In den USA versucht man ebenfalls, das Radio ins Digitalzeitalter zu führen. Beim Antennenempfang soll HD-Radio die Kastanien aus dem Feuer holen - bisher mit mäßigem Erfolg. Doch die Wirtschaftskrise bekommt HD-Radio in gewisser Weise gut.
HD-Radio verwendet ein Verfahren, mit dem das analoge UKW- oder Mittelwellensignal um eine digitale Signalkomponente erweitert wird. Wer einen HD-Radioempfänger besitzt, empfängt das Digitalsignal, inklusive eventuell aufgeschalteter Subkanäle; wer nur über ein Analogradio verfügt, empfängt UKW und Mittelwelle wie gewohnt analog.
Einige Jahre schon dümpelt das Verfahren am US-Markt herum, ohne die Konsumenten beeindrucken zu können. Die Industrie meldete Ende letzten Jahres, die erste Million HD-Radios sei produziert worden. Etliche von ihnen liegen noch auf Halde und in den Regalen der Händler.
Nach vier Jahren, großen Marketingkampagnen und angesichts 305 Millionen Einwohnern darf man getrost von einer Fehlzündung sprechen.
Zwar weist die Datenbank der obersten Fernmeldebehörde FCC alleine 1.428 UKW-Stationen aus, die hybrid, also analog und mit HD-Signal auf Sendung sein sollten sowie weitere 268 Mittelwellenstationen, aber die Genehmigungsliste allein belegt längst nicht, dass die Stationen tatsächlich auch digital senden. Jetzt, in Zeiten der Krise, scheuen wohl auch nicht wenige, Geld für die Senderumrüstung - im Schnitt rund 100.000 US-Dollar - in die Hand zu nehmen.
Fragt man nach den Gründen für den mangelhaften Marktanklang, wird man durchaus Parallelen zur DAB-Marktentwicklung in Deutschland finden.
New York Times empfiehlt HD-Radio
Trotzdem hält der einflussreiche Technik-Kolumnist David Pogue von der New York Times die Zeit für reif, eine Lanze für das HD-Radio zu brechen. Trotz Millioneninvestitionen in Werbung und Verbraucheraufklärung sei HD-Radio nach wie vor unbekannt. Eigentlich, so findet Pogue, zu unrecht. Pogue testete etliche HD-Radios in den vergangenen drei Jahren und kommt heute zu dem Schluss, die Technik sei ausgereift und der Klang von HD-Radio markiert seiner Ansicht nach sehr wohl einen Fortschritt. Gegenüber der alte Mittelwelle sowieso, doch auch im Vergleich zu UKW kann HD-Radio einen gewissen Vorsprung geltend machen.
Jetzt in der Krise, in der das erfolgreich verbreitete SirusXM-Satellitenradio schon kurz vor der Insolvenz stand und sich die Automobilindustrie schon nach Alternativen umschaut, ist HD-Radio wieder interessant. Und auch die US-Verbraucher könnten weich werden: Während das Satellitenradio immerhin 13 US-Dollar Gebühr pro Monat kostet, sind die HD-Radio-Programme kostenlos. Die Endgerätesituation für HD habe sich gebessert und die Preise starten inzwischen bei 80 Dollar (derzeit 61 Euro).
Eine Antwort auf die Frage, warum HD-Radio kaum Nachfrage entzündet, hat David Pogue aber auch: Konfusion der Verbraucher. Es hätte Jahre gebraucht, den US-Radiohörern zu erklären, wie die Sache mit den Satellitenradio läuft und nun kommt mit HD-Radio wieder etwas Neues um die Ecke und es käme mit Vokabeln wie Hybrid-Mode und Shadow-Channels. „Erklären Sie das einmal ihrem Großvater“, frotzelt Pogue.
Überhaupt sei das Programmangebot noch zu klein, um gegen den Satelliten anzutreten und die Stationen scheinen nicht das Geld zu besitzen, mehr zu investieren, als das UKW-Programm auf HD umzusetzen.
Washington Post bleibt skeptisch
David Pogues Kollege Rob Pegoraro von der Washington Post sieht HD-Radio und seine Marktchancen dagegen etwas kritischer. Zwar sieht er nun, wo große Autohersteller wie Mercedes, Ford, Kia und Hyundai HD-Radio als Option und Volvo HD-Radio als Serienausstattung anbieten, ebenfalls Aufhellungen, aber das Angebot von Home-Theatre und echten Hifi-Anlagen mit HD sei nicht nur dünn, sondern auch teuer. Weiterhin beanstandet er, dass sich mobile Radios mit HD noch gar nicht im Angebot befänden.
Es käme hinzu, dass die Programmauswahl unzureichend sei und er bilanziert zu viel Simulcast und kaum exklusive Programminhalte für HD.
Trotz immer wiederkehrender Beteuerungen seien im Handel HD-Radios auch nicht wirklich präsent.
In einem sind sich David Pogue und Rob Pegoraro aber einig: Über den Berg ist auch HD-Radio noch lange nicht.
Vermarktungsprobleme a la carte
Parallelen zu den DAB-Jahren zwischen Hoffen und Bangen, die in Deutschland noch immer nicht ganz Vergangenheit sind: Auch hier klangen Meldungen von zahlreichen DAB-exklusiven Programmen in den Jahren 2005 und 2006 wie eine Wende aus dem Schattendasein, doch Dank der Programmtrennung nach Bundesländern, kamen für den durchschnittlichen deutschen DAB-Neuhörer selten mehr als drei DAB-Exklusivprogramme aus dem Lautsprecher.
Wie in den USA ist der Empfang von DAB-Sendungen mit Zimmerantennen nicht allerorten von Erfolg gekrönt. Zu gering die Feldstärken, zu weit weg der nächste Sender; Phänomene, die sich DAB in Deutschland und HD-Radio in den USA immer noch teilen.
Zugleich wird es schwierig, mit großen Handelsketten zu kooperieren, wenn in Teilen der Bundesstaaten kein Empfang zu realisieren ist.
Es gibt – auch das eine Parallele zur deutschen DAB-Entwicklung – einige besonders hartnäckige Kritiker des Systems, die in akribischer Kleinarbeit, jedes zu hinterfragende Detail zur Verstärkung der eigenen Verweigerungsthesen versuchen, an die große Glocke zu hängen. Die ergiebigste „Schmähseite“ ist das Blog „Is HD-Radio a farce?“ unter http://hdradiofarce.blogspot.com. Die Fragestellung ist jedoch irreführend, denn der Blogger hat die Antwort längst. Einige seiner Fundstücke sind kurios, andere durchaus lesenswert.
Den Hörer nicht auf der Rechnung
Doug Myrland von KPRS San Diego, einem Radio der öffentlich-rechtlichen NPR, kommentierte die Einführung von HD-Radio durchaus süffisant: „Gerade als Du gedacht hast, die Explosion der neuen Audio- und Videogeräte mit ihren zahllosen Optionen könnte gar nicht mehr verwirrender sein, kommt das gute alte Radioprogramm von KPBS mit einer weiteren technologischen Neuerfindung des 21.Jahrhunderts, von der Du nicht wusstest, dass Du sie brauchen würdest. Sagt hallo zu HD-Radio.“
Pikant wird der Link vom HD-kritischen Blog zum Radiosender vor allem, weil das Blog auf der Startseite berichtet, dass die FCC den öffentlich-rechtlichen Rundfunk bei seinen HD-Radioausstrahlungen finanziell unterstützen muss.
Weit weniger tendenziös ist das Blog „hear2.0“, eines gewissen Mark Ramsey, der sich selbst als einen der Vordenker der Medienindustrie bezeichnet. Das klingt so polternd, wie seine Vorträge unterhaltsam sind.
In einer Konvergenz-Konferenz im März 2008 wunderte sich Ramsey, dass sich der Radioexperte Kurt Hanson über die Zukunft des Radios ausließ, ohne auch nur ein einziges Mal das Wort HD-Radio in den Mund zu nehmen.
Er referierte über die Chancen und Möglichkeiten des Internetradios. Kein Zweifel, auch Kurt Hanson ist der Ansicht, die Zukunft des Radios liegt im Internet. Gerade am 20. April 2009 veranstaltete er ein ausgebuchtes Internetradio-Summit in Las Vegas, bei dem sich sogar deutsche Radiomacher blicken ließen.
Ramsey beobachtete zudem, dass jeder Vortrag, in dem das Stichwort HD-Radio fallen gelassen wurde, von den Radiomachern mit einem genervten Stöhnen beantwortet wurde. Nach alledem schließt Ramsey daraus: „HD-Radio war etwas, das die Industrie wollte. Die Hörer hatte man dabei nicht im Sinn.“
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