Beim digitalen Radioempfang besteht das Sendesignal aus Datenpaketen, die erst in einem digitalen Empfangsgerät wieder zu Musik oder Sprache werden. Neben den Datenpaketen für den Hörgenuss lassen sich ebenso Texte und Bilder übertragen.
Solche Datendienste ähneln in Ihrer Qualität und Übertragungsgeschwindigkeit mehr dem Internet als dem Videotext. Ab sofort kann sich Radio buchstäblich sehen lassen. Wir haben uns das einmal näher angeschaut.
Versierte Internetsurfer finden solche Datendienste möglicherweise trivial, doch wer künftig die zusätzlichen Servicedienste im Auto und zu Hause erst einmal für sich entdeckt, wird sie bestimmt nicht mehr missen wollen. Für Autofahrer dürften vor allem die Möglichkeiten im Bereich der Verkehrstelematik interessant sein. Etliche Dienste sind bereits heute on-air und ihre Möglichkeiten werden schnell weiter wachsen.
Mit Vera und Tanja gegen den Stau
Der WDR bietet einen Verkehrsdatenkanal im Digital Radio an. Das System hört auf den Namen Vera, als seien Staus per se weiblich. „Nein”, korrigiert uns Uwe Platzek von der WDR-Verkehrsredaktion, „das ist doch nur eine Abkürzung, die steht für Verkehrsnachrichten in Real-Audio, also Ve-RA” Der WDR sendet auf dem VeRA große Verkehrsschilder aus, die Staus auf einen Blick in einem Display erkennbar machen. Real-Audio - da dürften die Websurfer aufhorchen - ist ein komprimiertes Audio-Datenformat, wie es im Internetradio verwendet wird. Und so kann VeRA seine Verkehrsnachrichten auch brav aufsagen. Gerade im dichten Verkehrsgetümmel sollen die Autofahrer schließlich keine Bildschirmzeitung lesen. In Mitteldeutschland gibt es einen ähnlichen Sender, der auf den Namen Arvid hört. Es ist abermals eine Frauenstimme, die geduldig über Verkehrsstörungen referiert und das ohne Pause, rund um die Uhr. Tanja wurde die Stimme liebevoll getauft, ist aber wie die Vera in Nordrhein-Westfalen nur ein Softwareprodukt. Auch in Hamburg, Niedersachsen und Bayern laufen solche Kanäle. In Bayern, so sei für die Gleichstellungsbeauftragte kurz notiert, heißt die Computerstimme für Verkehrsstörungen übrigens Rainer.
Tatsächlich, so freuen sich die Entwicklungszentren für solche Datendienste in Deutschland, wie die Bayern Digital Radio (BDR), die Bayerische Medien Technik (BMT), das Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen (FHGIIS) oder das Institut für Rundfunktechnik (IRT), haben die Automobilhersteller begonnen, sich mit den Servicemöglichkeiten solcher Dienste auseinander zu setzen.
Digital Radio als Streckenposten
„UMIS” nennt sich ein Projekt der Bayern Digital Radio in Zusammenarbeit mit Fraunhofer-Gesellschaft. Natürlich wieder eine Abkürzung, die für ein Universelles Mobiles Informations- System stehen soll. Dahinter verbergen sich Infodienste, die standortabhängige Informationen liefern.
Für den Mobilfunkstandard UMTS gelten solche Dienste als Türöffner für den ganz großen Markt. „UMIS” funktioniert zwar ähnlich, allerdings kann ein Digitalradio-Empfänger seinen Standort nicht mitteilen. Die Einbindung von GPS-Daten eines Navigationssystems ist hier Schlüssel zu neuen Funktionen: Das Navigationssystem ermittelt die geografischen Koordinaten und das Digitalradio vergleicht die Koordinaten des eigenen Standorts mit dem UMIS-Datenangebot. Die ortsbezogenen Datenangebote, seien es Informationen zu einer Sehenswürdigkeit oder die Zimmerpreise eines Hotels, werden ebenfalls mit geografischen Koordinaten ausgestrahlt. Der Nutzer wählt nur noch aus, welche Art von Information er benötigt und in welchem Umkreis zu seiner eigenen Position nach solchen Angaben gesucht werden soll. Die passenden Nachrichten erhält der Autofahrer dann als Tondurchsage. Es ist auch denkbar, dass der Autofahrer einen angebotenen „Point of Interest” nahtlos in das Navigationssystem übergibt: So weist UMIS Reisende auf Sehenswürdigkeiten an der Strecke hin, oder führt ortsfremde Autofahrer bis vor die Tür des Hotels. Von dieser Entwicklung profitieren auch die vorhandenen Verkehrsdatendienste.
Künftig weiß das Radio, in welche Richtung der A3 man unterwegs ist und es werden nur noch relevante Verkehrsmeldungen angezeigt oder aufgesagt. Meine Top-News zu jeder Zeit, statt erst zur vollen Stunde Visueller Stauhinweis des WDR-Verkehrskanals. Bei Top-News handelt es sich um einen Nachrichtendienst, bei dem fortlaufend Audiofiles versendet werden. Der Benutzer kann die gewünschte Nachrichtenkategorie auswählen, zum Beispiel Sport und dann weitere Nachrichten durchblättern, etwa, um nur über den Verlauf einer Tour de France-Etappe informiert zu werden. Nur für solche Tondurchsagen wird das laufende Radioprogramm dann unterbrochen. So ist der Autofahrer unterwegs immer informiert, und das völlig unabhängig von den herkömmlichen Radio-Nachrichten.
Die Zeitung im Radio
Wer nicht im Auto sitzt, sondern zu Hause im Wohnzimmer Digital Radio hört, der kann währenddessen Online-Zeitung lesen, ohne ins Internet gehen zu müssen. Eine kleine, aber sehr aktuelle Onlineversion der Axel-Springer-Zeitungen „SportBild” und „Die Welt” findet der Digital Radio Nutzer im Raum Hannover. Der Datenkanal der AS-Content GmbH, Multimedia-Anbieter des Verlages Axel Springer, bringt die wichtigsten Schlagzeilen sehr zeitnah auf den Bildschirm: „Dabei vergeht zwischen dem Ereignis und der Aktualisierung eine Zeitspanne von einer bis maximal 15 Minuten”, erklärt Christoph Schneider, verantwortlich für den Bereich Konvergente Medienformate bei AS-Content. Radio gucken ohne Internetverbindung Die so genannten programmbegleitenden Daten können für Nutzer zu Hause praktisch sein. Bei Musiksendern sieht man schon die als nächstes gespielten Musikstücke, ja eine ganze eigene Programmzeitschrift lässt sich da unterbringen und die sieht genauso schick aus, wie die Homepage des Senders im Internet. Der einzige Unterschied; da man mit seinem Radioempfänger nicht antworten kann, gibt es keine Chaträume und kein Gästebuch. Wenn der Radiomoderator in seiner Sendung für weitere Informationen zu einer Konzertveranstaltung auf die Internet-Homepage verweist, werden künftige Digital Radio Benutzer nicht den Computer einschalten müssen, sondern die Informationen schnell von Radiodisplay ablesen können.
Die Datendienste funktionieren alle nach dem gleichen Schema. Sie werden ununterbrochen ausgestrahlt und stehen dadurch nach und nach immer vollständiger im Speicher des Digital Radios zum Abruf bereit. Geräteangebot noch mangelhaft Beliebter Zusatzdienst: Das Wetter im Sendegebiet. Einziger Wermutstropfen im Augenblick: das Angebot an Digitalradios, die solche Datendienste anzeigen ist recht bescheiden. Im Augenblick scheinen sich die Hersteller darum zu bemühen, möglichst erschwingliche Digital Radios in den Markt zu bringen. Doch Farbdisplays im Auto gehören in den gehobenen Fahrzeugklassen schon heute zum guten Ton.
Das EU-Projekt „Pretio” untersucht die Frage, wie solche neuen Datendienste im Digital Radio von den „Hörsehern” angenommen und somit wirtschaftlich tragbar betrieben werden könnten. Blaupunkt versucht im Rahmen des Pretio-Projekts, die visuellen Daten per Bluetooth, das ist eine besonders preiswerte Funkdatenübertragung mit geringer Sendeleistung und Reichweite, im Fahrzeug zur Verfügung stellen. So lässt sich auch ein Kleinwagen, mit Hilfe eines PDA-Taschencomputers, preisgünstig mit digitalreinen Radiosound und optischen Verkehrshinweisen ausrüsten.
Das Projektmuster dieser Datenlösung im Auto ist schon mal auf der Funkausstellung in Berlin zu bestaunen. Wer das alles partout nicht haben will, dem sei zur Beruhigung gesagt, das Radiohören mit einem Digitalradio funktioniert immer noch ganz einfach: Mit den Ohren!