Die Diskussionen um einen Umstieg von UKW zum Digitalradio DAB+ hat einen neuen Höhenpunkt erreicht. Würde man in den kommenden 48 Monaten eine Entscheidung für einen UKW-Abschalttermin fällen, wäre ein Auslaufen der UKW-Verbreitung bis Ende 2025 möglich, so die Befürworter. Verordnungspolitischer Unfug, schimpfen die DAB-Skeptiker. Die deutsche Radiowelt ist tief gespalten und ein Vermittler, der das Format hätte, beide Lager zusammenzuführen ist nicht in Sicht.
Rund 145 Millionen Radios sind in den 40 Millionen Haushalten der Republik in Betrieb. Da nehmen sich die 5 Millionen DAB+-Radios recht bescheiden aus. Andererseits sind das binnen drei Jahren zehn Mal mehr Digitalradios, als „DAB alt“ nach zehn Jahren auf sich vereinigen konnte. Ohne eine klare Linie, die UKW zum Auslaufmodell erklärt, wird der Analogfunk aber wohl noch bruzzelig die Küche beschallen, wenn der Mars durch den Menschen besiedelt wurde.
DAB/DAB+ einfach überspringen
Programmverantwortliche, die mit dem UKW-Empfang gute Reichweite und gutes Geschäft machen, kann das nur recht sein. In 20 Jahren ist selbst das mobile Internet in der Lage allerorten Radio abzubilden. In der jüngeren technischen Geschichte gibt es ja durchaus Beispiele, in denen eine ganze Technologiegeneration einfach übersprungen wurde. In Afrika hat man die drahtgebundene Telefonnetze und damit eigentlich die ganze PC-Zeit zugunsten der Mobilfunknetze und Smartphones übersprungen (forbes.com). So könnte es bei uns dem Digitalradio DAB+ ergehen. Österreich hat seinen DAB+ Test abgesagt und legt es genau darauf an, das Thema DAB zu überspringen, weil man schon heute sehr stark ausgebaute Mobilfunknetze hat.
Erstaunlicherweise gehen alle Experten jedoch davon aus, dass Radio in Zukunft weit stärker als heute schon, ein Multiplattformgeschäft sein wird. Auch der Antennenempfang bleibt demzufolge von Bedeutung. So eine Aussage darf man gefahrlos bei den Medientagen platzieren, um in nickende Gesichter schauen zu können. Trotzdem hat in der DAB-UKW-Frage jeder eine absolute Position. Niemand lenkt die Diskussion weg vom Channeldenken: Mein UKW, dein DAB, unser Internet. Aber genau hier liegt der Schlüssel zur Lösung.
Im Multiplattformgeschäft muss die Antenne billiger werden
Bei der Frage um eine UKW-Abschaltung zugunsten von DAB+ geht es im Kern um die Frage, ob es in Zukunft den Kanal zur Distribution des klassischen Rundfunks überhaupt noch geben muss. Jede Verbreitungsplattform muss sich das Radio etwas kosten lassen. Kein einzelner Verbreitungskanal wird in Zukunft je wieder so stark sein wie UKW heute. Wenn man den Antennenempfang erhalten will, wird man sich nicht zwei Systeme nebeneinander leisten wollen. Sich mit DAB+ für die kostengünstigere und leistungsfähigere terrestrische Verbreitungslösung zu entscheiden, muss deshalb längst kein strategischer Fehlgriff sein. Das gilt umso mehr, je stärker das Internet als Verbreitungsweg künftig an Bedeutung gewinnt.
Dass der VPRT, der zahlreiche Privatradios vertritt, die Diskussion um einen UKW-Abschalttermin weiterhin zurückweist, obwohl man vor einem Jahr erklärte, dass ab einer Haushaltsdurchdringung von 6 Millionen DAB+-Empfängern das Digitalradio als marktrelevanter Vertriebsweg gelten darf, muss nicht weiter verwundern. Man hat sich ausgerechnet, dass UKW noch lange genug Geld verdient, bis eine mobile und stationäre Radiovollversorgung via Internet erreicht werden kann.
Für die besten Hits reicht UKW allemal
Die Märkte und Hörgewohnheiten ändern sich in rasantem Tempo. Wer das Radio über IP-Netze wirklich pushen will – und DAB+ eine Absage erteilt – sollte zur Kenntnis nehmen, dass Deezer, Soundcloud und Spotify genau jene Produkte bieten, die man selbst hätte entwickeln müssen. Leider aber war mit der eigenen Radio-App die Innovationskraft schon erschöpft. Es wäre längst an der Zeit gewesen, die Stärken des klassischen Radios zu betonen. Das Wort, die Lotsenfunktion, das Lean-Back und die Überraschung. Für das Formatradio der besten Hits und dümmsten Kicks braucht man bis 2025 in Wahrheit weder den Mobilfunk noch DAB+. UKW dudelt im AC-Format mit und ohne Digitalradio auf sein Altenteil zu.
Empfang von DLF- und Dradio bleibt lückenhaft
Es ist der Deutschlandfunk und das Deutschlandradio, die derzeit am stärksten unter dieser Hängepartie leiden. Einen bundesweiten UKW-Empfang der beiden nationalen Radioprogramme wird es nicht geben. Einen flächendeckenden DAB+-Empfang gibt es heute ebenso wenig. Für die Digitalradio-Vorrangpolitik muss man im Gegenzug die Lang- und Mittelwellensender schneller einsparen, als die Empfangslücken digital geschlossen werden könnten.