Der Verband Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT) hat die Arbeitsgruppe Kommunikationsforschung München mit einer Analyse des Hörfunks in Deutschland beauftragt. Die Analyse ist in Buchform unter dem Titel „Hörfunk in Deutschland“ beim Vistas-Verlag erschienen und attackiert auf fast 300 Seiten vor allem die ARD.
In der Pressemitteilung hieß es, der VPRT habe das wissenschaftlich unabhängige Institut AKM (Arbeitsgruppe Kommunikationsforschung München) damit beauftragt, die Vorgängerstudie „Hörfunk in Deutschland“ aus dem Jahre 1999 komplett zu überarbeiten. Eine umfangreiche Bestandsaufnahme der Wettbewerbssituation zwischen dem öffentlich-rechtlichen und dem privaten Hörfunk in Deutschland sollte es werden.
Tatsächlich bietet diese gut gegliederte Ausarbeitung ein Universum relevanter Informationen aus einer Vielzahl seriös einzustufender Quellen. Doch wenn man der Idee folgt und diese Arbeit zur Grundlage einer deutschen Hörfunkpolitik machen würde, die Weichen stellt, um das Radio in das digitale Zeitalter zu überführen, könnte vom ARD-Hörfunk nichts mehr übrig bleiben. Nein, die Forderung, die ARD möge ihre Funkhäuser schließen und die Bürger aus der GEZ-Gebührenfalle entlassen, stellt diese Arbeit nicht auf, aber die Menge scharfer Munition, mit der auf die ARD und den Sendernetzbetreiber T-Systems gefeuert wird, lässt beim Leser keine Überlebenshoffnung mehr aufkeimen.
Die Lufthoheit der ARD
Doch ganz im Ernst, die privaten Radios müssen sich völlig zu Recht darüber beschweren, dass ihnen auf UKW nur Reste an Senderstandorten und Sendeleistungen angeboten werden. Zahlen stützen diese Behauptung eindrucksvoll. 201 private Radioprogramme senden in der Summe mit einer Leistung von 6.671 Kilowatt. Den Öffentlich-Rechtlichen stehen hingegen für 56 Programme satte 21.110 Kilowatt zur Verfügung. Von einer Gleichberechtigung kann also keine Rede sein. Auch Versprechungen der Rundfunkstaatsverträge ab 1992, die gerügten ARD-Mehrfach- und Doppelversorgung abzubauen, um zusätzliche Übertragungsmöglichkeiten für private Veranstalter zu gewinnen, wurden gebrochen. Vierzehn Jahre später, kann man nur den Ländern Berlin und Brandenburg bescheinigen, dieser Forderung nachgekommen zu sein.
DAB ohne Relevanz
Nun will man zum jetzigen Zeitpunkt sicher keine volle Reorganisation analoger UKW-Frequenzen mehr in Augenschein nehmen. Da sind die Ausblicke zum Übergang zum Digital Radio schon interessanter. DAB, das älteste terrestrische digitale Hörfunkverfahren und derzeit das einzig rechtlich zugewiesene und regulierte System, trägt in diesem Buch immer die rote Laterne des unbeliebten Abteils am Zugende.
Fast jeder Mensch über 14 Jahre hat in Deutschland ein UKW-Radio. Das sind knapp 64 Millionen. In Wahrheit hat man aber zumeist mehrere Radios. Das Bundeswirtschaftministerium schätzt die Anzahl der Radios in den Deutschlands Haushalten auf 250 bis 300 Millionen. Bei DAB schwanken derartige Schätzungen zwischen 80.000 und 350.000 Apparaten.
Die Privaten wollen für den DAB-Flopp in Deutschland übrigens nicht verantwortlich sein. Statt dessen rechnet man der ARD die Verwendung der DAB-Investitionsmittel vor, die nicht ausgeschöpft wurden und deren Verwendung selbst der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nicht vollständig einleuchtend erschien. Während in der ARD die Technik- und Programmhilfe für DAB versickerte, wurden die Privaten mit einem Sendekostenzuschuss abgespeist und sollten in einer Technik senden, für die naturgemäß noch gar keine Hörerschaft vorhanden war.
Das Bild von der Rolle der privaten Hörfunkanbieter in der Digitalisierung ihres Mediums bleibt im Ausblick leider diffus. Man versteckt sich lieber hinter der Besorgnis, die ARD könne ihre Frequenzhegemonie auf alles digitale Ausbreiten wollen und fordert die Politik auf, klare ordnungspolitische Rahmenbedingungen zu schaffen.
Neben der ARD gibt nur noch die T-Systems Media & Broadcast eine ähnlich prominente Zielscheibe ab. Aus einem staatlichen Monopol heraus geboren, sind die Sendernetze für UKW und DAB fest in der Hand von T-Systems und der ARD. Radio machen sei ohne Wettbewerb der Sendenetzbetreiber jedoch teurer als nötig. So fordern die Privatradios eine Privatisierung der ARD-Sendernetze und einen Standortzugang zu den Funktürmen für private Senderbetreiber.
Die Privaten machen gutes Programm
Mag sein, dass man den Machern der Studie nicht ständig hineingeredet hat, aber gut abgesprochen wirken die Inhalte knapp 300 Seiten allemal. Da werden Experten zu einer Stellungnahme gebeten, welche Programmformate zukunftsweisend sind und welche Formate auf einem bundesweiten Programmplatz Aussicht auf wirtschaftlichen Erfolg hätten. Auch wenn Jazz-, Klassik- und Comedy-Formate hier punkten könnten, versandet die Befragung im Tenor, dass alles gut und richtig ist, wie es heute gemacht wird. Selbst unter dem Eindruck massiv sinkender Nutzungszeiten (Privatradio bundesweit im Jahr 2000 232 Minuten zu 199 Minuten in 2006 pro Tag), bleibt jede Kritik an der faden Hitsoße tabu. Im Gegenteil: Bayern3 hat nur 16,4 % Wortanteil, während die Antenne Bayern auf 25 % Wortanteil kommt. Das öffentlich-rechtliche Vorzeige-Jugendprogramm DasDing kommt auf nur 12,8 % Wortanteil, BigFM leistet sich 16 % Wortanteil. Nur in einem Satz relativieren die Macher der Studie ihr eigenes Zahlenmaterial zum Thema Wortanteile, weil das starre Musik-Wort-Raster noch keine Analyse des Programminhalts erlaubt.
Fazit
Obwohl sich das Buch in fast ermüdender Litanei vor allem der ARD als Wurzel allen Radio-Übels annimmt, sorgt die Fülle der Zahlen, Daten und Fakten garantiert dafür, dass die mit 25 Euro kostengünstige Analyse keinen Staub im Regal ansetzen wird. Für Fachleute, die zahlreiche Angaben in kompakter Form suchen ist „Hörfunk in Deutschland“ also ein Muss. Für ARD-kritische Gebührenzahler gibt es endlos Munition für lange Stammtischrunden und für geneigte Radiohörer den nicht so neuen Eindruck, dass der Kampf um Marktanteile und Verbreitungsflächen scheinbar auch im Digitalzeitalter ohne inhaltliche Anstrengungen geführt werden soll.
Bibliografische Angaben
Böckelmann, Frank: „Hörfunk in Deutschland“ - Rahmenbedingungen und Wettbewerbssituation. Bestandsaufnahme 2006/Frank Böckelmann; Hrsg. Verband Privater Rundfunk u. Telemedien e. V.;Red. Walther A. Mahle;Gerd Macher. - 1. Aufl.. - Berlin: Vistas, 2006.