Etwa 100 Besucher folgten der Einladung der österreichischen Regulierungsbehörde RTR in Wien zur Veranstaltung ”Digitales Radio – wann, wie und warum?“ am 22. November 2006. Langsam aber sicher wird Digitalradio auch in Österreich zum Thema. Sogar bei den Radioveranstaltern wird die Digitalisierung des Hörfunks inzwischen für notwendig erachtet.
Zahlreiche Vertreter der österreichischen Privat-Rundfunklandschaft, wie Life Radio, Radio U1, Kronehit, Arabella und Radio Osttirol bekundeten durch den Besuch der Veranstaltung ihren Informations- und Abstimmungsbedarf. Auch ORF und ORS waren mit geballter Mannschaft vertreten.
Die wichtigsten Aussagen zur Digitalisierung des Radios kamen von der Regulierungsbehörde RTR selbst. Hier ist man sich im Klaren, dass kein Weg an DAB vorbeiführen wird. Auf der Funkverwaltungskonferenz RRC 06 konnte sich Österreich ausreichende Übertragungskapazitäten sichern. Vorerst sind drei Band-III-Bedeckungen im Detail koordiniert. Die zugesprochene Kapazität für weitere vier VHF-Bedeckungen ist vorhanden, aber noch nicht ausgearbeitet. Erst nach der vollständigen Umstellung des analogen terrestrischen Fernsehens auf DVB-T und entsprechender Nachfrage könnten diese Kapazitäten zum Einsatz gelangen.
Anders als in Deutschland ist die maximale Sendeleistung der einzelnen DAB-Sender kein Thema. Die unsinnige, in Deutschland existente Beschränkung von einem Kilowatt auf dem VHF-Kanal 12 gibt es in Österreich nicht. Die künftigen österreichischen DAB-Kanäle dürfen mit 10 kW senden. Hofrat Franz Prull, stellvertretender Leiter der KommAustria, räumt jedoch ein, dass es zu gewissen Einschränkungen in Grenznähe zu Deutschland kommen wird. Hier werde man nicht die vollen 10 kW ausschöpfen können. Die Voraussetzungen für einen problemlosen Indoor-Empfang seien dennoch geschaffen.
DAB-Startschuss ab 2008
Nahmen noch vor nicht einmal einem Jahr österreichische Hörfunk-Veranstalter eine überwiegend negative Haltung zu DAB und der Digitalisierung des Radios ein, hat sich diese Meinung grundlegend gewandelt. Inzwischen scheint man erkannt zu haben, dass Digitalradio viele Möglichkeiten bietet, Radio wieder attraktiver zu machen und neue Geschäftsfelder zu entwickeln. All zu schnell wird DAB aber nicht in Österreich Einzug halten. Gegenwärtig ist man mit der Einführung von DVB-T voll und ganz ausgelastet. Sobald sie weitgehend abgeschlossen sein wird, wird man sich, zumindest seitens ORF/ORS, dem Thema DAB-Digitalradio annehmen. Erste Vorarbeiten werden bereits geleistet. So wurde auch das über Satellit verbreitete Hitradio Ö3 unter diesem Aspekt mit der Videokomponente erweitert.
Etwa ab 2008 könnte der DAB-Startschuss fallen. Unmittelbar mit der DVB-T-Einführung hängt auch die Verfügbarkeit der weiteren DAB-Bedeckungen im VHF-Band-III zusammen. Erst nachdem die Frequenzen von analogen TV-Sendern im In- und benachbarten Ausland geräumt sind, stehen sie für DAB tatsächlich bereit.
Wohl kein MPEG-4 zum Start
Ein Schwerpunkt des Tages war natürlich das Thema DAB und MPEG-4 AAC. So wurde bekannt, dass die Information, DAB mit einem neuen Komprimierungsstandard auszustatten, durch Unachtsamkeit etwa ein Jahr zu früh an die Öffentlichkeit gelangt sei. Man wollte zuerst der Industrie Gelegenheit geben, sich auf den neuen Standard vorzubereiten. Man ist sich einig, dass es keinen Sinn macht, einen Übertragungsstandard zu starten, für den es noch keine Endgeräte gibt. Ein realistisches Szenario für Österreich, aber auch für Deutschland ist, vorerst DAB weiterhin ausschließlich im MPEG-1, Layer 2 zu betreiben und erst in etwa fünf Jahren behutsam auf den neuen Standard zu wechseln. Vorausgesetzt, dass genügend preiswerte Empfangsgeräte, die beide Normen beherrschen, verfügbar sind.
Mobiler TV-Empfang scheint von der RTR eindeutig auf der Basis von DMB favorisiert zu werden. DVB-H wurde zwar erwähnt, man sieht aber offensichtlich keine Chance, dafür in Österreich ausreichende Frequenzen bereitstellen zu können.
HD-Radio für den Lokalfunk?
Als weiterer Digitalradio-Standard wurde HD Radio unter die Lupe genommen. Hier sieht man eventuell Chancen für kleine Radiobetreiber, die wegen ihres geringen Versorgungsgebiets nicht in einen DAB-Multiplex passen. Seitens der RTR war zu hören, dass HD Radio besser funktioniere, als man ursprünglich erwartet hatte. Durch die technische Koexistenz von analogem UKW- und digitalem HD-Signal ließe sich das Verfahren möglicherweise in die bestehende österreichische UKW-Landschaft integrieren. Das Gespräch mit einem Vertreter des HD-Radio-Pioniers in Europa, der schweizerischen Ruoss AG, machte allerdings auch klar, weshalb etliche Privatradios dieses System favorisieren: Mit HD-Radio lassen sich potenzielle neue Konkurrenten vom bestehenden Radiomarkt fernhalten. Nachdenklich sollte auch stimmen, dass sich die Ruoss AG in der Schweiz inzwischen auch auf ausgeschriebene DAB-Übertragungskapazitäten beworben hat.
Veranstaltung mit Signalwirkung
Die Veranstaltung ”Digitales Radio – wann, wie und warum?“ zeigt den Weg Österreichs in Richtung Digitalradio DAB auf. Von der Veranstaltung ging vor allem das Signal aus, dass sich die Radioveranstalter für die Digitalisierung ausgesprochen haben. Die geschaffenen Rahmenbedingungen dürften sowohl bei den öffentlich-rechtlichen wie kommerziellen Radiobetreibern Interesse geweckt haben.