Wer DAB+ mit Smartphone oder Tablet mobil machen möchte, kann mit der App Wavesink+ auf Empfang gehen. Ein probater Ersatz für einen im Smartphone integrierten Digitalradioempfänger ist es zwar nicht, aber durchaus eine Lösung, um im Hotelzimmer die regionale Programmlandschaft zu erforschen.
Das diese deutsche App in einer kostenlosen Trial-Version ohne DAB+ und in einer kostenpflichtigen Plus-Version (9,98 Euro) mit DAB+ bei Google Play bereitsteht, hat gute Gründe: Der eigentliche DAB-Empfänger in Gestalt eines DVB-T USB-Sticks, will erst einmal an einem Smartphone betrieben werden. Mit der kostenlosen Testversion lässt sich prüfen, ob die Rechenleistung des Smartphones ausreicht und ob der notwendige USB-Hostmodus vom Smartphone voll unterstützt wird.
Voraussetzungen prüfen
Zum Anschluss benötigt man ein USB-OTG-Kabel (gesprochen: USB On-The-Go). Auf der Smartphoneseite steht bei solchen Kabeln ein Mirco-USB-Stecker zur Verfügung und auf der Gegenseite eine Standard USB-Buchse, in die der DVB-T-Stick eingesteckt werden kann. Mit der Trial-Version von Wavesink kann geprüft werden, ob das Smartphone den Anschluss eines solchen Sticks überhaupt erlaubt. Der Stick muss erkannt werden und das Smartphone muss in den USB-Host-Modus wechseln. In dieser Betriebsart gibt die USB-Buchse des Smartphones zudem die notwendige 5-Volt-Versorgungsspannung für den DVB-T-Stick heraus. Wavesink unterstützt den Realtek-Chipsatz RTL2832U, der in vielen DVB-USB-Empfängern verwendet wird. Es ist in jedem Fall ratsam, die Trial-Version zu probieren, bevor man in die Vollversion investiert.
In unserem Fall sollte ein Noxon-DAB-Stick an einem HTC One S betrieben werden. Grundsätzlich unterstützt Android seit Version 4.0 den USB-Host-Mode, aber nicht jedes Smartphone geht da wirklich mit. Manche Hersteller schalten den USB-Host-Mode nicht frei, um den Akku vor möglichen Überlastungen zu schützen.
Zum USB-OTG-Kabel noch der Hinweis, dass Elektronikdiscounter meist zu teure Kabel im Sortiment haben. Bei den von mir konsultierten Märkten lag der Preis bei knapp 12 Euro. Ich habe bei einem PC-Händler für 4,90 Euro zugeschlagen. USB-OTG-Kabel gibt es zusätzlich in einer Y-Ausführung. Hier kann die USB-Buchse, an der der DVB-T-Stick hängt, über einen externen Smartphone-Akku mit Strom versorgt werden. Y-Adapter sind schwer zu bekommen; hier schlägt die Stunde der Onlinehändler. Entsprechende externe Smartphone-Akkus verlängern die Betriebsdauer erheblich.
Im Falle des HTC One S war alles Bemühen umsonst. Der USB-Hostmodus wird nicht unterstützt und die Wavesink-App kann nicht starten. Das Tablet Samsung Galaxy Tab 3 musste stattdessen für die Tests herhalten, weil es den USB-Hostmodus unterstützt.
Neben der Wavesink-App wird auch ein kostenlos installierbares Android-Treiberpaket zur Unterstützung des Realtek-Chips erforderlich. Die Wavesink-App lädt diese Treiber nach einem kurzen Dialog automatisch nach.
In der Praxis
Nach erfolgreichem Start der App wird sofort klar, dass diese Software etwas spröde daherkommt. Das Bedienmenü ist textbasiert und verzichtet auf optische Schnörkel. Links liegt das Menü und später die Programmliste, rechts eine Spektrumanzeige und ein Textfeld mit technischen Angaben zum Empfang. Eigentlich für Smartphones entwickelt, sind die technischen Angaben rechts mit so kleiner Schrift ausgezeichnet, das selbst gute Smartphonedisplays in der Größenordnung 4,5 und 4,7 Zoll die Schrift so klein darstellen, dass man Adleraugen haben müsste, um die Schrift zu entziffern. So gesehen, ist ein Tablet eigentlich keine schlechte Wahl.
Der Nutzer hat die Auswahl zwischen automatischem Suchlauf und manueller Kanaleinstellung. Das manuelle Auswählen eines DAB-Kanals mag noch praxisgerecht sein, aber die UKW-Frequenzauswahl im 100 kHz-Raster ist nun wahrlich kein Ersatz für einen herkömmlichen Suchempfang mit kontinuierlicher Abstimmung und gerät so zum Geduldspiel. Jede Frequenz muss angeklickt und geprüft werden. 200 Frequenzen also, um den ganzen Bereich von 88 bis 108 MHz zu untersuchen. Um zwischen UKW- und DAB-Kanalwahl zu wechseln, ist immer der Gang über das Hauptmenü erforderlich.
Hinter der Rücktaste ist die Funktion, um aus den Programmlisten eine virtuelle Radioskala zu machen, verborgen. Hier werden Programme auf UKW und DAB mit den jeweiligen Programmlabeln angezeigt und über ein Hin- und Herwischen können die Sender gewechselt werden. Diese Anzeige hat dann auch eine Größe, um eine einfache Bedienung am Smartphone zu ermöglichen.
Immerhin unterstützt Wavesink RDS mit Radiotext (RT) und lädt brav die Frequenzlisten (AF) ein. Empfangene RDS-Label werden mit dem Kürzel des Coderstandorts versehen und erlauben so eine klare Identifizierung des empfangenen Senders. Im DAB-Modus wird der Signal-Rauschabstand und die Synchronisierung sowie die automatische Oszillator-Frequenzkorrektur ausgegeben. Gut an diesem Dialog ist, dass ein DAB-Signal noch nachgewiesen werden kann, ohne dass es zur Tonwiedergabe kommt. Dies gibt einen guten Hinweis darauf, was mit einer leistungsfähigeren Antenne unter Umständen noch geholt werden kann. Weiterhin zeigt Wavesink+ den verwendeten Übertragungsmodus an, also, ob es sich um ein Programm mit MPEG1-Layer 2 DAB oder ein MPEG-4 LC oder HE DAB+ handelt. Eine Angabe zu verwendeten Fehlerschutz wird nicht ausgegeben. Auch sind die multimedialen Fähigkeiten, von Slideshow über EPG und Journaline, eher beschränkt. Nicht einmal die DLS-Texte werden sichtbar.
In den Landesensemblen und dem Bundesmux sind über die Radioprogramme hinaus, weitere Datendienste auf Sendung. Es wäre schön, diese Datendienste mit Name, Typ und Datenrate angezeigt zu bekommen, auch wenn eine Datenauswertung nicht möglich ist. Eine Aufnahmefunktion gibt es ebenfalls nicht.
Empfangsleistungen
Bei der Empfangsleistung ist von einem RTL-Stick wie immer kein Wunderwerk zu erwarten. Interessant war ein direkter Vergleich der Empfangsleistung zwischen dem beliebten Programme SDR# und Wavesink+ im UKW-Bereich. SDR# bietet eine manuelle Eingriffsmöglichkeit auf den Filter (Trennschärferegelung) und die Vorverstärkung. Bei Wavesink+ sind die Parameter fest vorgegeben. Der erste Test endete mit einer Überraschung, denn Wavesink+ holte mehr aus einem verrauschten Signal heraus. WDR 3 vom Bärbelkreuz in der Eifel ist bei SDR# nachweisbar, belässt es aber bei einem verrauschten Nuscheln, während Wavesink+ von der 96,3 MHz ein ordentliches gut verständliches Signal mit Rauschbesatz ablieferte. Eher aus Zufall sollte wenige Minuten später das Ergebnis nochmals wiederholt werden – aber es war ganz und gar unmöglich.
Im ersten Anlauf habe ich etwas „böses“ gemacht und den RTL-Stick einfach bei laufendem SDR# und voll aufgerissener HF-Verstärkung von Notebook abgezogen, was den Rechner auch sofort abstürzen ließ. So eingestellt habe ich Wavesink+ angeworfen um ebenfalls die 96,3 MHz abzustimmen – und der Empfang war deutlich besser als bei SDR#. Offensichtlich liefen auf dem Stick noch die SDR# Verstärker-Einstellungen. Jedenfalls ist dies die einzige logische Erklärung für diese Beobachtung. Unter normalen Bedingungen löscht SDR# offensichtlich die Einstellungen auf dem Stick beim Beenden des Programms. Wavesink+ schafft es mit Bordmitteln jedoch nicht, das schwache Signal einzufangen und bleibt auf 96,3 MHz einfach stumm. Mit einer manuellen Verstärkungsregelung und einer Stereo-Mono-Umschaltung hätte Wavesink+ auf UKW offenbar großes Potenzial.
Im DAB-Betrieb ist eine Beurteilung der Empfangsleistungen schwierig, wenn man nicht einen geeigneten Prüfstein hat. DAB-Radios mit guter Empfindlichkeit spielen draußen vor der Tür das Rheinland-Pfalz-Ensemble auf 11A problemlos ab, während der Noxon Stick mit Wavesink+ wie auch mit der Original-Noxon-Software stumm bleibt. Ein Ausbund an Empfindlichkeit ist so ein DVB-T-Stick nicht und auch Wavesink+ kann hier keine Wunder bewirken.
Ein Plattform für Android-Auto
Betrachtet man die Bilder von Feilen und Stolz zur App, scheint man auf den Autoempfang abzuheben. Der experimentelle Charakter von Wavesink wird dadurch unterstrichen, dass Nutzer versuchen Android-getriebene Car-Entertainment-Systeme mit Wavesink DAB+-fähig zu machen. Mit einer Pearl 2-DIN Navi-Receiverlösung soll dies sogar schon gelungen sein.
Tatsächtlich gelten die Systeme Android Auto und Apple CarPlay als große Treiber für das Connected-Car. Eine US-Studie kommt zu dem Ergebnis, dass in 2015 über 1,5 Millionen Fahrzeuge mit diesen Systemen auf die Straßen rollen. 2020 sollen es stolze 68 Millionen Fahrzeuge sein, die auf Android oder Apple setzen.
Für Empfangsexperimente aus dem Wander-Rucksack ist Wavesink bestimmt interessant, doch sollte man hier bei der Multimedia-Unterstützung und den manuellen Einstellungen zur Empfangsoptimierung gerne noch nachlegen.Die Entwickler haben sowohl beim Nutzerinterface, als auch bei der Multimediaunterstützung künftige Erweiterungen in Aussicht gestellt.
Sparsamer Ressourcenverbrauch
Wavesink+ lief im Test absolut stabil und beanspruchte im DAB+-Modus kaum 16 % der Kapazitäten eines Atom 1,6 GHz Doppelkern-Prozessors. Zudem begnügte sich die Anwendung mit schmalen 40 MB RAM. Wavesink+, mit seinen in C++ geschriebene Libaries, arbeitet ausgesprochen effizient. Mit diesem Setting sind gute Akkulaufzeiten zu erwarten. Wer den DVB-T-Stick mit einem Y-Kabel aus einer externen Batterie speist, für den sollte die Akkuleistung des Smartphones im DAB+-Betrieb durchaus an die WLAN-Surfzeiten heranreichen.
DRM+
Nicht erwähnt wurde hier die Empfangsmöglichkeit für DRM+. DRM+ ist ein alternatives digitales Radioübertragungsverfahren, das geeignet ist, auf einem genau ins UKW-Raster passenden 96 kHz breiten Kanal bis zu vier Audioprogramme zu übertragen. Ein Regelbetrieb in Deutschland ist nicht in Sicht, in anderen Ländern hingegen, in denen die Digitalisierung des Antennenfernsehens nicht abgeschlossen ist und demnach die für DAB notwendigen Band III-Frequenzen nicht zur Verfügung stehen, wird ein Einsatz von DRM+ geprüft, so zum Beispiel in Südafrika und Brasilien. Im Rahmen der Erprobung von Digitalradioverfahren für die lokale Versorgung, könnten in Deutschland auch DRM+-Versuche stattfinden, die sich mit dieser App dann verfolgen lassen. Der App-Entwickler Michael Feilen bezeichnet den DRM+ Modus als experimentell und kündigt an, dass künftige Versionen von Wavesink DRM+ nicht mehr unterstützen werden. So gesehen ist die aktuelle Version 1.22 eine besondere Empfehlung.
Fazit
Wavesink ist eine sehr technische App und sie genießt auf Android ein Alleinstellungsmerkmal für den DAB+-Empfang auf Tablet und Smartphone. Der Preis von 9,95 Euro ist moderat, weil ein Teil der Summe alleine an Lizenzgebühren für MPEG-4 HE fällig ist. Technisch betrachtet erscheint die App ohne Tadel. Über die heute gebotenen Empfangsleistungen hinaus, könnte Wavesink mit freigegebener Verstärkungsregelung wahrscheinlich seine gute Dekodierleistung noch besser in Szene setzen. Für Digitalradiofreunde auf Reisen, ist die App trotz der heute noch gültigen Einschränkungen bei Bedienkomfort und Funktionsumfang durchaus empfehlenswert.