Kommerzielles Radio gibt es für Alaska nur in Anchorage und Fairbanks. Anderswo werden ein paar Stunden selbst produziert und ansonsten die Programme des National Public Radio übernommen. Ein Heimspiel für das öffentlich-rechtliche Radio in den Vereinigten Staaten.
In North Pole wohnt der Weihnachtsmann
In der langen Dunkelheit der eisigen Polarnächte wärmt das Radio in Alaska auch mit Trost und Zuversicht der Stimme des Herrn. Die Kirche kümmert sich besonders um die Schafe auf jenen kalten Weiden, fern der eigentlichen Herden. Und die Schäfchen lauschen der himmlischen Botschaft, vielleicht auch dank fehlender Programmauswahl.
KJNP „King Jesus North Pole“ sendet aus North Pole, einem Ort - längst nicht am Nordpol - sondern vielmehr in der Nähe von Fairbanks und damit in Zentralalaska.
Der Legende nach ist der Weihnachtsmann dort zu Hause. Eigentlich hat man Konkurrenz von den Sendern aus Fairbanks, aber das Konzept scheint zu funktionieren, weil man seine Sendezeiten nicht an die zahllosen US-Radiomissionen verhökert, sondern vor allem mit christlichen Country- und Western-Songs auf sich aufmerksam macht.
Und auch das gibt es in den Radioprogrammen Alaskas: Die Sender übermitteln Nachrichten an Menschen, die kein Telefon besitzen. Glaubt man den ausführlichen Stationsportraits bei radiojournal.de begann die Geschichte des Senders KJNP und seinem Gründer Don Nelson so:
Don war eine Art missionierender Pilot. Wegen zu eisiger Temperaturen konnte er Weihnachten 1956 nicht fliegen und seine versprochenen Termine nicht einhalten. Er sang jedem Dorf, das er nun nicht besuchen konnte, ein kleines Ständchen im Radio und landete damit einen Überraschungserfolg. Fortan hatte Don Nelson eine eigene Radiosendung, die „Far North Gospel Song and Hymn Time“.
Don Nelson verstarb 1997, aber aus KJNP ist ein kleines Medienunternehmen geworden. Mittelwelle, UKW-Sender - unter anderem sogar eine Frequenz ganz oben in Barrow - und ein TV-Programm. Auf der Internetseite erfährt man Erstaunliches: Im Sommer 2008 wollte man die Digitalisierung von Mittelwelle und UKW vorantreiben, doch keine Sorge, es geht weder um DAB noch um DRM, sondern um eine digitale Programmablaufsteuerung.
Dennoch soll man nun nicht annehmen, in Alaska wäre nichts als finstere Radioprovinz. Nur ein paar Kilometer von North Pole entfernt, wird in Fairbanks die Schlacht um die Quote geschlagen: Schrille himbeerfarbene Webseiten, Aktionen wie die „Golden Retriever Rettungsaktion“, „Stress mit der Ex-Ratgeber“ und Ratespielchen um Promi-Tratsch; bei KAKQ hat uns die Radiozivilisation wieder eingeholt. Einen Webstream hat man zwar, aber der steht aus lizenzrechtlichen Gründen ausschließlich US-Bewohnern zur Verfügung. Menschen mit IP-Adressen, wie meine augenblickliche 217.232.0.86 sind unzulässig, es sei denn ich gehörte den US-Streitkräften an.
Radio zwischen Rührkuchen und Bärenvergrämung
Die Mehrheit der online empfangbaren Radiostationen aus Alaska bedient auf wunderbare Weise die verbreiteten Klischees. Auf KFMJ mit dem Claim „Good-Time Radio“ spielt man neben Country-Music auch selbst gemachte Hörspiele. „Schlipp-schlapp - schlipp-schlapp. Hallo Jack, was machst Du hier? Was? Das könnte ich Dich fragen ...“ Das Hörspiel als Format für lange Winterabende - ein echter Fernseh-Ersatz in Alaska. Es klingt fast so, als seien die Stimmen vielen Hörern bekannt: Der Besitzer vom Werkzeugladen, die Frau vom Lebensmittelhändler; so macht Hören doppelt Spaß. In Ketchikan, einer 7.000 Einwohnerstadt der Westküste, kann man sich so etwas gerade noch vorstellen.
Auf der Missionsstation für Alaska und den fernöstlichen Teil Russlands, KICY AM 850 in Nome (3.500 Seelen), kann man alte Country-Sounds in 24 Kilobit hören, was immerhin recht authentisch klingt.
Aus Alaskas Hauptstadt Juneau hat KTOO bei unserem Streifzug gerade Sendepause. Es läuft eine Endlosschleife: „KTOO - Sie spenden, wir senden!“ Das erinnert alles ein wenig an Garrison Keillors verschrobene Radio Show „A Home Prairie Companion“, die nebenbei bemerkt auch auf vielen Alaska-Wellen seinen festen Sendeplatz hat.
„So viel Sünde muss erlaubt sein: Barneys hat wieder einen Vorrat dieses lecker-saftigen Schokoladen-Rührkuchens von Herman & Sands in Angebot. Lange saftig, Vakuum-verpackt.“ So ähnlich klingt die Radiosatire von Garrison Keillor. Und nun die Radio-Realität auf KSRM: „Köder in Tüten dicht verpacken, keine Fischabfälle in der Garage lagern. Helfen Sie, unsere Orte Bären-frei zu halten. Eine Infokampagne des Alaska-Radioverbands.“
Selbst die Werbung gibt einen Einblick in gesellschaftlichen Probleme. Das nachfolgende Werbebeispiel dürfte aber wegen der Kürze der Grillsaison in Alaska nicht viele Neukunden gewinnen: „Ich will Hamburger und ich will sie von meinem eigenen Grill! Aber muss ich deshalb auf reine Haut verzichten? Nein, mit unserer dermatologisch getesteten Hautreinigungsserie sparen Sie sich viele 100 Dollar an Arztrechnungen und haben eine reine Haut.“
Dass die Uhren in Alaska anders gehen als in den Glitzermetropolen ist keine Überraschung. Dass man so etwas in Hand-gefahrenen Radiosendungen auch wirklich heraushören kann, ist für UKW-Radiohörer aus dem Format-Radiozonen ein ungewohntes Erlebnis. In Alaska leistet Radio Gesellschaft und stiftet Gemeinschaft. Wer es nicht glaubt, möge Alaska in seinem Internetradio mal eine Chance geben.