„DAB frisst das analoge Radio.“ Mit dieser Prognose hat James Cridland garantiert all jenen im Publikum Hoffnung gegeben, die nach dem Fehlstart von DAB nichts Gutes von seinem Nachfolger DABplus erwarteten. Aus Großbritannien jedenfalls kämen in Bezug auf die digitale Hörfunkübertragung nur Erfolgsmeldungen, berichtete der Managing Director von Media UK. DABplus werde sich in Deutschland viel schneller durchsetzen als in Großbritannien, sagte der Radiofuturologe Cridland in seiner Keynote beim 24. Medienforum.NRW über die digitale Perspektive des Hörfunks. Dies gelte vor allem, da jetzt die großen deutschen Autohersteller endlich DAB-Geräte in ihre Fahrzeuge einbauten.
In Schweden jedenfalls verfolgt der öffentlich-rechtliche Hörfunk eine strikte wie simple Digitalstrategie: „Für alle überall“. Was so viel heißen soll wie: Wir kommen zum Hörer, egal wo er ist. Und das inkludiert nach Ansicht von Mats Åkerlund, Chef der Digitalstrategie bei Sveriges Radio, auch die gute alte Radioübertragung. „Vor fünf Jahren haben in meinem Sender viele die lineare Verbreitung von Hörfunk als altmodisch abgeschrieben“, berichtete Åkerlund. Das sei sicherlich ebenso falsch gewesen wie die Haltung, das Internet als Feind zu betrachten, bilanzierte der Schwede, der auch Chairman der EBU New Media Group ist.
Sveriges Radio (SR) sei nach wie vor eine Erfolgsgeschichte, berichtete Åkerlund. Mit seinen vier Wellen erreiche der Sender sieben Millionen Hörer pro Woche Schweden hat nur etwas mehr als neun Millionen Einwohner. SR stehe im Ranking der glaubwürdigsten Marken mit 78 Prozent Zustimmung an erster Stelle, noch vor Ikea (64 Prozent) und der königlichen Familie, die es nur auf 24 Prozent bringe, sagte Åkerlund. Aber auch als glaubwürdigste Marke des Landes leide der Hörfunkprogrammanbieter unter ähnlichen Problemen wie andere Radiostationen in Europa. Vor allem junge Leute kehrten dem Hörfunk den Rücken, beklagte der Radiomanager. Mit großem Interesse habe man den Start von DABplus in Deutschland verfolgt. „Die schwedischen Sender wollen diese Technologie auch, brauchen dafür aber staatliche Hilfe“, räumte Åkerlund ein. In dieser Strategie sieht sich der Schwede von der European Broadcasting Union (EBU) unterstützt. In einem Papier zum Digitalradio habe die EBU die Notwendigkeit nationaler digitaler Radiostrategien unterstrichen.
Sveriges Radio selbst habe zurzeit vor allem das Smartphone im Blick, über das bereits sechzig Prozent der Schweden verfügten, erklärte Åkerlund: „Um junge Leute zu erreichen, sind diese multitaskingfähigen Mobiltelefone genau die richtige Plattform.“ Dabei verfolge der Sender mehrere Strategien. Man verhandle seit Januar mit Spotify, einer erfolgreichen Firma, die kostenlose Musikstreaming-Software anbietet. Achtzig Prozent der jungen Schweden hätten sich dieses Angebot bereits heruntergeladen, und Sverige Radio werde künftig seine Programme darüber zur Verfügung stellen. Eine andere viel versprechende Strategie sei der sogenannte eingebettete Radioplayer, erläuterte Åkerlund. Andere Medien könnten diesen Player auf ihre Online-Seiten stellen und dort einzelne Audio-Dateien aus dem SR-Radioprogramm abrufbar machen. Auch Tageszeitungen würden diese Möglichkeit immer stärker nutzen, sagte Åkerlund – ein Szenario, das in Deutschland wegen des anhaltenden Streits zwischen den öffentlich-rechtlichen Sendern und den Zeitungsverlagen nur schwer vorstellbar ist.
James Cridland, selbst ernannter Radiofuturologe und Managing Director Media UK, forderte die Radiomacher auf, sich aus alten Denkmustern zu verabschieden. „Unterschiedliche Menschen wollen unterschiedliche Inhalte auf unterschiedlichen Wegen“, resümierte Cridland und brach damit eine Lanze für Multimediaplattformen, die seiner Ansicht nach die Basis für das Radio der Zukunft seien. Bei all der Individualität dürfe man aber eines nicht vergessen, forderte Cridland: „Radio muss simpel sein.“ Media UK nutze nur einen einzigen Player, um die Inhalte im Internet zu verbreiten. Diesen hätten schon 7,1 Millionen Menschen heruntergeladen. „Und alle die fragen wir nach ihre persönlichen Vorlieben.“ Wer so vorgehe, könne Werbespots individualisieren und anschließend zehnmal höhere Preise dafür verlangen, freute sich der Medienmanager und Berater.