Nach der Streichung der angemeldeten Fördermittel für den Digital Radio-Ausbau im DABplus-Standard, herrscht Ratlosigkeit bei Radiomachern und nach außen Sprachlosigkeit bei der Politik. Es fehlen der ARD und dem Deutschlandradio, in den Jahren 2009 bis 2012 insgesamt 165,9 Millionen Euro, um das neue Digital Radio effektiv in jeden Haushalt zu bringen. Wird Deutschland die Hörfunkdigitalisierung somit auch weiterhin verschlafen?
Der nationale Hörfunk, er umfasst die Programme Deutschlandfunk und Deutschlandradio Kultur, hat ganz auf den DAB-Zug gesetzt. Für die beiden Programme bot sich damit endlich eine Chance, überall dort empfangbar zu sein, wo es schlicht zu wenig UKW-Frequenzen gibt. Die KEF-Gebührenempfehlung [1] muss dem Intendanten des nationalen Hörfunks, Ernst Elitz, wie eine Ohrfeige vorkommen: „Es reicht nicht, um die Programme des Deutschlandradios auch allen Hörern, die Rundfunkgebühren zahlen, zugänglich zu machen”, erklärt er fühlbar enttäuscht in einem Interview mit dem Rheinischen Merkur [2] und fügt hinzu: „Mit Blick auf den uns immer von der Politik empfohlenen Umstieg auf DAB haben wir aber darauf verzichtet, mit den ARD-Freunden den Konflikt zu suchen.” Gemeint ist eine offensivere Haltung, um für seine Programme UKW-Frequenzen gegen den Widerstand der ARD-Anstalten zu erstreiten.
Die Existenzfrage einer Mediengattung
Für die ARD und die Privaten gilt es in den kommenden Jahren, die Potenziale zu nutzen, die sich aus den bei der Wellenkonferenz ergatterten digitalen Frequenzen für den Hörfunk ergeben.
DAB+ ist nicht - wie manche Privatradiovertreter unverdrossen erklären - die zweite Chance zur Digitalisierung des Radios, DAB+ ist vielmehr des Radios letzte Möglichkeit, seine Eigenständigkeit als Mediengattung zu bewahren. Wird das Frequenzspektrum der Wellenkonferenz Genf 2006 nicht mit Leben gefüllt, steht DVB-H zur Übernahme bereit und wird sich das Radio als schnöden Content-Lieferanten einverleiben, um es als Nur-Ton-Angebot in zweiter Reihe, ohne schöne Bebilderung, einen unbeachteten Tod sterben zu lassen.
Auch die Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten (ALM) sieht das Radio grundsätzlich in eine solche Falle hinein laufen. In ihrem erst im November 2007 verabschiedeten Grundsatzpapier „Leitlinien für eine zukünftige Gestaltung des terrestrischen Hörfunks in Deutschland” [3] heißt es: „Mit der Digitalisierung der terrestrischen Übertragungswege geht eine doppelte Gefährdungssituation für den Hörfunk einher: Dieser muss sich sowohl in der audiovisuellen Konkurrenz zum Fernsehen als auch im Wettbewerb zwischen Rundfunk insgesamt und Mobilfunk über die Frage, welche Angebote über welche Übertragungskapazitäten gesendet werden, bewahren und bewähren können”, analysieren die Medienwächter und verschreiben dem Hörfunk vorrangig ein eigenes Digitalübertragungsverfahren, um alten und neuen Hörfunkanbietern die Chance zu geben, „sich vorrangig gegenüber TV-, Internet- und Mobilfunkunternehmen mit Nutzen für die Meinungsvielfalt wie für die Volkswirtschaft weiter zu entwickeln.”
Es geht um 2 Cent
Kann sich der digitale Hörfunk in Deutschland ohne diese 165,9 Millionen Euro Fördermittel nicht entwickeln? Wird nun der von Öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunkmachern angekündigte Big-Bang wirklich zum kaum hörbaren Flüstern?
Fakt ist, ARD und Deutschlandradio erhalten zusammen ein Vier-Jahres-Budget von über 2,5 Milliarden Euro. Die verlorene DAB-Förderung entspricht rund 1,5 % des Gesamtbudgets. Mit der DAB-Projektförderung hätte der Gebührenzahler etwa 2 Cent mehr Rundfunkgebühr verkraften müssen. Wirklich viel ist das nicht. Nicht für die ARD und nicht für den Gebührenzahler.
So geht die ARD nicht in eine öffentliche geführte Offensive gegen die KEF-Empfehlung, sondern unterstreicht ihr Bekenntnis, zusammen mit den Privatradios an einem Neustart von DAB arbeiten zu wollen. Die einzig richtige Strategie, denn die ARD und ihre Anstalten sind nicht unbedingt für besondere Mitteleffizienz bekannt und das Klagelied eines darbenden öffentlich-rechtlichen Rundfunks würde umgehend zum medialen Bumerang.
Die Spendierhosen runter lassen
Ansonsten geht man auch nicht gerade zimperlich mit den Gebührengeldern um und keinen stört es. So kosten die Übertragungsrechte für die Fußball-EM 2008 etwas über 100 Millionen Euro. Überhaupt schlugen Sportübertragungsrechte in vier Jahren mit rund einer Milliarde Euro so derbe ins Kontor, dass man über die Grenzen der Vertretbarkeit diskutieren sollte. Bei den einzelnen ARD-Anstalten gerät vor allem der MDR regelmäßig in die Schlagzeilen: Mal wegen riskanter Anlagegeschäfte, mal wegen Dauerverlusten bei der Liegenschaftsbewirtschaftung der Leipziger Mediacity oder aktuell wegen auffällig steigender Personalkosten.
Zu den Personalkosten der ARD gehört natürlich auch die Bildschirmprominenz. Nachdem man Günther Jauch für 9 Millionen Jahresgage nicht zur Christiansen-Nachfolge überreden konnte, lässt sich ausrechnen, in welcher finanziellen Gewichtsklasse sich allein die wenigen Sendeminuten mit Harald Schmidt und Thomas Gottschalk bewegen dürften. Auch wenn der Begriff Grundversorgung sich nicht in der Einschaltquote oder MA-Reichweite bemisst, erliegen die ARD-Programmstrategen regelmäßig diesem gemeinen Irrtum.
Dass es der ARD nicht möglich sein soll, rund 40 Millionen Euro pro Jahr einzusparen, um dem Radio eine Zukunft zu geben, erscheint jedenfalls nicht nachvollziehbar.
Marketingsperre
Allerdings gibt es hinsichtlich der erforderlichen Werbemaßnahmen zur Bekanntmachung von Programmen und Möglichkeiten im Digitalradio, eine Selbstbindungserklärung der ARD, den Marketingaufwand auf 1,0 % des bereinigten Gesamtaufwandes zu begrenzen. Diese Budgets wurden schon voll ausgeschöpft. Beim Deutschlandradio liegt die Selbstbindung beim Marketing bei 1,5 % des Gesamtaufwandes, doch das Deutschlandradio lag 2007 bereits bei geschätzten 2,9 % und damit haushoch über dem ab 2009 geltenden Budgetlimit. [4]
Beim Relaunch des digitalen Hörfunks wird man sich daher in weiten Teilen auf die eigene Sendungskraft beschränken müssen. Plakataktionen wie bei der BBC wird es demnach in Deutschland nicht, oder nur in homöopathischer Dosierung geben.
Deutschlandradio: Kostendiät oder Magersucht?
Für den nationalen Hörfunk mit seinen Programmen Deutschlandradio Kultur und Deutschlandfunk sieht die Lage ohnehin schwieriger aus. Die nicht genehmigten 48,4 Millionen Euro für DAB, müssten aus einem Vier-Jahres-Gesamtbudget von 825 Millionen heraus eingespart werden. Das sind über 5 % des Gesamtbudgets. Dem KEF-Bericht ist zu entnehmen, dass bei einem Gesamt-Einsparpotenzial von 2 % beim Deutschlandradio schon das Ende der Fahnenstange erreicht ist. Auch der mit 32 % relativ hohe Personalkostenaufwand lässt sich kaum senken, denn während sich das Fernsehen preiswerter Serien- und Fremdproduktionen bedienen kann, um Sendezeit zu füllen, muss beim einem Wortradio überwiegend alles selbst produziert werden. Kaum ist das durchgerechnet, kursieren schon die Gerüchte, das Deutschlandradio erwäge den DAB-Ausstieg.
Mehr Informationen:
[1] KEF will Digital Radio für Deutschland erneut erfinden
[2] Rheinsicher Merkur: Wir sind Kultur, wer sonst
[3] ALM: „Leitlinien für eine zukünftige Gestaltung des terrestrischen Hörfunks in Deutschland”
[4] Vergl. 16.KEF-Bericht S. 213 ff.