Für Radiomacher und Propheten bieten die Medientage in München heuer allerhand. Heute wurde das Internetradio mit spitzen Fingern angefasst.
Überspitzt gesagt, über die Webradiopropheten und Start-ups lächeln die etablierten Radiomacher – obgleich inzwischen leicht gequält. Die Radio-Revolution wurde schon im Jahr 2000 vorausgesagt, aber die „New Economy” platzte während dessen die konventionellen Radiomarken überlebten. Ob sich die Geschichte abermals wiederholt, weil das Internet immer noch kein billiges Rundfunkmedium ist, nun manche im Saal mögen das wohl hoffen, aber die Zahlen sprechen inzwischen eine andere Sprache.
Die Blaue Stunde...
Während der klassische UKW-Hörfunk gerade bei jüngeren Hörern zusehends an Reichweite und Hördauer verliert, wächst die Nutzung von Internet-Radios kontinuierlich. Zur analogen Radiowelt entsteht eine digitale Parallelwelt auf der Plattform Internet. Medienberater Prof. Dr. Klaus Goldhammer sprach von einer „Blauen Stunde” des Hörfunks – allerdings waren sich die Teilnehmer des Webradio-Panels nicht einig, ob die Sonne nun auf oder untergeht.
Blaue Stunde – so wird die Stunde vor Sonnenauf- oder nach Sonnenuntergang genannt. Für Goldhammer beschreibt dieser Begriff die momentanen Veränderungen in der Hörfunknutzung. Er prognostiziert auf der Basis einer Breitband-Versorgungsquote von achtzig Prozent für das Jahr 2012 zwischen 16 und 29 Prozent wöchentliche Online-Radionutzer in Deutschland. Die Online-Werbeeinnahmen von Internet-Radios würden auf etwa 28 bis 38 Millionen Euro jährlich steigen. Das ist schon eine Portion des Werbekuchens, das auf UKW verloren gehen könnte.
Parallelwelten im Web
Neben Radio-Streams boomten derzeit personalisierte Angebote (zum Beispiel last.fm), „User Generated Radio” wie das Angebot von laut.fm oder so genannte Mash-ups, also die Verschmelzung unterschiedlicher Inhalte zu neuen Angeboten im Web. Die unter 30-Jährigen würden diese Angebote extrem nutzen: „Da entsteht einen neue parallele Welt”, erläuterte Goldhammer.
Die wachsende Akzeptanz von Online-Radios konnte auch Dr. Oliver Ecke von TNS Infratest bestätigen: Nach Zahlen aus der Funkanalyse Bayern für den Zeitraum 2005 bis 2008 ist die Hördauer der 14- bis 19-Jährigen in der analogen Welt um 21 Prozent zurückgegangen, die Radionutzung über das Internet hingegen im gleichen Zeitraum um 39 Prozent gestiegen.
Valerie Weber, Programmdirektorin und Geschäftsführerin von Antenne Bayern, bietet für junge Internet-Radiohörer eine ganze Liste von Antenne-Programmen mit den unterschiedlichsten Musikrichtungen im Netz. So könnten die Hörer an die Marke Antenne Bayern gebunden werden. Für den zukünftigen Erfolg des Flagschiffs Antenne Bayern seien jedoch wie bisher die Moderatoren des Senders verantwortlich: Die brächten die emotionale Note, die kein last.fm bieten könne.
Rainer Tief, Programmbereichsleiter für Jugend und Multimedia beim Bayerischen Rundfunk (BR), sieht neue Chancen für Wortinhalte. Was wäre, wenn man das Wort zielgruppengenau über Internet zur persönlichen Musikplaylist dazumischt? 2,2 Millionen BR-Podcast-Downloads pro Monat, laden hier zu neuen, spannenden Experimenten ein.
Immerhin, bei radio.de sieht man in den Top10 neben den großen UKW-Radioprogrammen sehr viele Musikspartenprogramme. Erfolgreich seien auch Musikrichtungen, die von den „Mainstream-Radios” nicht bedient werden könnten, erklärt radio.de Marketing-Direktor Bernhard Bahners. Audiomark, der Internetradiovermarkter sieht darin Werbechancen. Hier könnten Zielgruppen angesprochen werden, die sonst nicht erreicht werden.
Hauptsache laut trommeln
Über so viel Idealismus wird gelächelt. Bei quu.fm macht man hingegen ein „cooles, lifestyliges Programm” mit redaktionellen Inhalten, die zum Beispiel von Vorzeigemoderatoren wie Bärbel Schäfer und Ray Cokes präsentiert werden. Wenn die Webrechnung da mal aufgeht.