Es gibt Bücher, von denen man nicht glauben würde, sie seien interessant. Ein Buch über Funkuhren, wen mag das denn interessieren? Das Rezensionsexemplar harrte also einige Tage geduldig aus, bis ich des schlechten TV-Programms müde war. Heute weiß ich, dass ich ohne dieses kaum 90-seitige Büchlein nie erfahren hätte, wo die Ursekunde zu Hause ist.
Der Siebel-Verlag hat ein kleines Buch mit dem schnöden Titel „Zeit und Frequenz“ herausgegeben. „Mit Bauanleitungen für Funkuhren“, preist das Cover und verspricht Funkuhren, Atomfrequenznormale und Zeitübertragungsdienste.
Der Verlag kommt thematisch aus der Kurzwellenhörer-Szene, so hatte ich Sendeinformationen der Zeitzeichenstationen erwartet. Für Funkamateure und Kurzwellenhörer sind die Zeitzeichensender ein guter Indikator zur Prüfung von Ausbreitungsbedingungen. Solche Informationen sind tatsächlichenthalten. Sich eine Funkuhr als Bausatz zu beschaffen und zusammen zu bauen, ist vielleicht auch noch ein kleines Nischenthema, aber was das Autorenteam um Gerd Klawitter zur Entstehung der modernen Zeitmessung mittels Atomuhren zu berichten weiß, ist schließlich hoch spannend: So erfährt man, dass im Parc de Saint-Claude bei Paris die internationale Atomzeit herausgegeben wird. Ferner kann man sich mit den Funktionsweisen der Atomuhren vertraut machen, um später sicher über die Rubidium-Gaszellen-Normale und die Genauigkeit einer Cäsium-Fontainenuhr zu referieren.
An manchen Stellen wird der unbedarfte Leser dann doch etwas überfordert. Zum Beispiel werden die Genauigkeiten solcher Atomuhren mit einer „Unsicherheit“ von 1 x 10 -15 beschrieben. Der Hinweis, dass 10-15 einer Gangabweichung von einer Sekunde in 20 Millionen Jahren entspricht, findet sich jedoch beim Uhrenvergleich nicht.
Dennoch ist mein Urteil eindeutig: Wer mehr über die Zeitmessung und Definition erfahren möchte, findet in dem Buch „Zeit und Frequenz“ eine spannende Lektüre für Minuten.
Der Preis von 16,80 Euro ist hingegen hoch gegriffen. Doch das weltweite Recherchieren des zu Grunde liegenden Materials und seine weitgehend verständliche Zusammenfassung kostet nun weitaus mehr Zeit und Mühe als das Lesen der kleinen Broschüre. Zudem ist mit dem profanen Titel keine hohe Auflage zu machen: „Die Geburt der Sekunde“ oder „Gefährlich genau: Leben mit Atomzeit“, so etwas hätte ich jedenfalls weit spannender gefunden.