Die European Broadcasting Union (EBU) hat im Februar eine neue technische Empfehlung abgegeben. Ziel es es, das Radio in Europa zu digitalisieren. Hierzu wird empfohlen, den DAB+-Standard zu verwenden und überall dort, wo ein flächendeckendes DAB+-Netz nicht realisierbar ist, auf dem bestehenden UKW-Rundfunkband Aussendungen mit DRM+ zu ermöglichen. Ein Plan, mit zweifelhaften Erfolgsaussichten.
Über Jahre hatte man sich gewünscht, dass Europa mit einer Stimme die Digitalisierung vorantreibt. Geschehen ist fast nichts, die Hörfunkdigitalisierung wurde der Dynamik der nationalen Radiomärkte überlassen. Mit einem Euro-DAB-Chip trat erstmals eine Initiative ans Licht, dem Fortbestand von UKW eine industriepolitische Forderung in den Weg zu stellen. Die Initiative von Deutschlandradio und BBC, sich für die Verwendung digitaltauglicher Tuner-Chipsätze stark zu machen, wurde von der EBU einhellig begrüßt. Der "Euro-Chip", der bei größeren Stückzahlen nur wenige Euro kostet, sollte eine Art Mindeststandard für alle neuen digitalen Rundfunkempfangsgeräte darstellen. Vielen Radiohersteller ging das aber zu weit. Sie beklagten, der EBU-Vorstoß lasse die notwendige Technologieneutralität vermissen.
Dass die TU-Kaiserlslautern jetzt ein DRM-Kofferradio auf Basis des preisgünstigen Noxon-DAB-Stick als Prototypen vorstellt, ist wohl kein Zufall. Im Februar veröffentlichte die EBU ihre Empfehlung R 138, mit der erneut dem analogen UKW-Rundfunk ein Verfallsdatum aufgestempelt werden soll. Demnach könnten digitale DRM+-Radiosendungen neben herkömmlichen UKW-Sendern lizenziert werden. Die technische Verträglichkeit einer solchen Mischbesetzung auf UKW wurde bereits vor Jahren bestätigt. DRM+ erfordert neue Planung. Ob das Bespielen von Frequenzen mit digitalen Signalen bei der deutschen UKW-Bandbelegung tatsächlich leidlich reibungslos durchführbar ist, ist unter Fachleuten umstritten. Wahrscheinlich müsste das UKW-Netz hierfür neu geplant werden, denn das digitale Sendesignal benötigt weit weniger Sendeleistung. Das Problem wäre aller Voraussicht nach nicht die Nachbarkanaltrennung, sondern die Wiederverwendung einer digital bespielten Frequenz durch ein analoges Signal. Störungen des analogen FM-Signals durch noch darunterliegende DRM-Signalbestandteile könnten die störende Folge sein. Über solche Umsetzungsprobleme schweigt sich die EBU bei ihrer Empfehlung allerdings aus.
UKW-Digitalisierung in den USA ohne Erfolg
Dabei ist DRM ähnlich wie DAB als rein digitales System ausgelegt. In seiner Papierform ist der sanfte Umstieg vom Analog- zum Digital-Radio mit der IBOC-Lösung, die in den USA mit dem HD-Radio der Firma Ibiquity verfolgt wird, der verträglichere Weg. „HD“ steht dort nicht für etwa High Definition, sondern für Hybrid Digital. Dabei wird dem UKW-Radiosignal eine unhörbare digitale Tonspur mit aufmoduliert. Auch hier zeigt sich in der Praxis allerdings ein Störpotenzial an der Grenzreichweite des HD-Senders; die digitale Signalkomponente hat mehr Reichweite und erzeugt Störungen am Signal des analogen Frequenzwiederverwenders. Zudem kann man inzwischen bilanzieren, dass das HD-Radio in den USA etwa so erfolgreich ist, wie der erste Versuch, DAB in Deutschland einzuführen. Ein Jahrzehnt nach dem US-Start der Technik liegt der Marktanteil im Auto bei 2 %, der Bekanntheitsgrad von HD-Radio liegt bei 54 % und im stationären Bereich führen die Hörer des Public Radios – also der kleinteiligen Landschaft des öffentlich finanzierten Rundfunks, bei einer Geräte-Penetration von 6 %. Im Vergleich zum Vorjahr 2011 sind die HD-Hörerzahlen offenbar sogar wieder leicht rückläufig. Im Wesentlichen halten die Hörer an UKW und Mittelwelle fest oder verwenden gleich Tablets und Smartphones als Radioempfänger.
Kaum Stückzahlanreize für die Radiohersteller In Europa könnte DRM+ nun in diese US-Fußstapfen treten. DRM, als System zur Digitalisierung des Auslandsrundfunks auf Kurzwelle gestartet, findet keine ausreichend großen Märkte, um die Industrie zu veranlassen, geeignete Radios herzustellen. Selbst versprengte Versuche in der EU und in Brasilien das Übertragungssystem im VHF Band II (UKW) zu installieren, dürften die namhaften Hersteller noch kalt lassen. Die Frage, wie man einem hiesigen Programmmacher erklären will, warum er auf UKW in DRM+ senden soll, ohne dass es geeignete Empfänger in den Geschäften gibt, bleibt ohne schlagkräftige Antwort. Content bleibt King Wenn man aus dem zarten Erfolgspflänzchen DAB+ in Deutschkand eine Lehre ziehen kann, dann doch wohl die, dass ein abwechslungsreiches digitales Programmangebot einen wirkungsvolleren Beitrag zum Gelingen der Hörfunkdigitalsierung leistet, als alle EBU-Empfehlungen zusammen.