Wer auf die deutsche DAB-Landkarte schaut, muss feststellen, dass DAB in Niedersachsen noch nie eine große Rolle gespielt hat. Damit das auch weiter so bleibt, hat der Niedersächsische Landtag einstimmig einen von der FDP-Fraktion eingebrachten Antrag für eine digitale Radiozukunft beschlossen. Und die heißt: erst einmal keine digitale Radiozukunft. Woanders brummt der DAB-Betrieb dagegen.
Statt auf eine DAB+-Verbreitung für das Radio zukünftig auf eine breitbandige Internetverbreitung zu setzen, mag im ersten Moment fortschrittlich klingen. Doch bis 5G ausgerechnet im Flächenland Niedersachsen voll ausgebaut ist, dürfte es noch lange hin sein. Im Ergebnis ist es daher durchaus logisch, dass man sich nicht auf einen Abschalttermin für das analoge UKW festgelegt hat. So viel Realitätssinn muss man der Politik auf dem flachen Land dann doch bescheinigen.
Niedersachsen fühlt sich jetzt wie der Hort des Widerstandes gegen die Zwangsdigitalisierung mit dem internationalen Digitalradio-Standard DAB+. Angezettelt hat den Entscheid des Niedersächsischen Landtags die kleine FDP-Fraktion aus der Opposition heraus. Stefan Birkner, Vorsitzender der FDP-Fraktion im Landtag Niedersachsen, feiert den Sieg entsprechend: „Es ist bundesweit einmalig, dass sich ein Landtag einstimmig dafür ausspricht, die Förderung von DAB+ durch die Rundfunkbeiträge zu beenden. Das ist ein neuer Impuls in der medienpolitischen Debatte.“
Der Verband Privater Medien (VAUNET) hat den Beschluss des Niedersächsischen Landtags prompt begrüßt. Klaus Schunk von Radio Regenbogen ist überglücklich: „Der Niedersächsische Landtag hat einen richtungsweisenden Beschluss gefasst, der über die Landesgrenzen hinaus Wirkung haben wird. Er hat die richtigen Schlüsse aus dem Festhalten an einer Technologie gezogen, die sich im Markt trotz langjähriger Werbekampagnen nicht durchsetzt und weit hinter den Möglichkeiten von digitalen Verbreitungswegen zurückliegt. [...] Sollte die Politik hier weiter auf die falsche Karte setzen, würde sie die Zukunft des Hörfunks verspielen. Insofern ist der Beschluss aus Hannover klug, zukunftsweisend und orientiert sich an der tatsächlichen Nutzung und den Wünschen der Radiohörer, aber auch der privaten Medienunternehmen.“ Man ahnt, wer die FDP vor seinen Karren gespannt hat.
Das neue Bayern?
Niedersachsen könnte glatt als neues Bayern durchgehen, doch ausgerechnet bei der Digitalisierung des Radios macht man in Süddeutschland alles richtig. Bayern war das erste Bundesland, das erkannt hat, dass das Medium Radio nur gewinnen kann, wenn die Vielfalt des Angebotes stimmt und sich nicht auf die wenigen Player im analogen Dunstkreis beschränkt, denen es dort einzig darum geht, ihre bestehende Marktanteile zu ihrem eigenen, kurzfristigen Vorteil zu verteidigen.
Die Funkanalyse dieses Jahres für den bayerischen Hörfunk zeigt, dass fast jeder Dritte ab 14 Jahren in Bayern (31,1 Prozent) mittlerweile Zugang zu mindestens einem DAB+-Empfangsgerät hat und fast jeder Fünfte (18,4 Prozent) es an einem durchschnittlichen Tag unter der Woche auch einschaltet.
Siegfried Schneider, Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien: „DAB+ legt stetig zu. Mit dem terrestrischen Digitalradio hat sich ein digitaler Hörfunkübertragungsweg etabliert, der den Point-of-no-return erreicht hat.“ Die Landeszentrale habe mit der konsequenten Umsetzung ihres DAB+-Konzepts richtig gelegen: Bayern wird ab 2020 das erste Bundesland sein, in dem alle lokalen UKW-Programme auch in DAB+ ausgestrahlt werden.
Gleichwohl weiß man auch in Süddeutschland, dass das lineare Radio allein nicht genügt. Siegfried Schneider, fährt fort: „Wer nicht beide digitalen Ausspielwege nutzt, wird Hörer, Marktanteile und damit Erlöse verlieren. Schließlich ergänzen sich die Vorteile von terrestrischem Digitalradio und Online-Audio auch optimal: Das Digitalradio DAB+ gestattet die Fortsetzung des klassischen Geschäftsmodells einer linearen Programmverbreitung und Werbevermarktung von privatem Radio in Deutschland. IP ermöglicht die Entwicklung differenzierter Vermarktungs-Strategien.“
Die positive Entwicklung von DAB+ trage „gemeinsam mit anderen neuen und herkömmlichen Ausspielwegen dazu bei, dass Radio in Bayern auch in einer konvergenten Medienwelt einen festen Platz im Alltag der Menschen behält.“
Die Anzahl der DAB+-Autoradios ist im letzten Jahr um rund 180.000 gestiegen. Deutlich höhere Zuwächse werden ab 2021 erwartet – dann muss die EU-Richtlinie umgesetzt sein, nach der jeder Neuwagen ein DAB+-Radio eingebaut haben muss. In Deutschland soll das zeitnah durch eine Änderung des Telekommunikationsgesetzes (TKG) erreicht werden.
„Die Medienpolitik sollte daher die Digitalisierung des Hörfunks insgesamt fördern, sie nicht verhindern oder in die Vielfalt der Verbreitungswege eingreifen“, betont Siegfried Schneider und „mit UKW alleine lässt sich künftig nicht mehr überleben.“