Dem DAB-Testbetrieb droht ein kapitaler Fehlstart. Kronehit, Österreichs reichweitenstärkster Privatsender, hat gestern bekannt gegeben, sich nicht am DAB-Test zu beteiligen. Der marktbeherrschende ORF hatte wohl schon in der Woche zuvor, seinen Ausstieg geplant und dies heute bestätigt.
Das aggressive Marketingkonzept zum DAB-Test gab für Kronehit-Chef Swoboda den Ausschlag die Reißleine zu ziehen. Seiner Ansicht nach ziele das Konzept darauf ab UKW zu beerdigen. Dr. Ernst Swoboda gilt nicht als glühender Befürworter von DAB. Er sieht im Webradio den Verbreitungsweg der Zukunft. Ein Wechsel auf die kostengünstigere Antennenverbreitung von DAB macht für ihn ökonomisch erst dann Sinn, wenn UKW zusehends seine Hörer an das Internet verloren hat. Digitalradio als eine Art Gnadenbrot der Terrestrik.
Der ORF, von den Medien in Österreich als Marktbeherrscher tituliert, hatte nie ein Eigeninteresse an der DAB-Verbreitung. Für ihn ist die UKW-Versorgung in der schwierigen Gebirgstopographie ein Faustpfand seiner marktbeherrschenden Stellung, die private Konkurrenz wirkungsvoll aus dem Markt hält. Das der ORF seinen Rückzug laut dem "Standard" mit der Nichterteilung einer Genehmigung für sein mit visuellen Elementen angereichertes Jugendprogramm Ö3 Visual begründet, ist eine argumentative Mogelpackung. Die Medienbehörde KommAustria stufte das Vorhaben als Fernsehprogramm ein, welches vom gesetzlichen Sendungsauftrag nicht gedeckt ist. Wenn aber jemand die Regularien der österreichischen Mediengesetzgebung sehr genau kennt, dann doch wohl der ORF. Hierhinter einen programmierten Fehlstart zu vermuten, erscheint nicht wirklich abwegig.
Update 25.3.: Die Regulierungsbehörde zeigt sich erstaunt über die Rückzugsbegründung des ORF. Ein Sprecher der KommAustria betonte gegenüber der österreichischen Nachrichtenagentur APA, Ö3 Visual habe nichts mit DAB+ zu tun. Es sei als neues Online TV-Programm gemeldet worden. Selbst der Behördensprecher mag da einfach nicht an ein Missverständnis glauben.
Einen DAB-Testbetrieb anzustoßen ist angesichts der Erfahrungen beim Sendernetzaufbau in der Schweiz und in Deutschland eigentlich überflüssig. Es sind keine neuen Erkenntnisse zu erwarten. Der Testbetrieb sollte ja vielmehr die Brücke in einen Regelbetrieb bauen. Ob die verbleibenden Veranstalter an dem Test nun festhalten werden, bleibt abzuwarten. Das es kleine und mittlere Radioanbieter sind, die auf UKW keine Expansionschancen sehen und sich deshalb für das Digitalradio engagieren, muss kein Nachteil sein, wenn das Programmbukett neue inhaltliche Farben in die Hörfunklandschaft bringt.
Einen DAB-Start ohne Krone, stört uns nicht die Bohne, dachten DAB-Fans gestern noch. Aber heute, ohne Unterstützung des marktbeherrschenden öffentlich-rechtlichen Rundfunks, droht ein Scheitern noch vor dem Start.
Update 7.5.: Die Medienbehörde KommAustria startet spätestens im ersten Halbjahr 2017 mit digitalem Radio DAB+. Der Zeitpunkt ist im aktuellen Digitalisierungskonzept festgeschrieben. Offen ist lediglich wie viele technische Plattformen ausgeschrieben werden. Dies soll vom Pilotversuch in Wien und vom Betreiberinteresse abhängig sein. Der Regelbetrieb soll 2018 starten.
ORF und das einzige bundesweite Privatradio Kronehit beherrschen den Radiomarkt und haben sich aus dem Pilotversuch zurückgezogen. Die Vermutung liegt nahe, dass sie fürchten, ihre jetzige Marktstellung zu verlieren.