Digital Radio ist gut für Spartenmusikkanäle - in einem Ensemble mit sieben bis acht Kanälen findet auch ausgefallenere Musik Platz. Nova Radio hat sich der Elektronik- und Dance-Musik verschrieben - und schaltet dazu auch live in die entsprechenden Clubs.
Das hat München gerade noch gefehlt. Nova Radio startete zunächst als Nachrichtenkanal. Seit dem 03.03.03 um 3 Uhr 33 - diese Schnapszahl fiel übrigens auch noch auf Rosenmontag - ist man jedoch mit moderner elektronischer Musik auf Sendung: Von Ambient über House in seinen Varianten bis zum E-Jazz ist alles vertreten. Dabei kann die Musikauswahl sicherlich nicht mit den soften Chill-Outs von Radio Deluxe verwechselt werden. „Wir sind - besonders in den Abendstunden - härter und progressiver”, findet Stationschef Markus Stein. Dabei arbeitet Nova Radio auch intensiv mit der im Londoner Digital Radio sehr engagierten Station „Ministry of Sound” zusammen.
Drei feste und acht freie Mitarbeiter sind für Nova Radio tätig; die Sendeleistung im L-Band beträgt an fünf Standorten in und um München insgesamt 5000 Watt. Zusätzlich ist man auch im Kabel in München und im Münchner Umfeld zu hören.
Prädikat: Mainstreamfrei!
München ist ein sehr gutes Pflaster für alle Schattierungen der E-Musik. Täglich sind bei Nova Radio „Aufleger” und „Labelheads” zu Gast am Mikrofon, um brandneue „Dubs” an einem begeisterungsfähigen Publikum auszuprobieren. „Wir sind definitiv mainstreamfrei”, verkündet Musik-Redakteur Sven Jacobsen, ein Mann mit vielen guten Kontakten, denn anders sind Hochkaräter wie Björn Wilke (Hablando Records und Mudanza) nicht so ohne weiteres in ein Sendestudio zu locken. Gast-Mixe führender DJs, das ist die Stärke von Nova Radio: Carsten Scholz aus Köln moderiert eine Stunde am Dienstagabend, im „Muschihaus” freitags von 20 bis 22 Uhr gibt es von Größen wie Brian Tappert, Howard McDonald, Sumo (Schweden) oder dem Deep-House-Experten Harley & Muscle aus Italien etwas auf die Ohren. Jacobsen ist sich sicher: „Wir haben nur gutes Zeug am Start!” Dazu gehört auch eine Sendung mit Mike S., der einst als Musikchef des ersten deutschen DJ-Radios „Evosonic” für Furore sorgte und nun bei Nova Radio eine regelmäßige Sendung hat.
Erst Ibiza, dann München
In den Münchner Clubs profitiert man von der Party-Szene auf Ibiza. Jacobsen: „Erst bringen die DJs auf Ibiza am Samstag das Publikum zum Kochen und zehn Stunden später stellen die sich dann in München an die Turntables.” Das sind Events, die sich Nova Radio natürlich nicht entgehen lässt. Ob Berlin, Amsterdam oder London, die musikalischen Einflüsse sind vielschichtig. Zusammen mit „Ministry of Sound”, möchte man schon bald eigene Live-Radio-Partys starten und in das Münchner Digital Radio-Ensemble einspeisen. Dank der Technik, mit der Nova Radio Live-übertragungen realisiert, ist es vollkommen egal, ob die Party nun in München oder London steigt.
über das Internet ins Digital Radio
Für Nova Radio bietet die digitale Verbreitungstechnik in der Kombination mit dem Internet ideale Möglichkeiten, live in die Szene einzutauchen.
Markus Stein, der Gründer von Nova Radio, ist mit seiner Firma Mediatron seit zehn Jahren Lieferant computergestützter Sendesysteme.
Derartige Sendeablaufsteuerungen können Programme automatisieren und das ist sowohl bei öffentlich-rechtlichen als auch Privatsendern absolut üblich: In den Nachtstunden wird das Programm inklusive der Einblendung von Nachrichtenzuspielungen und vorproduzierter Ansagen („Voicetracking”) vollautomatisch gefahren und auch am Tage starten die Discjockeys meist nicht mehr schwarze Scheiben oder kleine Silberlinge, sondern Dateien von einer Festplatte. Das Konzept von Radio Nova beweist, dass Automatisierung und Live-Events kein Widerspruch sein müssen.
Tatsächlich lässt das System problemlos Live-Einspielung zu, und zwar nicht wie branchenüblich über proprietäre ISDN-Codecs, sondern kostengünstig über DSL oder andere Internet-Verbindungen, die in größeren Musikclubs heute meist schon vorhanden sind. Auch die Verbindung zum Telekom-Einspeisepunkt in den Multiplex kommt ohne teure Standleitung aus. So lassen sich die Kosten für derartige Liveschaltungen enorm reduzieren.
Eine Idee mit Geschichte
Live-Schaltungen aus Discos und Clubs haben übrigens eine gute Tradition im bayrischen Privatradio. Schon der erste Sender „Radio Bavaria International” sendete 1978 die Top 50 aus der Disco „Bavaria”. Allerdings gelangte die Sendung damals noch per Tonband von der Disco in Kolbermoor zum Sender in den Südtiroler Bergen.
Als die ersten privaten Stationen direkt aus München senden durften, wurden auch echte Liveschaltungen aus Discotheken möglich. „Star*Sat”-Radio von Jo Lüders und Peter Pelunka wurde sogar in einer solchen eröffnet und „89,0 Hit FM”, der spätere Sender von Peter Pelunka, sendete am Wochenende abends regelmäßig aus Clubs
Der Geist von Lüders und Pelunka lebt also - wenngleich mit stark gewandelten Musikfarben - auch im Digital Radio weiter.
Björn Jost von Nova Radio zur verwendeten Technik
Nachdem die Idee zur Verwirklichung eines Senders für rein elektronische
Musik für das Münchner Digital Radio bereits weit vorangeschritten war, mussten noch die technischen Herausforderungen gemeistert werden. Dabei stand für uns die Einsparung hoher Leitungskosten im Vordergrund. Die ganzen überlegungen hatten schlussendlich zur Folge, dass ein ganz neues Studiokonzept ins Leben gerufen wurde, das vBC - virtual Broadcast Center. Dort haben wir den komplexen Ablauf einer Radiostation auf nur vier Höheneinheiten eines 19-Zoll-Gestellplatzes abgebildet. Dies bedeutet, dass wir unseren Server direkt im Telekom-übergabepunkt unterstellen können und so die Kosten für eine Standleitung entfallen. Wir können so den gesamten Sendeablauf über das Internet abwickeln: Für die Live-übertragung eines Signals inklusive Fernsteuerung des Systems reicht ein DSL-Anschluss; geht es nur um die Fernsteuerung, also die Programmierung und das Starten zuvor eingespielter Sounddateien, so reicht sogar eine Handyverbindung.
Die Produktion einer Sendung ist deshalb nicht mehr an einen festen Ort wie das klassische Sendestudio im Funkhaus gebunden. Man kann von jedem Ort der Welt mit Internetanschluss und geeignetem Equipment aus arbeiten. So können Moderatoren und Redakteure weltweit auch von zuhause oder eben von Veranstaltungsorten aus auf Sendung gehen. Für eine Live-Sendung benötigen wir nur einen Laptop mit unserer Media-Taxi-Software, einen DSL-Internetzugang und eine beliebige Tonquelle wie beispielsweise das Audiosignal vom Mischpult des Discjockeys. Das Umschalten zum Club und zurück auf die Automation oder in ein anderes Studio wird automatisch dem Sendeplan entsprechend gesteuert. Es muss also kein Mitarbeiter bei uns im Haus extra für die nächtlichen bis zu sieben Stunden langen Liveschaltungen auf bleiben. Wir müssen deshalb auch nicht wie andere Stationen bereits lange bevor der Club schließt zurück ins Studio schalten: Unsere Hörer können live dabei bleiben, bis die Putzkolonne kommt.