Während die Privatradios in Deutschland inzwischen sehr diffus von einer digitalen Zukunft ihres Mediums träumen, die irgendwann in den nächsten Jahren Realität werden soll, präsentieren sich die Privatradios in der Schweiz weitgehend mutlos.
In Deutschland diskutiert die Branche angestrengt über Mobiltelefon-Plattformen, über adressierbare Inhalte und Downloads als Zusatzgeschäft. Sogleich von einer neuen Experimentierfreude zu sprechen, wäre allerdings weit übertrieben. Am liebsten würde man die weitere Entwicklung von DAB und Handy-TV erst einmal abwarten, um dann auf das richtige Pferd zu setzen. Diese Diskussion verschleiert den Umstand, dass kaum etwas über die neuen Inhalte zu vernehmen ist, die das digitale Radio beflügeln sollen. Selbst die auf den Münchner Medientagen vorgetragene erstaunliche Einigkeit des künftigen ARD-Vorsitzenden Fritz Raff und VPRT-Vizepräsidenten Dieter Hillmoth, der Gesetzgeber müsse einen verbindlichen Abschalttermin für UKW festlegen, bezog sich ausschließlich auf die Begrenzung der so ganannten Simulcast-Phase, also dem Zeitraum, in der auf den digitalen Wellen das gleiche wie auf UKW zu hören ist.
Wer traut sich in der Schweiz?
In der Schweiz tickt der Radiomarkt anders. Die derzeit ausgeschriebene DAB-Konzessionen verändern den Markt von Grund auf, weil die zweite Bedeckung mit Digital Radio auf ganze Sprachgemeinschaften zielt und nicht auf die lokalen, untereinander abgeschotteten Radiomärkte, wie sie heute auf UKW vorherrschen. Ist DAB in der Schweiz erfolgreich, wird der Radiomarkt mit seiner Konkurrenzsituation deutlich ungemütlicher. Da wundert es kaum, dass viele eidgenössischen Radiomacher das Thema DAB eher für ein unausweichliches Übel halten. Von innovativen neuen Programmideen ist nichts zu hören. In der Ausschreibung des Bundesamtes für Kommunikation BAKOM heißt es allerdings: „Für eine Konzessionierung fallen Programme in Betracht, die sich auf die deutschsprachige Schweiz beziehen und nicht bereits via UKW terrestrisch ausgestrahlt werden.“ [1]. Die Ausschreibungsfrist endet am 31. Oktober und man darf wohl gespannt sein, ob die Antragsteller inhaltlich mehr bieten wollen, als eine Festplatte, die nach einem Zufallsprinzip Jingles und Musik abdudelt.
Das Problem ist und bleibt der Inhalt
Der freie Journalist Christoph Lemmer, der dank seiner Monatskolummne im Online-Magazin Radio-Szene zum einem der meistgelesenen Kritiker der Branche zählen dürfte, ist alles andere als ein Freund des DAB-Radios. Dass die Formel „Innovation bringt Erfolg“ durch Technik statt durch Inhalt zu einer logischen Gleichung werden soll, leuchtet ihm nicht ein: „Es geht nur um eines: Möglichst viele Hörer, die auf UKW möglichst lange einschalten. Gemessen an dieser einfachen Tatsache verbringen manche Radiomacher überraschend viel ihrer knappen Zeit mit Themen, die heute und womöglich auch später höchst abseitig sind. Aus irgendwelchen Gründen geht es dabei immer irgendwie um Technik und eher weniger um Programm. Das meistmissbrauchte Business-Buzzword, Innovation, wird praktisch nur in technischen Zusammenhängen verwendet, merkwürdigerweise auch von Programmleuten.“ [2].
Skepsis als Taktik
Guiseppe Scaglione, Geschäftsführer von Radio105 und Radio Swiss Monte Carlo, lässt sich dieser Tage gerne als DAB-Skeptiker zitieren: „Zum heutigen Zeitpunkt ist es sehr fraglich, ob DAB überhaupt zum Durchbruch kommen wird, da es für diese neue digitale Radiotechnologie völlig neue Empfangsgeräte braucht. Bisher hatten die Konsumenten in ganz Europa jedenfalls kein Interesse an DAB-Radios“, erklärt Scaglione. Seine Sender setzten auf das Internet und erzielen immerhin rund 600.000 Streamabrufe pro Monat. Ferner sind seine Programme mit guter Abdeckung im Kabelnetz eingespeist [3].
Damit wird Guiseppe Scaglione seinem Ruf als Enfant terrible der eidgenössischen Radioszene vollauf gerecht. Er ging 2004 die BAKOM an, als sein Radio105 die UKW-Konzession in Zürich nicht für sich entschieden konnte und organisierte einen Hörerprotest. Auch das verabschiedete neuen Radio- und Fernsehgesetz belegt er mit einem Dauerfeuer der Kritik. Da DAB eine von der SRG forcierte Entwicklung ist, sieht Scaglione im DAB-Ausbau offenbar vor allem ein Instrument, um die Vormachtstellung der SRG zu zementieren.
Heute argumentiert er mit absurdem Zahlenmaterial gegen DAB und schleudert vermeintliche Fakten in die Welt, die jeder Grundlage entbehren. So behauptet er, 80 Millionen Deutsche hätten bislang nur 70.000 DAB-Radios gekauft. Diese Aussage ist falsch. Streng genommen gibt es keine wirklich gemessene Zahl über verkaufte DAB-Radios in Deutschland. Realistische Hochrechnungen sprechen von 400.000 Geräten. In Berlin und Brandenburg, so Scaglione weiter, sei man aus DAB ausgestiegen. Auch diese Aussage entspricht nicht der Wahrheit. In Italien ist der DAB-Ausbau praktisch zum Stillstand gekommen, wettert Scaglione weiter, ohne zu erwähnen, das Ex-Miniterpräsident Silvio Berlusconi eine vorangige Digitalisierung seiner eigenen TV-Sender vorangetrieben hat.
Und doch gibt es einen heimlichen Konsenz zwischen deutschen und eidenössischen Radiomachern: Je später die Digitalisierung des Radio kommt, desto besser.
Mehr Informationen:
[1] Bakom: Konzessionen für digitales Radio zu vergeben
[2] Bitter Lemmer: Play it again, Sam ...
[3] Radio105