Die digitale Mittel- und Kurzwelle soll uns Europa und die Welt in UKW-Qualität ins Haus bringen. Mit dem 70-Euro-Kurzwellenkofferradio Roadstar TRA-2350, einer Zusatzplatine und der PC-Soundkarte, sind wir „provisorisch” auf Empfang gegangen.
Wer Spaß am Experiment hat, mag unserem Beispiel folgen und für knapp 100 Euro erste Erfahrungen mit den DRM-Radiosignalen sammeln. Das altmodische Kofferradio mit digitaler Frequenzanzeige verfügt über ein hippes Detail, das es für DRM-Empfangsversuche besonders prädestiniert: Es hat an der Rückseite einen ZF-Signalausgang. In diesem Signal ist der Informationsinhalt des gerade empfangenen Radiosignals auf einer konstanten Frequenz von 455 kHz enthalten.
Für die Soundkarte sind Signale oberhalb von 20 kHz aber noch nicht verdaulich. Daher kommt die Firma Sat-Service-Schneider aus Waldheim ins Spiel. Der Funkhändler bietet nämlich eine daumennagelgroße Mischerplatine an. Dieser Mischer nimmt das 455-kHz-Signal entgegen und gibt ein 12-kHz-Signal zurück. Das 12-kHz-Signal eignet sich nun zur Bearbeitung mit der PC-Soundkarte.
Kleine Bastelstunde
Die Bastelstunde mit dem Lötkolben ist nicht allzu kompliziert: Man muss den Mischer mit einer Gleichstromquelle 7 bis 20 Volt verbinden. Die Stromkabel müssen also festgelötet werden. Das ZF-Signal des Radios steht an einer Fernseh-Steckerbuchse bereit. Hier braucht es eine IEC-Antennenkupplung, um den signalführenden Innenleiter und die äußere Masse mit der Platine zu verbinden. Auf der Ausgangsseite der Platine bleibt nun nur noch, das 12-kHz-Signal abzunehmen und in den Line-Eingang der PC-Soundkarte zu schicken. Da die SMD-Platine winzig ist, wären etwas Löterfahrung, eine dünne Lotkolbenspitze und eine ruhige Hand von Vorteil.
Man nehme: Ein Kurzwellen-Kofferadio Roadstar TRA-2350P (60 bis 70 Euro), eine DRM-Mischerplatine von der Firma Sat-Service-Schneider (25 Euro), einen PC mit Soundkarte und die Software Dream der Universität Darmstadt. Und (fast) fertig ist die DRM-Empfangsstation.
Als Software zur DRM-Signaldekodierung lässt sich die Dream-Software der Technischen Universität Darmstadt empfehlen. Eigentlich als wissenschaftliche Erprobungsanwendung gedacht, erfreut sie sich auch bei Privatnutzern großer Beliebtheit. Die Open-Source-Software ist kostenlos zu haben, muss aber prinzipiell noch kompiliert werden. Doch Hobbyfreunde in aller Welt bieten fertig kompilierte Softwarepakete zum Download an, die sich so einfach wie jedes andere Softwareprogramm installieren lassen.
Es ist ja schon fast enttäuschend, wenn man bastelt, das Werk unter Strom setzt und quasi gleich im ersten Anlauf ein paar Gluckser aus dem Lautsprecher kommen.
Die Software zeigt B5aktuell an, ist aber mit der Signalgüte noch nicht ganz einverstanden. Der Startbildschirm zeigt die Senderkennung, den Pegel des Eingangssignals an der Soundkarte und lässt zugleich eine Umschaltung auf verschiedene Dienste zu. So kann ein DRM-Radiosignal weitere Bild- und Textinformationen beinhalten oder auch Programme in verschiedenen Sprachen simultan ausliefern. Zur Abstimmung benötigt man den Evaluation-Monitor. Er visualisiert die Signalgüte und ab hier ist man selbst als erfahrener Kurzwellenhörer wirklich in einem völlig neuen Film:
- Die Signalstärke-Anzeige am Radio - neben dem eigenen Ohr der Gral für die korrekte Empfängereinstellung - ist ohne Bedeutung.
- Man muss das Signal im Lautsprecher nicht hören können, um es zu dekodieren; Lautsprecher des Radios einfach abschalten.
- Elektrische Signalverstärkung ist oft kontraproduktiv.
- Schmale Filter machen den Empfang unmöglich: Lasse den ganzen Müll durch ein großes Scheunentor hineinkommen.
Mit gezogener Handbremse auf die DRM-Autobahn
Da viele bisherigen Erfahrungen wenig nützlich zu sein scheinen, haben DRM-Hörer einen neuen Fetisch: Das Signal-Rauschverhältnis. Im Test war im gesamten Kurzwellenbereich bis 15 MHz fast immer der HF-Abschwächer eingeschaltet. Nachbarkanalstörungen verschwinden dadurch; das DRM-Signal schaut im Scope der Software gar putzig über den gestutzten Rasen des Äther- und Verstärkerrauschens, und genau dort ergeben sich die besten Signal-Rauschabstände.
Dass die Signalstärkeanzeige um Null herum ruht und beim besten Willen kein Signal auf dem Kanal zu hören ist, sorgt für Irritation. Aber der DRM-Hörer sollte sich nicht seine Ohren über Probleme zerbrechen, die das digitale Bandpassfilter der PC-Soundkarte im Handstreich lösen kann.
Wir haben die Empfangsmöglichkeiten am Line-in der Soundkarte und am Mikrofoneingang bewertet. Für den Line-in war das Signal etwas schwach. Das lässt sich an einem Poti der Mischplatine passend einstellen. Wir haben mit Erfolg den Mikrofonanschluss verwendet.
Bei den DRM-Empfangsversuchen mit dem Günstig-Kofferradio wurde schnell klar, dass die manuelle Regelung der HF-Verstärkung der Dreh zum Empfangserfolg ist. Auf diese Weise kann man herrlich viel Zeit damit zubringen, aus einem prinzipiell erkannten DRM-Signal auch eine Tonwiedergabe zu zaubern, indem man erst mit normaler HF-Verstärkung den Regler langsam und gefühlvoll aufdreht, bis ein gut erkennbarer Signalbuckel im Oszilloskop auftaucht.
Das Fein-Tuning folgt dann an der zahlenmäßigen Ausgabe des Signal-Rauschabstands. Wer die Verstärkung weiter aufdreht, erkennt zwar, dass das DRM-Signal stärker wird, das Rauschen rechts und links neben dem Signalbuckel allerdings droht, den Signalbuckel wieder einzuebnen.
Wenn es mit normaler HF-Verstärkung nicht geklappt hat, lohnt es sich, den Vorgang mit eingeschaltetem HF-Abschwächer zu wiederholen. Dabei wird die manuelle Verstärkungsregelung vom Maximum schrittweise heruntergedreht. Wer hartnäckig ist und kein Signal verloren gibt, wird etliche DRM-Sendungen dekodieren können. Wichtig ist hierbei, den breiten Empfangsfilter (Wide) zu verwenden, denn nur dort kommen alle Signalträger des DRM-Signals durch.
Der ersten Empfangserfolg verbuchen wir RTL Radio auf 6.090 kHz in deutsch. Erstmals konnten wir Kurzwelle in parametrischem Stereo hören. Bei parametrischem Stereo werden die essenziellen Stereo-Informationen wie Phasenunterschiede und räumliche Präsentationsmerkmale in ein kleines Zusatzdatenpaket gepackt und dem Datenstrom zugefügt. Das Klangerlebnis ist zwar ein etwas hölzern wirkender Phasenwirbel, aber dennoch gelingt es rechts, links, vorne und hinten akustisch klar zuzuordnen. Ansonsten ist die Klangqualität nicht schlecht. Eingedenk der Tatsache, dass bei DRM der Audiocodec verwendet wird, der im Wesentlichen für das kommende DAB+ vorgesehen ist, erstaunt der Klang bei nur 20.6 Kilobit pro Sekunde positiv.
Auf einem einfachen Küchenradio ist das 20-Kilobit-DRM-Signal nicht eben sonderlich weit von der gewöhnlichen UKW-Wiedergabe entfernt. Selbst das Signal der Deutschen Welle aus dem portugiesischen Sines, 17,48 Kilobit stereo, hat mit den Klang der alten Kurzwelle nichts mehr gemeinsam.
Das französische RTL-Programm liefert wechselnde Kurznachrichten als Begleittext an. Das Signal des Deutschlandfunks auf der Berliner Mittelwelle 855 kHz brachte keine Tonwiedergabe, aber immerhin konnte der Journaline-Textdatendienst peu à peu eingelesen werden. Im Datendienstbildschirm lassen sich einzelne Schlagzeilen anklicken und Nachrichten lesen.
Die BBC-Mittelwelle auf 1.296 kHz ließ sich ebenfalls in stereo empfangen. Etwas Mühe bereitete kurioserweise die WDR-Mittelwelle 1.593 kHz aus dem nahe gelegenen Langenberg. Hier ließ sich das Tonsignal von WDR 2 Klassik nicht lange halten.
Sehr stark hingegen Radio Vatikan auf Mittelwelle 1.530 kHz mit einem Signal-Rauschabstand von 23 dB (15 dB sind für eine leidensfreie Tonwiedergabe in aller Regel erforderlich). Mit der Tonwiedergabe klappte es zwar, aber irgendetwas stimmte mit der Aussendung oder mit unseren Empfangseinstellungen nicht so recht. Der Rekorder der Software hat das merkwürdige Ergebnis festgehalten.
One-Hopp kein Problem
Auf den höheren Kurzwellenbändern haben wir Kuwait und Kanada probiert. Das Signal von Radio Canada International auf 9.800 kHz sah erfolgversprechend aus. Die Senderkennung kam schon durch. Doch die langwierigen Versuche das Signal-Rauschverhältnis für eine Tonwiedergabe hinzubiegen, endeten im Sendeschluss.
Zum Trost ließ sich in Bonn das Oldistar Radio aus Berlin auf 1.545 kHz in Stereo verfolgen. Mit etwas Einstellroutine konnte am nächsten Tag auch die Voice of Russia vom Sender Taldom (ca. 250 km nordwestlich von Moskau) und erneut die Deutsche Welle aus dem portugisischen Sines empfangen werden. Beide Programme ließen sich über weite Strecken ohne größere Aussetzer mithören. Solche Verbindungen gehören zu den recht stabilen „One-Hopp-Verbindungen”. Die Kurzwelle überbrückt so große Entfernungen, weil die Funkwellen in diesem Frequenzbereich in der oberen Atmosphäre, der so genannten Ionosphäre, reflektiert werden können. Typische Kurzwellenstrecken, die mit einem Reflexionsvorgang überbrückt werden können, liegen zwischen 1.000 und 4.000 Kilometer. Nun ist Taldom Luftlinie etwa 2.400 Kilometer entfernt, Sines in Portugal liegt in einem Radius von 1.800 Kilometern.
Schwieriger wird es bei Sendungen von den niederländischen Antillen oder dem Sender Sackville in Kanada. Die Laufzeitunterschiede der verschiedenen Reflexions- und Ausbreitungswege wird hier zum harten Prüfstein.
Als weitesten 100%-DRM-Empfangserfolg mit dem Roadstar an der eingebauten Teleskopantenne kann das Programm des Ministry of Interior Kuwait gewertet werden. Immerhin rund 4.100 Kilometer Luftlinie. In der zweiten Nachthälfte gelang schließlich auch noch der Sender Sackville aus Kanada mit einem Programm von China Radio International in englischer Sprache, wenn auch nur mit 20%iger Tonwiedergabe. Mit 13.500 Kilometern eine Strecke mit mehreren Reflexionssprüngen. Dabei ist die Ausstrahlung für die Ostküste der USA gedacht, die Antenne strahlt also gar nicht in Richtung Europa. Für die ersten DRM-Gehversuche ist das Ergebnis mit dem preiswerten Kofferradio nicht schlecht.
Der Empfänger hat sicher so seine Limitierungen. Schon beim Analog-Empfang fiel auf, dass der Verstärker bei Fading, also wenn das Signal plötzlich schwächer wird, tüchtig hochrauscht und allerlei Störsignal mit an die Oberfläche zieht. Nicht alles ist für den DRM-Empfang schädlich, aber ein erhöhtes Rauschen ist von Übel. Mehr kann man für den Kaufpreis des Radios aber sicher auch nicht erwarten.
Mehr als ein Spielzeug?
Bringt der DRM-Empfang mit dem Roadstar TRA-2350P Nutzen und Hörgenuss, oder ist es doch eher ein Technikspielzeug? Die Antwort fällt leicht: Natürlich ist es ein Spielzeug für experimentierfreudige Zeitgenossen. Der Empfang ist kippelig, die Abstimmung des Signals ist fummelig und dass es keine Stationstasten am Radio gibt, an denen sich die DRM-Frequenzen schnell abrufen lassen, tut sein übriges. In der Bonner Redaktion war das jetzt der erste reale DRM-Kontakt, aber wie uns aus Gesprächen mit unseren DRM-erfahrenen Autoren Harald Kuhl und Thomas Riegler immer eindrucksvoll beschrieben wurde, sind die Empfangsleistungen des ebenfalls PC-gestüzten Digital-World-Traveller und des Morphy-Richards DAB-DRM-Radios nicht diametral anders, als die Erfahrungen mit unserem Kofferradio und der Dekodiersoftware.
Die anderen Geräte bieten zum Preis von rund 200 Euro mehr Bedienkomfort weil sie - wie im Fall des World-Traveller - gleich aus der PC-Software heraus bedient werden oder - wie beim Morphy-Richards - überhaupt keinen PC zum Empfang benöigen.
Die nächsten Schritte Im nächsten Teil gehen wir möglichen Empfangsverbesserungen nach. Dazu werden wir ein Mini-Anpassgerät für die Teleskopantenne ausprobieren und uns eingehender mit der Dream-Software befassen.