Für manche Leser scheint es unverständlich, warum wir über Internetradio und DAB berichten. DAB dümpelt seit Jahren am Markt und taugt höchstens für medienpolitische Debatten. Der Absolutheitsanspruch, mit dem DAB/DABplus als UKW-Ablösung gehandelt wird, ist fast schon passé und doch müssen die neuerlichen Bemühungen um DAB nicht in einem wirtschaftlichen Waterloo enden.
Viele Wege führen heute zum Hörer. In einer - nicht zuletzt durch die Attraktivität des Internetradios - veränderten Radiolandschaft muss sich DAB, das System für digitalen Radioempfang per Antenne, neu positionieren. Wer heute die Nachrichten rund um DAB richtig deutet, erkennt darin einen neuen Realismus.
Wenn es jetzt gelänge, das neue bundesweite DABplus-Sendernetz richtig in den Markt zu schieben, wird das nichts mehr an der Tatsache ändern, dass Deutschland mit DAB zu spät aus den Startblöcken heraus gekommen ist.
Den Radiomarkt wird DAB nur noch zu einem Teil mitgestalten können. Eine mit UKW auch nur annähernd vergleichbare Haushaltsreichweite scheint illusorisch.
Realistische Ziele
Nach den ermutigenden Ausschreibungsergebnissen für das bundesweite DAB-Multiplex beginnen die ARD-Anstalten damit, bereits bestehende Kapazitäten in den Ländernetzen wieder mit Leben zu befüllen. In einigen Bundesländern sollen selbst für die Landesensemble wieder Senderstandorte eingeschaltet werden, andernorts wird die Sendeleistung erhöht.
Doch wie uns ein Leser aus Sachsen-Anhalt berichtete, steht für Sachsen der problemlose Zimmerempfang allerorten gar nicht mehr im Fokus der Anstrengungen. Statt dessen weist man auf die Zusammenarbeit mit dem ADAC hin. Der macht sich stark für das DAB-Verkehrsdatensystem TPEG und sucht Kontakte zur Garde der Navigationsgerätehersteller. Der digitale Antennenempfang soll sich auf seine Stärken besinnen.
Habt Mut zur Lücke
Auch der Aufbauplan des bundesweiten DABplus-Netzes der Media Broadcast beweist wirtschaftliches Augenmaß. Bis Ende 2015 werden mit 110 Senderstandorten 78 % der deutschen Bevölkerung erreicht. Die Inangriffnahme der letzten Ausbaustufe mit 170 Sendern bis 2020 steht letztlich unter dem Vorbehalt, dass die Radiomacher bereit sind, diese Reichweitensteigerung auch finanziell noch mitzutragen.
Es sind die letzten Winkel der Republik, deren Erschließung richtig Geld kostet. Hier muss man genau nachrechnen, ob sich der Aufwand für das Rundfunknetz noch lohnt, wenn das Funkinternet und der Satellit diese Haushalte bereits anderweitig versorgen kann. Manch provokanter Spruch, es werde keine völlig flächendeckendes Rundfunknetz für das Radio mehr geben, könnte sich somit bewahrheiten.
Selbst in Großbritannien wird das Versorgungsziel in Frage gestellt, 99 % der Bevölkerung mit DAB zu beglücken. Ende 2011 werden 90 % der Bevölkerung in den Genuss des DAB-Empfangs kommen. Aber die britischen UKW-Abschaltpläne sehen 99 % Haushaltsreichweite vor. Der BBC-Verbreitungschef Tom Everest sieht diesbezüglich noch einen weiten - und nicht unbedingt sinnvollen Weg vor sich: „Für die letzten 9 % brauchen wir 400 bis 600 weitere Sender, nicht wenige davon winzige Funzeln am Ende der Straße.“ Dass man das hinkriegt, ist keine Frage, aber zu welchem Preis, fragt sich Everest in der BBC-Mitarbeiterzeitschrift.
Rundfunk für Reichweite
Nun hat der klassische Rundfunk den unbestreitbaren Vorteil, dass die Kosten pro erreichtem Hörer sinken, je mehr Hörer einschalten. Beim Internetradio verhält es sich genau anders herum, je mehr Hörer einschalten, desto teurer wird dieser Vertriebsweg.
Daher drängt sich geradezu die Idee einer Symbiose von Antennenempfang und Internetradio auf. Rein betriebswirtschaftlich betrachtet, wird man vielleicht zu völlig neuen Kapazitätsverteilungen kommen müssen. Eine Idee wäre, die Durchschnittsreichweiten der letzten sechs Mediaanalyse-Zyklen zur Grundlage zu machen, die kostengünstigen, terrestrischen Kapazitäten den erfolgreichsten Radiomachern zur Verfügung zu stellen.
Für eine solche Idee spricht auch die technische Entwicklung von Hybridradios, die unisono Internet, DAB/DABplus und UKW empfangen können. Nun müssen die Radios nur noch so „schlau“ werden, dass sie die im Rundfunk zu Verfügung stehenden Programme vorzugsweise über Funkempfang wiedergeben und das Internet nur als zweite Wahl vorhalten.
Im stationären Betrieb wird der Hörer keinen Unterschied feststellen können. Es lohnt der Hinweis auf die RadioDNS-Technik. Dieser Metadatensatz kann dynamisch für programmbegleitende Informationen in das Internet verweisen. RadioDNS wird erstmals durch das „Pure Sensia“-Multinormradio unterstützt. Die Entwicklung wird von zahlreichen Rundfunksendern, zum Beispiel von der Antenne Bayern und dem SWR, der BBC, dem US-Konzern Clearchannel wie der australischen ABC unterstützt und lässt sich beliebig für UKW, DAB und ebenso für HD-Radio verwenden.
Nischen ins Netz drängen?
So logisch und reizvoll diese Idee auf den ersten Blick erscheinen mag, so schwierig wäre die politische Umsetzung. Die hier formulierte „MA-Sieger-Idee“ würde stehenden Fußes dazu führen, dass die teuren Kulturprogramme der ARD nicht mehr im digitalen Antennenrundfunk zur Verfügung stünden. Zu hohen Produktionskosten würden sich somit relativ hohe Verbreitungskosten pro Hörer addieren. Den Aufschrei des Entsetzens, den ein solcher Plan erzeugen würde, lässt sich leicht ausmalen. Die Sparten und Nischen ins Netz, Radio-Fastfood auf die Antenne.
Wie man es auch dreht und wendet, das Radio der Zukunft wird für den Rundfunk und für das Internet eine jeweils angemessene Verwendung finden.
Mitglied seit
16 yearsBLM testet schlaue Hybridradios
Witzig, wenige Stunden nach der Veröffentlichung dieses Beitrags fand ich diese erhellenden (und ergänzende) Meldung bei der BLM.