Eine Menge Gegacker im Radiostall: Nach Jahren der Ruhe, will jeder Radiomacher plötzlich eine Meinung zum digitalen Radio haben. Zwischen DAB, DVB-H, DMB und DRM+ versteht der Hörer zwar nur Bahnhof, aber die gehäuften Treffen der Branche dienen scheinbar dazu, eine gemeinsame Position zu finden und damit Signale in den Markt zu senden, dass das Radio - entgegen aller Befürchtungen - in Deutschland digital werden könnte.
Das sich die Radioverantwortlichen jetzt so intensiv schlau machen, hat drei Gründe die in diesem Jahr eng zusammen treffen: Die Hörerzahlen zeigen die Abwanderung junger Hörer in das Internet. Die Wellenkonferenz in Genf hat für alle Länder Europas neue Frequenzkapazitäten für DVB und DAB im Gepäck. Mit UMTS-Radio, dem Handy-TV durch DMB und künftig mit DVB-H „kommen die Einschläge langsam näher”, wie es Thomas Melzer, Sprecher der Initiative Marketing Digitalradio, ausdrückte. Was er damit meint, ist sogar für Radioleute verständlich: Wenn man sich nicht selbst um das Thema Digitalradio kümmert, werden vor allem Mobilfunkbetreiber sich um die neuen Frequenzen bemühen. Die Frage ist also, ob man das Geschäft selbst machen möchte, oder es anderen überlässt.
Am 20. September 2006 trafen sich die Radiomacher in Berlin auf Einladung des „Instituts für Europäisches Medienrecht” beim Deutschlandradio, um sich zu informieren und die Möglichkeiten der Digitalisierung zu diskutieren. Das Onlinemagazin Telepolis hat hierzu einen ausführlichen und recht differenzierten Bericht geschrieben, der eine wirklich gute Zusammenfassung der gesamten Diskussion darstellt.
Auch die Tageszeitung hat die Veranstaltung besucht und es ist schon erstaunlich, wie unterschiedlich die inhaltlichen Eindrücke ausfallen können. „DAB ist gescheitert. Und doch wird sich DAB womöglich durchsetzen. Nur eben anders, als die Marketingstrategie à la Brechstange es sich ausgedacht hat”, glaubt die TAZ und räumt dem TV-Handy Chancen ein, was eher als Abfallprodukt auch DAB empfangen kann.
In Wahrheit geht es gar nicht um die Übertragungstechnik, sondern um die versendeten Inhalte. Sind die deutschen Radiomacher bereit, Geld für neue Programmkonzepte auszugeben und ungetestetes Neuland zu betreten? Die Öffentlich-Rechtlichen würden es gerne versuchen, doch die haben mit ihren rund 60 Wellen Chancen genug sich inhaltlich zu positionieren. Die Privaten denken mehr an die Technik und sich daraus ergebende Dialog- und Geschäftsmöglichkeiten. So wird man noch viel gackern müssen, bis sich gewinnspielmüde Hörverweigerer wieder mit dem Radio befassen.
Mehr Informationen:
[1] Institut für Europäisches Medienrecht.
[2] Telepolis-Artikel
[3] TAZ-Artikel