Wer dieser Tage diverse Quellen studiert, kann die Kopflosigkeit von Politik und Veranstaltern in Sachen Digitalradio kaum fassen. UKW bleibt von der EU und von der Landesanstalt für Kommunikation in Stuttgart unangetastet, während Sachsen-Anhalt nahe legt, am UKW-Switch-off 2010 festzuhalten.
m Zusammenhang mit dem Medientreffpunkt Mitteldeutschland in Leipzig legt der Verein Digitaler Rundfunk Mitteldeutschland eine Sonderausgabe seines Newsletters „Meinungsbarometer Digitaler Rundfunk“ vor, der eine längst überfällige Klärung der EU-Position zum Thema Hörfunk enthält.
Während sich EU-Mediakommissarin Viviane Reding für die Systemfrage beim mobilen Handy-TV für zuständig hält, um den EU-Markt zu entwickeln, lehnt sie erstaunlicherweise im gleichen Atemzug jede Zuständigkeit für die Digitalisierung des Hörfunks ab. Bei gleicher Gelegenheit stellt sie zudem klar, dass sich die in EU-Dokumenten zitierten Switch-Off-Termine der EU-Mitgliedsstaaten ausschließlich auf das Fernsehen, nicht aber auf den Hörfunk beziehen.
In der gleichen Ausgabe lobt der sachsen-anhaltinische Ministerpräsident Dr. Wolfgang Böhmer die Entschlossenheit seiner Landesmedienpolitik. Bis 2010 sollen die analogen Radio- und TV-Techniken ausgedient haben. Zwar sei bis über das Jahr 2010 hinaus einiges zu tun, um eine UKW-Abschaltung zu realisieren, aber dennoch verweist er auf die klaren Weichenstellungen der großen Privatradios, die sich für Digitalradio einsetzen. Auch das Internetradio könne dabei eine Rolle spielen.
Der Präsident der Landesanstalt für Kommunikation LfK, Thomas Langheinrich, verrät bei einem Auftritt vor baden-württembergischen Zeitungsverlegern die Digitalisierung biete neue Chancen, sich lokal und regional im Radio zu profilieren. UKW bliebe jedoch unangetastet, meinte Langheinrich.
Im Grunde bedeutet diese Aussage wohl, dass man nur warten müsse, bis die Platzhirsche auf DAB gewechselt sind, damit Zeitungsverlage die Chancen auf freigewordenen UKW-Kapazitäten für sich nutzen könnten.
Hitradio Antenne 1 stellt den DAB-Betrieb in Baden-Württemberg samt Nachrichtenkanal ein. Für die Privaten und ihre UKW-Frequenzen bleibt dies alles ohne Folgen. Nur, wer soll denn eigentlich die digitale Dividende bringen, die Platz auf UKW schafft?
Dem Journalisten Helmut Merschmann vom Evangelischen Pressedienst ist das Gezerre um den digitalen Hörfunk ebenfalls höchst suspekt. Und er tröstet sich mit der Formel: „Medienpolitik zieht eben an verschiedenen Enden in verschiedene Richtungen und ist - als Konsequenz aus der Digitalisierung - immer auch Wirtschafts- und Standortpolitik. Selten aber Verbraucherpolitik.“ Lieber Kollege, vom Verständnis einer Wirtschafts- und Standortpolitik ist dieser förderalstimmige Polit-Jazz in Deutschland doch wohl weit entfernt.
Mehr Information:
Meinungsbarometer Digitaler Rundfunk (MTM-Spezial)
LfK-Präsident: Chancen für attraktive neue Angebote
EPD-Medien: Intermedial und crossaktiv - Wie der Hörfunk von morgen aussehen könnte (Leseempfehlung)