Eine vom Bundesverkehrsministerium veröffentlichte Studie zur Digitalisierung des Hörfunks kommt zu dem Ergebnis, dass Digitalradio DAB+ am ehesten die heutigen und künftigen Anforderungen an den Radioempfang in Deutschland erfüllen kann. Doch die Migration von UKW auf DAB+ wird ohne gesetzgeberische und regulatorische Maßnahmen nicht gelingen.
Man müsse die Stärken der Infrastruktursysteme Mobilfunk und Rundfunk verknüpfen, sagte die die Parlamentarische Staatssekretärin Dorothee Bär in ihrem Grußwort zur Vorstellung der Studie in Berlin. Zugleich lud Sie die Teilnehmer ein, den Umstellungsprozess zum Digitalradio gemeinsam zu gestalten. Das neu gegründete Digitalradio-Board soll die wichtigsten Weichenstellungen auf dem Weg zum UKWexit benennen.
Die Autoren der Studie, das Institut für Rundfunktechnik und das Institut für Europäisches Medienrecht, legen den geplanten Umstieg von UKW auf DAB+ nahe. Nach der Lektüre des 130 Seiten starken Werks lässt sich allerdings sagen, dass dort keine grundlegend neuen Argumente für einen Umstieg von UKW auf DAB+ zum Vorschein kommen. Der Reiz der Studie liegt eher im Detail, zum Beispiel in einer Gesamtkostenbetrachtung, wie viel Betriebskosten über den DAB-Betrieb im Vergleich zu UKW eingespart werden kann. Aufschlussreich sind auch Vergleiche zu anderen Übertragungsstandards wie DRM+ und eMBMS, letzteres ein LTE-basiertes Rundfunkverfahren. Es zeigt sich, dass Verweise auf andere - im Fall von LTE vermeintlich fortschrittlichere, mobilfunknahe Verfahren - nicht mehr sind, als bloße Nebelkerzen.
Politische Handlungsspielräume erkennen
Für die politischen Entscheidungsträger ist vor allem der rechtliche Überblick, den die Studie bietet, von besonderem Wert. Tatsächlich ist der Spielraum des Gesetzgebers, eine zügige UKW-Abschaltung zu erreichen, beschränkt. Beschränkt, weil der Rundfunk Ländersache ist. Beschränkt auch, weil wirtschaftliche Subventionen nur mit Mühe europarechtskonform ausgestaltet werden können. Dennoch enthält die Studie Fingerzeige auf mögliche Gestaltungsräume bei der Regulierung und differenziert hierzu die Zuständigkeiten zwischen Bund und Länder genau aus. So ist etwa die Umstellung auf Digitalradio im Rahmen der Frequenzzuweisung zwar Ländersache, benötigt aber eine bundesgesetzliche, parlamentarisch abgesegnete rechtliche Grundlage, die es zu schaffen gelte.
Völlig richtig stellt die Studie den derzeitigen Status quo im deutschen Rundfunkgeschäft dar: Die Hörfunklandschaft auf UKW befindet sich nach Jahrzehnten des Nebeneinanders von öffentlich-rechtlichem Hörfunk und privatem Radio in einem fein-säuberlich austarierten Gleichgewicht zwischen Versorgungsauftrag und Wirtschaftlichkeit. Zudem sind die Nutzungszahlen und Hördauern bemerkenswert stabil. Eine Notwendigkeit zur Digitalisierung seitens der etablierten Radiomacher gibt es nicht – und der Hörer hat sich mit der Situation längst arrangiert. Ohne politisches Eingreifen würde UKW also noch lange weiter fortbestehen.
Keine neue Ausgangslage
Deshalb werden die reichweitenstarken UKW-Hörfunker von den Verheißungen blühender Digitalradio-Landschaften nicht beeindruckt sein. Positive Beispiele für völlig neue Wertschöpfungen, wie Pop-up-Radios (Australien) zur Begleitung publikumsstarker Events oder dynamische, mit Internet-Inhalten verlinkte Slides sind zwar interessant, bedeuten für Radiounternehmen aber stets, mit einer eigenen terrestrischen Digitalstrategie voll ins unternehmerische Risiko gehen zu müssen. In Zeiten, in denen vielen Radiohäusern der Mut fehlt, vom typischen AC-Format abzuweichen und im Vergleich zum Fernsehen nicht viel Geld in Programm und Innovation investiert wird, ist in der Branche keine Aufbruchstimmung erkennbar.
Auch Hörfunknetze sind Infrastruktur
Die Aussicht auf einen Roundtable zur Hörfunkdigitalisierung auf ministerieller Ebene weckt hohe Erwartungen. Aller Widrigkeiten zum Trotz ist es ein bedeutendes Signal, einen schlüssigen Fahrplan vorzulegen zu wollen, der eine klare Roadmap auf dem Weg zum UKWexit enthält. Der Leitgedanke, eine Digitalisierung des Hörfunks als nationale Infrastrukturaufgabe zu begreifen, ähnlich dem Breitbandausbau und der Energiewende, scheint in Berlin damit angekommen zu sein.