Die alljährliche Rezension des „Hörzu Radio Guides“ könnte zum reinHÖREN-Ritual werden. Nach Jahren des leidvollen Verisses markiert die aktuelle Ausgabe ohne Frage eine Wende zum Besseren.
Senderübersichten, Frequenztabellen und redaktionell Halbgares - damit quälte sich das gut gemeinte Jahrbuch zum deutschen Radio über die Runden. Dieses Jahr hat sich ein ganzes Team über das Projekt „Hörzu Radio Guide“ hergemacht, mit dem festen Ziel, diesen Titel als Standardwerk zu neuem Glanz zu verhelfen.
Auf der einen Seite hat das Buch natürlich etwas dokumentarisches, denn die Frequenztabellen und Senderstandorte haben auch in der aktuellen Ausgabe überlebt, auf der anderen Seite sind die redaktionellen Geschichten ausgeweitet worden.
Das Thema Digitalradio hat ebenso in der Neuauflage wieder Berücksichtigung gefunden. Statt PR-Lobreden berichtet die Redaktion dieses Jahr, für DAB reiche es offenbar nur noch zur Grabpflege. Korrekt wird der Streit um die Freigabe der KEF-Mittel dargestellt.
Doch gerade die Lesestrecken machen klar, dass der „Hörzu Radio Guide“ seine inhaltlichen Linien noch nicht gefunden haben kann. Die Beiträge über die Radiolandschaft in Hessen dürfte wohl ein Verschnitt aus sendereigenem Textmaterialien sein, die Strecke über die Senderlandschaft des Salzburger Landes ähnelt den Stationsportraits aus der Kurzwellenhörerszene und spätestens die Beschreibung der Kreuzdipolantennenanlage des Senders Mainflingen, geschrieben von einem Mitarbeiter der Firma Transradio Sendersysteme, macht klar, dass am gemeinen und mithin ratsuchenden Radiohörer immer noch vorbei geschrieben wird.
An anderen Stellen geht das Buch hingegen unserer Meinung nach in die richtige Richtung. So schafft der Radio-Guide dieses Jahr den Schwenk auf das Internetradio. In kurzer Form geht das Buch auf Player-Software ein, listet einige wichtige Webradioportale auf und weist auf diverse Aufnahmemöglichkeiten von Webradio hin. In einer Kurzübersicht werden acht WLAN-Internetradios gegenübergestellt. Dabei verstieg man sich sogar auf den Versuch, die Datenbankgrößen miteinander zu vergleichen, was wegen der ständigen Fortentwicklung und Beweglichkeit der Zahlen zumindest ein Wagnis ist. Das Thema Radio auf dem Smartphone kam hingegen ein wenig zu kurz.
Ebenfalls enthalten ist ein Kapitel zum Thema Radioempfang über Satellit, inklusive Hinweisen zur Auswahl eines Radio-geeigneten DVB-S-Tuners.
Mit stolzen 466 Seiten ist der Radio Guide 2010/11 ein gewichtiges Nachschlagewerk zu einem mit 14,90 Euro höchst moderaten Preis geworden. Möglich wird es unter anderem durch einige Seiten mit Werbeanzeigen, doch das ist bei solchen Jahres-Nachschlagewerken ganz normal.
Was das Autorenteam nicht verhindern kann, ist die Dokumentation der inhaltlichen Krise, mit dem das Radio zu kämpfen hat. Verwertbare Programmhinweise gibt es nur bei den öffentlich-rechtlichen Programmen. Im Privatradiobereich sieht man viele Moderatorenfotos. Der weit überwiegende Teil zeigt die Hosts der unvermeidlichen Morgenshow. Das letzte private Radioformat, bei dem einem Moderator im Radio überhaupt noch eine tragende Programmfunktion zugeschrieben werden könnte.
Die schier endlosen Programmübersichten mit Claims und gelegentlichen, stets dünnen Selbstbeschreibungen der Programminhalte nähren zwangsläufig Fragen nach der Zukunft des Radios überhaupt.
Die Autoren des „Hörzu Radio Guide“ müssen diese Frage natürlich nicht beantworten. Mit dem überarbeiteten Konzept hat man eine viel versprechende Richtung eingeschlagen. Werden die guten Ansätze konsequent weiter verfolgt, sind wir auf die nächste Ausgabe schon richtig gespannt.