Wenn wir Ihnen nun ein analoges Kurzwellen-Kofferradio vorstellen, werden Sie uns vielleicht für verrückt halten. Das Roadstar TRA-2350P schleudert uns in die 1980er-Jahre zurück, als friedensbewegte Radiohörer dem Kalten Krieg im Äther lauschten. Doch das neue Radio ist erstaunlich preiswert und lädt zu DRM-Experimenten ein.
Mit einem Verkaufspreis unter 70 Euro steht das Roadstar TRA-2350P derzeit in vielen Schaufenstern und Verkaufsregalen. In einem mühsam in Richtung Neuzeit getrimmten Kofferradiogehäuse erinnert es an klassische Kurzwellenkofferradios der 1980er, die Hersteller wie Grundig, Sony und ITT einst im Programm hatten. Mitte der 1980er-Jahre hatte ich mir etwas Geld zusammen gespart, um einen Realistic DX-320 Kurzwellenempfänger zu kaufen. Gebraucht für 300 Mark. Ein simpler Einfachsuper mit mehr als mäßigen Empfangseigenschaften. Im Vergleich dazu ist das Roadstar TRA-2350P ein richtig gutes Kurzwellenradio. Dumm nur, dass die Jugendlichen, die eine taschengeldgerechte Lösung für den internationalen Rundfunkempfang auf Kurzwelle suchen, zwischenzeitlich ausgestorben sind.
Verblüffende Details
Doch der Handel verkauft diesen Kurzwellenkoffer offenbar ganz gut an etwas ältere Semester, bei denen ein solches Radio Erinnerungen wachruft. Dabei ist die Ausstattung des Radio beachtlich. Es empfängt neben UKW und Mittelwelle, in drei Bereichen lückenlos, die Kurzwelle von 1.711 bis 29.999 kHz. Ein großes Frequenzdisplay macht die Abstimmung zum Kinderspiel. Als Antenne dient eine lange Teleskopantenne oder eine externe Antenne die hoch- oder niederohmig ausgelegt sein darf. Ein Umschalter auf externe Antennen ist ebenso an Bord, wie ein HF-Abschwächer, der besonders starke Signale, die ansonsten zu einer Übersteuerung des Eingangsverstärkers führen könnten, bedämpft. Wer nur wenig über den Rundfunk auf Kurzwelle weiß, wird die „Q.Tune-Taste” schätzen, die zielsicher zur Startfrequenz der jeweiligen Rundfunkbänder führt. Das Radio hat ein eingebautes Netzteil, kann aber auch mit Batterien betrieben werden. Interessant hierbei: Es gibt zwei getrennte Batteriehalter für die Energiespender Größe AA und D; ein Schiebeschalter schaltet die Batteriesätze um. Akkus lassen sich im ausgeschalteten Zustand sogar im Gerät aufladen. Ungewöhnliche Ausstattungsdetails sind ohnehin die Spezialität des TRA 2350P: Dazu gehören die mit Verschlusskappe abgedeckten Line-Out-Anschlüsse, der zusätzliche 6-9-V-Gleichspannungseingang als Alternative zur Stromversorgung und - bitte festhalten - der ZF-Ausgang auf der Rückseite.
Was ist denn eine ZF?
ZF, das steht für Zwischen-Frequenz. Um das Lesern zu erklären, die sich mit dem Kurzwellenempfang nicht intensiver befasst haben, muss ich an dieser Stelle kurz ausholen. Moderne Radios mischen die jeweilige Empfangsfrequenz mit einer Zwischenfrequenz. Die Zwischenfrequenz wird im Radio selbst erzeugt, kann einfach verstärkt werden und lässt sich mit Filtern bearbeiten, die die Trennschärfe des Radios bestimmen. In den Datenblättern steht meist Doppel-Superheterodyn oder ähnliches. Das ist heute Standard und besagt, dass es zwei Überlagerungsfrequenzen gibt. Die Erste (höhere) zum Verstärken und die Zweite (niedrige) typischerweise bei 455 kHz für preiswerte Keramikfilter. Dieser Technik folgt auch das TRA-2350P. Die 455 kHz (Abwärtsmischung) stehen an einer einfachen IEC-Antennenbuchse bereit.
Serienmäßig DRM-fähig?
Durch die Bereitstellung der 455-kHz-ZF kann so relativ einfach eine PC-Auswertung von DRM-Signale erfolgen. (DRM steht für Digital Radio Mondiale - ein digitales Übertragungsverfahren für die Kurzwelle.) Um das ZF-Signal einer PC-Soundkarte zuzuführen, benötigt man noch einen weiteren Mischer, der aus den 455 kHz soundkartenverträgliche 12 kHz zubereitet. Bevor wir uns in weiteren Teilen mit Digital Radio Mondiale auseinander setzen, klären wir nun die Rahmenbedingungen dieser extrem preiswerten Empfängerbasis für DRM im analogen Betrieb.
mmerhin verfügt der TRA 2350P über eine umschaltbare Filterbandbreite. Mit dem schmalen Filter lassen sich Kurzwellenfrequenzen im 5-kHz-Abstand recht gut trennen. Mit etwas Kurzwellenerfahrung kann man die Filterbandbreite fast schon hören, denn das Audiosignal wird bei schmalen Filter dumpfer. SSB-Empfang – eine Modulationsart für Funkamateure und Funkdienste (z. B. Morse-Signale) - bietet das Radio nicht. Immerhin lässt sich das Radio auf 1-kHz genau abstimmen. Die Frequenzabstimmung überrascht positiv: Das große Abstimmrad läuft samtig und ist mit einer Friktionsdämpfung versehen; dreht also nicht superleicht und nervös, sondern gleichmäßig mit leichtem Kraftaufwand an der Fingermulde. Da kommen durchaus Assoziationen zu teuren Stationsempfängern auf.
Empfangsleistung oberhalb der Preisklasse
Die Empfangseigenschaften übertreffen die Erwartungshaltung angesichts des günstigen Preises deutlich. Die Empfindlichkeit und Trennschärfe ist befriedigend. Außenantennen führen ohne Anpassung freilich schnell an die Grenzen der Übersteuerungsfestigkeit. Die großen internationalen Auslandsdienste kommen in guter Hörqualität durch. Im Tropenband, bei kleinen, weit entfernten und zwischen sonstigen Funksignalen eingezwängten Stationen, lassen sich immerhin regelmäßige Gäste aus Afrika und Asien einfangen. So ist der Empfang von Radio Burkina aus Ouagadougou schon eher eine leichte Übung. Verblüffend gut geht das Roadstar auch weiter oben auf der Kurzwellenfrequenzleiter, zum Beispiel im 19-Meter-Band, wo sich auf 15.205 kHz die Voice of America von Senderstandort der Phillippinen zu Wort meldet, oder die Stimme Koreas auf 15.245 kHz. Weiter geht der Wellenspaziergang mit einem schwachen Signal Radio Netherlands, das sich von den Niederländischen Antillen nach Europa durchgeschlagen hat. Nächster Stopp am Abstimmrad: 15.345 kHz RAE Buenos Aires in brauchbarer Qualität. Von dort geht es wieder auf eine Inselgruppe, die zu den USA gehört, nämlich den Marianen. Auf 15.580 kHz mit einem Signal hart an der Grenze, ständig wieder im Geräuschteppich unterzugehen, ein US-amerikanisch moderiertes Musikprogramm - vermutlich nicht KFBS Saipan, sondern ein Programm des International Broadcasting Bureau.
Der Mittelwellenempfang mit dem Roadstar überraschte uns in der Nacht mit einem knackigen Signalangebot. Mit einer Antennenkeule Richtung Spanien reihten sich die vermeintlich schwachen regionalen SER und COPE-Mittelwellenstationen wie Perlen an der Seidenschnur auf. Radio 1476 aus Wien-Bisamberg stellt sich in Ortssenderqualität vor.
Das sollte einen aber nicht auf den Gedanken bringen, das Roadstar TRA-2350P sei eine Wundermaschine, die weit teureren Weltempfängern ernsthaft Paroli bietet. Die Kirche bleibt schon noch im Dorf.
Geisterstationen und Sägewerke
Zwischen 8.200 und 8.300 kHz waren reichlich Geisterstationen zu entdecken, die darauf hinweisen, dass die Spiegelfrequenzunterdrückung schwach ist (40 db, Werksangabe). Etwas Erfahrung scheint ratsam, damit man nicht auf jede Signal-Fata-Morgana herein fällt. Im 90-Meter-Band herrscht auch beim Tester Verwirrung, weil zwischen Mischprodukten und echten Signalen kaum zu unterscheiden war. Selbst ganz oben im 11-Meter-Band fummelten sich trotz Sonnenfleckenminimum US-Stationen als Harmonische in den Lautsprecher. Klare Sache, das ist schlecht.
Bei stark modulierten Programmen sind leichte Brummeinkopplungen vom Netzteil zu hören. Die stören eigentlich nicht weiter. Abstimm- und Prozessorgeräusche nerven aber bisweilen gehörig. Dabei hängt es stark von Bandabschnitt ab, mit welchem Pegel solche Störungen in Erscheinung treten. Bei dem Signal von den Marianen auf 15.580 kHz, mit seinem starken und tiefen Signalfading, brachte die AGC beim Ausregeln jede Menge interne Störgeräusche mit. Ein ähnliches Bild tagsüber auf der Mittelwelle auf weitgehend leeren Frequenzen. Die sägenden Prozessorsignale koppeln sich über die Ferritantenne im Gehäuse besonders gut ein. Bei der Abschirmung interner Störquellen hat man sich also keine Mühe gegeben.
Das Roadstar TRA-2350P ist gewiss keine DX-Maschine, konkurriert in seiner Leistung aber durchaus mit um einiges teureren Reiseradios, die zwar dank Zifferneingabe der Frequenzen und Speicherplätzen mehr Bedienkomfort, aber nicht prinzipiell bessere Empfangsleistungen bieten können.
UKW kann das Roadstar ebenfalls. Die Empfindlichkeit ist nicht sensationell, aber die Trennschärfe tendiert in Richtung gut. RDS gibt es nicht. Auch auf UKW sind störende, klingelnde Abstimmgeräusche zu beanstanden. Der Klang ist leider enttäuschend: alle stark modulierten Programme sorgen für eine scheppernde, übersteuerte Wiedergabe.
Fazit
Wer zu Hause das Abenteuer Kurzwellenrundfunk mal ausprobieren möchte, ist mit dem Roadstar TRA-2350P zum Preis von knapp 70 Euro gut bedient. So viel Empfang für so wenig Geld gab es wohl noch nie. Und das nächste Mal, experimentieren wir mit dem softwaregestützten DRM-Empfang in Verbindung mit diesem Kofferradio. Stay tuned.
Steckbrief Roadstar TRA-2350P
Empfangsbereiche: UKW, MW und KW
Wichtige Ausstattungsmerkmale: schaltbare Filterbandbreiten, Abschwächer, ext. Antennenanschluss, 455 kHz-ZF-Ausgang, Battriebetrieb, Akkuladefunktion, Kopfhörer und Line-Out, Uhr für Lokalzeit und UTC, eingebautes Netzteil.
Preis: Im Handel etwa 70 Euro