Am 28. Mai 2015 geht die Diskussion um die Einführung des digitalen Hörfunkstandards DAB+ in eine neue Runde. 14 Programme sollen im Großraum Wien auf Sendung gehen. Der ORF und Österreichs größtes Privatradio Kronehit sind vor dem Start ausgestiegen. Das Austrian Rock Radio bekam angesichts des geräuschvollen Ausstiegs auch noch kalte Füße und verzichtete auf seinen Digitalradiostart.
Die digitalen Programme im Großraum Wien werden von verschiedenen Radiostationen betrieben – von bekannten Radiosendern wie Radio Arabella, Radio NRJ, Lounge FM bis hin zu Special-Interest-Sendern wie dem Klassiksender Radio Stephansdom oder Radio Maria. Aber auch Radio-Newcomer gehen an den Start: Radio Technikum, ein Radiosender der FH Technikum Wien, oder Herold.at.
Neben den bekannten UKW-Stationen werden damit auch zehn neue Programme ausgestrahlt, die nur über DAB+ zu empfangen sind und damit die Programmvielfalt in Österreich erweitern, darunter ein junges, christliches Musikformat oder wissenschaftlich-technische Doku-Sender. Auch das Filmmusikradio SoundTrax ist vorgesehen, sobald eine Lizenz erteilt wurde.
„Radio benötigt einen eigenen, kostengünstigen, terrestrisch-digitalen Verbreitungsweg. Nur so kann es als unabhängiges Medium langfristig bestehen. Eine reine Verlagerung des Radios ins Internet ist keine Alternative, weder hinsichtlich der Kosten noch hinsichtlich der Unabhängigkeit in der Verbreitung“, stellt Wolfgang Struber, stellvertretender Obmann Verein Digitalradio Österreich, fest. Die digitale terrestrische Verbreitung selbst ermöglicht rein technologisch eine größere Vielfalt: War bisher für ein UKW-Programm eine Sendestation notwendig, so können digital rund 15 Programme über einen einzigen Sender ausgestrahlt werden.
Es ist nicht das erste Mal, dass Wiener Luft mit DAB-Radiowellen in Berührung kommt. Von 1999 bis 2008 lief in Wien fast neun Jahre ein Versuchsbetrieb mit vier ORF-Programmen, von dem die meisten Wiener wohl nichts mitbekommen haben. In den Regelbetrieb hat es das Digitalradio nicht geschafft.
Mit dem Pilotbetrieb der heute startet, ändert sich diese Situation vorerst nicht, auch wenn eine Ausweitung des Sendebereichs und die Überführung in den Regelbetrieb in Aussicht gestellt wurde. Während der ORF seinerzeit aber feststellte, dass es keinen Bedarf für Digitalradio gebe, ist die Situation seit heute dann doch neu. Die Programme, die nun in Wien auf Sendung gehen, proklamieren einen Bedarf für Digitalradio. Mit Digitalradio DAB+, so die Hoffnung der Teilnehmer, stiegen die Chancen auf terrestrische Verbreitung – und dies in der schwierigen Gebirgstopografie mit geringerem technischen Aufwand und Kosten. Mit einem DAB+-Regelbetrieb würde in Österreich eine neue Zeitrechnung beginnen, in der die Marktdominanz des ORF überwunden werden kann.
Es geht also um weit mehr, als um einen technischen Versuch. Es geht darum, dem Radio mehr Pluralität und Vielfalt einzuhauchen. Schon die ersten Pressereaktionen lassen vermuten, dass den Österreichern ein Zugewinn an Vielstimmigkeit im Radio zugestanden wird. Einige Elektronikdiscounter in Wien werben bereits damit, alles für den Empfang von Digitalradio im Angebot zu haben. Für einen Testbetrieb eher ungewöhnlich. Eine rege Kundennachfrage wäre natürlich ein starkes Signal, die Weichen zur Radiodigitalisierung rasch zu stellen.