Das Radio hat die Zeit verschlafen. Das einstmals schnellste und munterste Medium hat im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts den Anschluss an alle anderen Medien verloren. Die Hörfunkdigitalisierung ist gescheitert. Milliarden Steuergelder sind systematisch versenkt worden.
Das Stück vom Werbekuchen wird kleiner. Wer sich wie ich, seit vielen Jahren unabhängig mit der Zukunft des Radios beschäftigt hat, kommt nicht umhin, dieses Fazit der Entwicklung von 2000 bis 2009 zu ziehen.
Gestartet war das Radio in das Jahrzehnt der Digitalisierung mit einem Vorsprung. Mit DAB hatte es einen damals bedingt geeigneten Übertragungsstandard. Fast alle Radiosendungen wurden bereits in vollständig digitalen Studios produziert. Auch vom Funkhaus bis zum Sendemast war die analoge Sinuskurve von Rechtecksignalen bereits abgelöst worden. Nur bei den Hörern ist digitales Radio bis heute nicht angekommen. Die Ursache ist bekannt, wird aber selten klar benannt: Eine kollektive Verweigerungshaltung der gesamten Branche behindert die Entwicklung von Digitalradio. Die Sender haben es sich im analogen UKW mit eingebautem technischen Konkurrenzbegrenzer gemütlich gemacht. Es gibt einfach nur wenige Sendelizenzen. Die Geräteindustrie verdient mit immer flacher werdendem Fernsehen genug. Also wozu Digitalradios bauen? Die Entwickler von Übertragungssystemen entwickeln sich die Finger wund, immer auf der Jagd nach der nächsten Technologieförderung der EU. Die Politik ist verstrickt in ihrer eigenen Vorgabe für das Ende der Analogfunkerei 2012 und ihrer traditionellen Regulierungswut im Rundfunk. Zur Beruhigung für Leser mit weniger Einblick: Die Deadline 2012 ist tot! Und wenn ich sie schon mal anspreche. Nicht zuletzt verweigern sich die Hörer, die keine Antenne für das Thema zu haben scheinen.
Die i-Decade liegt hinter uns
Das erste Jahrzehnt wird als iDecade in die Geschichte der Medientechnologie eingehen. iPod, iPhone, iTunes, iDies und iDas machen es vor, wie es geht. Sie bieten den Nutzern echte Vorteile, einfachste Bedienung, eine Menge Spaß und obendrein ein cooles Design. Ironischerweise gibt es voll digitale Gerätschaften wie das Handy auch mit Radio. Natürlich mit analog UKW, manchmal noch Mittel- und Langwelle. Das Radio ist im Wettlauf zwischen Hase und Igel eindeutig der Hase. iIgel (das Internet mit seiner Welt der unbegrenzten Möglichkeiten) lauert hinter jedem Busch und ruft “iAm schon da.” In den kommenden zehn Jahren werden wir das begreifen, was Experten schon zu Beginn dieses Jahrzehnts gesagt haben: Die Zukunft des Radio steckt im Internet. Oder, um Berthold Brechts Vision aus der Mitte des letzten Jahrhunderts annähernd zu zitieren: Das Radio wäre ein vortrefflicher Kommunikationsapparat, wenn wir ihn nicht nur sendend sondern auch zuhörend machen könnten.