band III Empfang * DAB L-Band Empfang * UKW-Empfang (RDS)* AM-Empfang |
Frequenzbereiche | 150 – 289 kHz (LW), 525 – 1720 kHz (MW) bis 27.000 kHz (KW/DRM), Band III, L-Band |
Funktionen | MMC/ SD-Karten-Unterstützung * Echtzeituhr mit Stromausfallsicherung (Backup) * Datenbank mit Aufzählung der Sender in alphabetischer Reihenfolge, ungeachtet des Übertragungstyps * DAB/DRM-Sendungen können auf MMC/ SD-Karte aufgezeichnet und von MMC/SD-Karte abgespielt werden * DAB- EPG- Unterstützung * Weckfunktion * Wiedergabe von MP3 und WMA Dateien * MP2 Aufnahme und Wiedergabe von SD/MMC-Karte * DRM: Modi A, B, C, D * LCD Display blauer Hintergrund/weiße Textfarbe, 128 x 64 Pixel Bedienung * Menü Sprachen Deutsch und Englisch |
Speichermedien extern: | SD, MMC |
Maße und Gewichte | Abmessung (B x H x T) * 450 x 140 x 210 (mit Fuß) Gewicht * 2400g (ohne Netzgerät); 3500g (mit Netzgerät) |
Stromverbrauch | Betrieb DRM ca. 13 Watt, Stand-by 9,6 Watt (gemessen) |
Preisempfehlung | 449,99 Euro |
Alle Angaben ohne Gewähr. |
Mitglied seit
16 yearsNeuer Preis: 139,95
Der Direktvermarkter Teleropa http://www.teleropa.de/
hat das Multyradio nunmehr zum Spottpreis von 139.95 Euro im Angebot.
Mitglied seit
15 years 2 monthsEmpfangsverbesserung
Das mitgelieferte Netzteil beim Technisat Multyradio verursacht Störungen im Mittel- und Langwellenbereich und sollte daher beim Betrieb so weit wie möglich vom Empfänger platziert werden.
Ein zwischengeschaltetes geerdetes Netzfilter auf der Gleichstromseite brachte hier eine zusätzliche Empfangsverbesserung.