Es vergeht keine Woche ohne neue Aspekte in der Diskussion um einen UKW-Ausstieg. Die Angaben zur DAB-Marktentwicklung sind widersprüchlich, aber keiner der Indikatoren lässt die Diskussion um die Festlegung eines UKW-Abschalttermins ratsam erscheinen.
Nimmt man die Funkanalyse Bayern unter die Lupe, herrscht beim Digitalradio DAB+ weitgehend Stillstand im Freistaat. Gerade einmal 47.000 Geräte hat die Empfängerpopulation zugelegt. Bei über einer Millionen DAB-Radios in Bayern liegt das schon im Bereich eines Messfehlers. Die Gesellschaft für Unterhaltungselektronik (GfU) sieht DAB-Radios als Trendprodukt. Demnach denken genauso viele Konsumenten über den Kauf eines DAB+-Radios nach, wie über die Neubeschaffung eines Smartphones. Bei rund jedem fünften der Befragten (22 %), steht offenbar die Anschaffung eines Digitalradios an. Der Verband der Elektroindustrie ZVEI stellte fest, dass 12,5 % aller gekauften Radios DAB+ empfangen können. Im Vorjahr seien es nur 8 % gewesen. Das ist eine klare Steigerung, aber auch Feststellung der Tatsache, dass von 100 gekauften Radios 87,5 eben kein DAB empfangen können. Auch der Verband der Automobilindustrie findet, die Kundennachfrage nach Digitalradio in Deutschland sei noch zu gering, um das DAB+-Radio zur Serienausstattung zu machen.
Genau wird man es erst mit dem Digitalisierungsbericht der Medienanstalten im Herbst 2015 erkennen können. Die Zahlen deuten aber darauf hin, dass die Schätzungen der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) mit knapp 1 Milllion verkauften DAB-Radios in einem Jahr zutreffen könnten. Da die GfK den Onlinehandel nicht mitzählt, werden in einem Jahr vielleicht knapp 1,4 Millionen DAB-Radios neu in die deutschen Haushalte gekommen sein. Absolut gesehen ist das angesichts von 40 Millionen Haushalten nicht allzu viel, aber man darf darauf hoffen, dass die Wachstumsraten durch eine wachsende positive Mundpropaganda weiter an Dynamik zulegen.
Weder der Nutzungsanteil des DAB-Digitalradios am Gesamtradiokonsum, noch die Netzabdeckung anno 2015 lassen eine Diskussion um eine UKW-Abschaltung realistisch oder sinnvoll erscheinen. Das Drängen der DAB-Lobby diese Debatte führen zu wollen, könnte ein strategischer Fehler sein. Selbst die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) will an ihrer Forderung eines festen UKW-Abschaltdatums für die weitere finanzielle Förderung der DAB-Aktivitäten von ARD und Deutschlandradio nicht länger festhalten. Dennoch glaubt die DAB-Lobby fest an die Wirkung eines UKW-Ausstiegsdatums, um den Konsumenten, der Industrie und den Autoherstellern zu zeigen, dass der Umstieg auf DAB+ eine unaufhaltsame und unumkehrbare Entwicklung ist. Zugleich brächte ein solches Datum die Skeptiker aus dem Lager der großen privaten UKW-Hörfunker unter Zugzwang, sich strategisch für oder gegen die Programmverteilung im klassischen Rundfunkverfahren zu entscheiden.
Man mag trefflich darüber streiten, ob ein UKW-Abschaltszenario dem Digitalradio wirklich hilft. Nach meiner Überzeugung werden solche Diskussionen unter Ausschluss der Hörerschaft geführt. Die UKW-Zwangsabschaltung ist - genauso wie die Idee, Gerätehersteller zu verpflichten, in Deutschland keine reinen UKW-Radios mehr anzubieten - ein ordnungspolitischer Sündenfall ersten Ranges. Ein gutes Programmangebot, einfache Bedienung und störungsfreier Empfang können beim Hörer die Kaufentscheidung beeinflussen. Dafür können Programmanbieter, Gerätehersteller und Netzbetreiber selbst sorgen.
Wenn die Politik gestalten will, hat sie mit der Lizenzierung, Frequenzzuweisung und mit der Erkenntnis, dass Breitband und Rundfunknetze ebenso wie Straßen und Schienen zur Infrastruktur eines Landes gehören, elegante Instrumente in der Hand, um marktkonforme Entwicklungen verstärkend zu begleiten.
Während die Diskussion um einen Abschalttermin völlig außer der Realität gefallen sein zu scheint, ist es durchaus geboten, Kriterien zu definieren, die dazu geeignet sind, eine solche Diskussion nochmals auf die Tagesordnung zu setzten. Auch so kann man Verlässlichkeit und Berechenbarkeit schaffen. Der Anteil der digitalen Hörzeit, die Durchdringung mit Radiogeräten, die weitgehend flächendeckende Verfügbarkeit der Angebote – all dies sind international gebräuchliche Währungen,k um zu berechnen, wann der analoge Hörfunk als verzichtbarer Verbreitungsweg auf das Abstellgleis bugsiert werden kann.
Am Ende eines Tages wird die UKW-Verbreitung schließlich auslaufen, damit die digitale Frequenzdividende – also die Netto-Einsparung an belegten Frequenzen für andere, neue Nutzungen verwendet werden kann. Der Weg zu einem Wechsel vom analogen zum digitalen Radio verkürzt sich nicht durch Abschaltdrohungen, sondern durch wachsende Akzeptanz des digitalen Angebots.