Mit einer gesunden Skepsis schauen Chronisten in aller Welt auf die Versuche, das Radio ins Digitalzeitalter zu überführen. Die Industrie reagiert beinahe wahllos mit neuen Geräteangeboten, von denen einige durchaus aufregend sind.
In Großbritannien soll DAB+ das Radio der Zukunft sein. Viel hat man schon investiert und ein Blick auf die Verkaufszahlen bestätigt: Das Geld wurde nicht in den Sand gesetzt. Die Privaten möchten gerne Investitionssicherheit und forderten schon vor über einem Jahr einen UKW-Abschalttermin. Nun ist das Jahr 2019 ausgerufen und sollte eigentlich für Ruhe sorgen. Doch erst einmal bahnen sich die DAB-kritischen Stimmen ihren Weg durch den Untergrund der HiFi-Foren in die Artikel der auflagenstarken Zeitungen und zugriffstarken Internetseiten. DAB klingt schlechter als UKW und wird einseitig von der BBC beworben, heißt es dort.
Getreu dem Motto, das Bessere ist des guten Feind, wird offen die Frage diskutiert, ob DAB wirklich das Non plus ultra darstellt. Jack Schofield vom Guardian sieht in Sachen Programmauswahl und sogar beim Klang das Internetradio in Führung. Nur bei der Bedienbarkeit ist DAB im Vorteil. Einschalten, Knopfdrücken, dudelt – ganz so einfach ist ein WLAN-Radio noch nicht. Doch bis 2019 könnten solche Fragen und auch der Problemfall Mobilität und Empfang im Auto längst Geschichte sein.
In Australien sind die DAB-Kritiker schon vor dem offiziellen Start von DAB+ zur Stelle. Pressemeldungen, die besagten, in Australien wollen Autobauer wie Jaguar und BMW mit HD-Radios an den Start gehen, wurden eilig wieder dementiert. Es gibt kein HD-Radio in Australien. Gut, Australien wird mit dem frühen DAB+ Einstieg ein Problem mit Autoempfängern haben, weil es Zeit braucht, bis DAB-Radios in die Serienausstattung einfließen können; letztlich gilt dies aber für jedes neue Radiosystem gleichermaßen.
In den USA hat man das wirtschaftlich hart angeschlagene Sirius-XM-Satellitenradio und das sich eher schwach entwickelnde HD-Radio im Markt. Für den US-Markt wissen die Radiohersteller nicht recht, was sie eigentlich anbieten können. Die US-Firma iLuv bietet munter wahllos Internetradio (siehe Bild iLuv iNT170) oder HD-Radio an. Keiner weiß, was am Markt gehen wird. Doch wie es auch ausgeht, Webradio hat offenbar als kleinster gemeinsamer Nenner im Systemchaos den Nimbus der Beständigkeit. Mag das Satellitenradio scheitern und HD-Radio sich nicht durchsetzen, aber Internet wird es immer geben.
Und auch im DAB-Erfolgsland Großbritannien ist die Kombination aus DAB und Internetradio offenbar das Rezept der Stunde. Der Radiodatenbankanbieter Radiopaq ließ sich sogar zu einem physikalischen Radio hinreißen, dem schicken RP5, mit Frontier-Silicon-Technik an Bord, die natürlich auch DAB+-tauglich ist.
Die Systemdiskussion Webradio oder DAB scheint überflüssig. Wenn der Preis stimmt, nehmen wir Hörer gerne beides.