Die Digitalisierung des Hörfunks ist ein deutsches Sorgenkind. Ein neues Positionspapier der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM) unterbreitet Vorschläge, wie dem Markt neue Impulse gegeben werden könnten. Das Papier begrüßt den neuen DAB-Audiocodec, erwägt eine Grundverschlüsselung und empfiehlt gesetzliche Regelungen, um mehr Radiogeräte mit Digitalempfang in den Markt zu drücken.
Die Analyse ist umfassend und zutreffend, die Vorschläge zur Stärkung der Bemühungen, den Hörfunk in eine digitale Zukunft zu überführen, sind bunt gemischt. Wie das neue Übertragungssystem für den Hörfunk heißen wird, haben die Landesmedienanstalten bewußt offen gelassen. Danach hält man DRM und HD-Radio vorläufig für unbeachtlich. Stattdessen konzentriert man sich auf DAB, DMB und DVB-H.
Vorfahrt für das digitale Radio
Das Papier stellt klar, dass DAB das letzte Verfahren ist, das rein zur Übertragung von Audioinhalten (abzüglich möglicher Datendienste) gedacht ist. Die Landesmedienanstalten setzen sich dafür ein, dem Radio bevorzugt terrestrische Übertragungsmöglichkeiten einzuräumen und wenden sich gegen eine völlig medienneutrale Füllung der Frequenzen. Da alle anderen in Rede stehenden Verfahren auch Fernsehen übertragen können, sollte der Finanzkraft der TV-Veranstalter ein Korrektiv entgegen gesetzt werden, das dem Hörfunk Bestandsmöglichkeiten einräumt. Radio soll einen Nutzungsvorrang erhalten. Frequenzen sollen erst dann anderen Nutzungen als dem Radio zugesprochen werden, wenn die Radioveranstalter von den angebotenen Frequenzen keinen Gebrauch machen.
Die Zukunft von DAB
Digitalradio funktioniert im deutschen Markt derzeit nicht. Diese Aussage der Landesmedienanstalten ist nicht ganz neu, hat doch die Technische Kommission der Landesmedienanstalten TKLM in einer Studie aus dem Jahre 2004 der ganzen Idee von DAB Digital Radio schwerwiegende Geburtsfehler attestiert. Die Landesmedienanstalten gehen nur von 50.000 bis 100.000 DAB-Radios in Deutschland aus. Eine Zahl, die ebenso wenig fundiert oder glaubwürdig ist, wie die aus unerfindlichen Quellen stammenden 800.000 Geräte, die zur Funkausstellung in Berlin auftauchten und in der Presse zitiert wurden. Das Fehlen konkreter Verkaufzahlen stellt offensichtlich ein ernsthaftes Problem dar, weil politische Entscheidungen ohne belastbare Zahlengrundlage gefällt werden könnten.
des DAB-Standards und empfehlen, den neuen Standard für alle neuen DAB-Ensembles
einzuführen. Bisherige DAB-Radios würden demnach von den neuen Programmen
ab 2008 nicht profitieren. Bestehende DAB-Ensembles sollen allerdings vorerst
weiter in der alten Norm ausstrahlen. Für die Landesmedienanstalten steht
fest, dass der Radiohörer in regelmäßigen Abständen in eine neue Radiotechnik
investieren muss. Allerdings stellen sich der Direktorenkonferenz in Verbindung
mit der neuen digitalen Programmvielfalt etliche Fragen, die noch erörtert
werden müssen. Darunter die Frage, ob diese Vielzahl digitaler Radioprogramme
noch allein mit Werbung finanzierbar sein wird. Ferner zeichnet sich ab, dass
T-Systems die finanziellen Risiken für den Netzaufbau künftig nicht mehr voll
übernehmen wird. Müssen also alle Radioveranstalter in einen Digitalisierungsfond
einzahlen? Ist eine Grundverschlüsselung der DAB-Signale erforderlich, um
über Nutzungsentgelte das Netz und die Inhalte mit zu finanzieren? Reichen
die Programmkapazitäten gar zum Aufbau von Pay-Radio-Angeboten? Haben private
Sendernetzbetreiber einen fairen Zugang zum Markt?
Neue Veranstalter statt Simulcast
Neben derartigen Schreckgespenstern bietet das Positionspapier aber auch Lösungsvorschläge für unmittelbar bestehende Probleme an. Dabei wird das DAB-Sendeleistungsmanko ebenso thematisiert wie die digitale Abbildung des so genannten “Overspills” auf UKW (UKW-Sender reichen üblicherweise weit in das benachbarte Bundesland hinein, DAB-Sendernetze sind hingegen sehr scharf auf die Landesgrenzen zugeschnitten). Beim Zugang ins Digitalradio wünschen sich die Landemedienanstalten weniger Simulcast (Programme, die man auch schon auf UKW hören kann), sondern weit mehr neue Programmideen. So könnten Veranstalter die derzeit keine oder keine nennenswerte UKW-Verbreitung haben, bevorzugt auf das Digitalradio gelotst werden. Man unterstellt solchen neuen Anbietern mehr Aktivitäten, um ihr Programm und den Übertragungsweg zu bewerben, als etablierten Radiomarken, die sich auf UKW geschäftlich gut eingerichtet haben.
Mehr Digitalradios im Handel
§ 48 TKG 2004 Interoperabilität von Fernsehgeräten
(1) Jedes zum Verkauf, zur Miete oder anderweitig
angebotene analoge Fernsehgerät mit integriertem
Bildschirm, dessen sichtbare Diagonale 42 Zentimeter
überschreitet, muss mit mindestens einer von einer
anerkannten europäischen Normenorganisation
angenommenen Schnittstellenbuchse ausgestattet
sein, die den Anschluss digitaler
Fernsehempfangsgeräte ermöglicht.
angebotene analoge Fernsehgerät mit integriertem
Bildschirm, dessen sichtbare Diagonale 42 Zentimeter
überschreitet, muss mit mindestens einer von einer
anerkannten europäischen Normenorganisation
angenommenen Schnittstellenbuchse ausgestattet
sein, die den Anschluss digitaler
Fernsehempfangsgeräte ermöglicht.
Eine Zwangsabschaltung von UKW zugunsten von Digitalradio soll es nicht geben, weil Radio überwiegend analog per Antenne empfangen wird. Dennoch kennt das Telekommunikationsgesetz (TKG) für den Bereich Fernsehen eine Förderung der digitalen Empfangsfähigkeit seit 1998. So müssen TV-Geräte ab einer bestimmten Bildschirmgröße eine Schnittstelle zum Anschluss einer Settop-Box besitzen. Analog hierzu regt die Direktorenkonferenz an, eine gesetzliche Regelung zu finden, die mehr digitale Radiogeräte in den Handel bringt.
ARD-Überkapazitäten
Die VPRT-Kritik haben sich die Direktoren der Landesmedienanstalten durchaus zu eigen gemacht. Mehrfachversorgungen der ARD-Wellen auf UKW sollen abgebaut werden. Von den freigesetzten Frequenzen sollen der nationale Hörfunk (Deutschlandfunk und Deutschlandradio) sowie die Privatradios profitieren. Trotz aller Visionen zur Digitalisierung legt das Positionspapier nahe, das analoge UKW-Sendernetz neu zu organisieren.
Kommentar
In dem Positionspapier stecken viele gute Ansätze, die die Politik dringend weiterverfolgen sollte. Auch wenn DAB oder DAB+ nur als eine Möglichkeit zur Radioübertragung gesehen wird, zeigen die konkreteren Ausführungen, dass nur DAB sich derzeit national und international in einem rechtlich verbindlichen Entwicklungsrahmen bewegt. Weniger Simulcast, mehr neues Programm, Nutzungsvorrang für den Hörfunk auf neuen Frequenzen, all das sind Bausteine zu Zukunftssicherung des Hörfunks in Deutschland. Mutig der Gedanke, Hersteller und Handel gesetzlich zu verpflichten, Digitalradios anzubieten, wenngleich die konkrete Ausgestaltung einer solchen Regelung den engen Grenzen des EU-Wettbewerbsrechts ausgesetzt sein dürfte. Die Konsumenten benötigen heute vor allem Sicherheit. Ein Radio ist kein PC, der nach Belieben mit neuer Software nachgerüstet werden kann. Alle Schritte, vor allem die Forderung, den neuen DAB-Audiostandard nach MPEG-4 einzuführen, ist nur in enger Absprache mit den Geräteherstellern möglich. Der Hörer erwartet für seine Investition in ein neues Radiogerät einen Gegenwert, in Form einer verbindlichen Nutzungsdauer und die Zusicherung eines ausreichenden Programmangebots. Ein Umstiegsfahrplan auf MPEG-4 ist in Deutschland nun ebenso dringend erforderlich, wie ein Mehrheitskonsens der Veranstalter, sich heute festzulegen, über welche Übertragungsplattform man gedenkt, in den nächsten zehn Jahren neue Programme aufzulegen. Andernfalls wird die Akzeptanz der Radiodigitalisierung bis zum Kunden auf der Strecke bleiben. Eine Reorganisation des analogen UKW-Rundfunkbandes ist hingegen kontraproduktiv. Es sorgt für mehr empfangbare UKW-Programme und dürfte, angesichts der rund 300 Millionen UKW-Radios in Deutschland, jeden privatwirtschaftlichen Impuls in die Digitalisierung zu investieren, bereits im Keim ersticken. Wenngleich die UKW-Radionutzung weiter sinkt, eröffnet ein Zugewinn an UKW-Reichweite den Privaten steigende Werbeeinnahmen und zementiert die Vorherrschaft des analogen Radios, weil sich keine wirtschaftlichen Zwänge ergeben, auf digitale Übertragungswege zu setzen.