Im Gegensatz zu UKW- und DAB-Radios besitzen Internetradios eine deutlich aufwändigere Software-Steuerung. Die Gerätetests von reinHÖREN belegen hinlänglich, dass die Software erheblich mehr Lücken und Mängel offenbart als die Hardware. Die Lösung vieler Mängel liegt darin, zu warten: auf Updates, die einem im Zweifelsfall alle Hersteller versprechen – ohne freilich einen genauen Zeitpunkt zuzusichern.
Nicht umsonst legen wir bei den Tests großen Wert darauf, dass den Geräten eine Anleitung beiliegt und die Bediensprache mindestens auf deutsch umgeschaltet werden kann. Geräte, denen diese beiden Eigenschaften fehlen, erhalten einen Wertungsabzug. Das Ablegen der umfangreichen Anleitung irgendwo zur Selbstbedienung im Internet ist bei vielen Herstellern beliebt und sollte Webradiobesitzern keine Probleme bereiten, ein Ärgernis ist es dennoch: Das Radio ist ein physikalisches Gut und man darf eigentlich eine vollständige physikalische Lieferung erwarten.
Bei den Herstellern haben sich leider weder unsere Bewertungskriterien herumgesprochen noch teilen sie unsere Auffassung davon, was ihre Kunden (und unsere Leser) erwarten. Viel zu oft drängt sich daher der Verdacht auf, dass die Geräte in einem möglichst kurzen Produktionszyklus auf den Markt geworfen werden sollen, Hauptsache, der Kunde kauft die Hardware. Vor Weihnachten gibt es diesbezüglich einen besonderen Drang der Hersteller, neue Webradios in den Verkauf zu schieben. Softwaremängel lassen sich dank automatischer Updates aus dem Netz schließlich auch nach Weihnachten noch kurieren – zumindest theoretisch.
Unfertig, unvollständig
Besonders augenfällig war der Fall beim jüngst neu erschienenen „Sensia“ des britischen Radioherstellers Pure. Beim „Sensia“ punktete Pure mit einem neuen Bedienkonzept; Software-seitig beeindruckte das Gerät hingegen eher mit seinem unfertigen Zustand. Mehr noch, dem Radio fehlten sogar beworbene Eigenschaften und Features. Beim „Facebook“-Zugang vertröstete der Vertrieb auf das kommende Update im Januar. Man bat uns um Verständnis dafür, dass nicht alles sofort perfekt laufen kann. Irgendwann laufe das Radio so wie auf touchmyradio.com angepriesen. Das „frühe Sensia“ ist damit also kaum mehr als ein ungefähres Produktmuster. Eine deutsche Bedienungsanleitung war ebenso wenig verfügbar; auch auf der englischsprachigen Internetseite war eine ausführliche Anleitung, die über das mitgelieferte Quick-Manual hinausging, nicht aufzutreiben.
Für den engagierten Qualitätshersteller Pure ist der schwache Sensia-Frühstart mehr als unverständlich, denn er ramponiert vollkommen unnötig das über lange Jahre aufgebaute positive Markenimage. Mit unserer Kritik am Pure Sensia sind wir bei reinHÖREN übrigens nicht allein. Die britische PC Professional kommt in ihrem Test zum gleichen Ergebnis wie wir und listet das Sensia sogar in den Top 10 der Tech-Flops 2009. Die übrige britische Presse formuliert etwas zurückhaltend, dem Produkt fehle es an Politur. In unserem ausführlichen Test des Pure Sensia, nachzulesen in der kommenden Neuausgabe von „WLAN-Internetradio“, erhält das Radio zwar keinen Verriss, doch die 4-Sterne-Wertung war denkbar knapp und nährt sich an der Hoffnung, dass das Gerätekonzept sein funktionales Potenzial durch Updates tatsächlich ausschöpfen können wird. Ein Radio als Spekulationsobjekt.
Eine instabile Firmwareversionen fiel 2008 auch beim Test des Albrecht DR-315 auf. Inzwischen ist das Gerät zwar längst nachgereift, doch waren jene Bedienschritte, die beim Test zielsicher zum Absturz führten, keinesfalls exotisch. Wie konnten so offensichtliche Instabilitäten anfangs überhaupt unentdeckt bleiben? Fehler in der Software, die nur in seltenen Anwendungsfällen zu Problemen führen, sind möglicherweise hinnehmbar, aber Fehler, die zu einer erheblichen Funktionsbeeinträchtigung im Alltagsgebrauch führen, stellen einen Sachmangel dar.
Beim nächsten Patchday wird alles gut
WLAN-Internetradios sind für die Hersteller in zweierlei Hinsicht etwas Neues. Erstens besitzt ihre Software eine bisher nie da gewesene Komplexität und zum Zweiten kann die Produktnachbesserung über das automatisierte Online-Update aus den Servicewerkstätten des Fachhandels nahtlos in das Wohnzimmer des Kunden verlegt werden. Offensichtliche Sachmängel werden so zum vorübergehende Phänomen mit automatischer Heilung erklärt. Der Anspruch des Kunden, eine einwandfreies Produkt geliefert zu bekommen, wird mit jedem "Patch" und "Bugfix" weiter ausgehöhlt.
Das alles klingt wie aus einer anderen Welt: Microsoft hat über viele Jahre Software-Produkte in Umlauf gebracht, bei denen schon die Kunden davon ausgingen, dass sie nur beschränkt funktionsfähig seien. Den Ernst der Lage hat man in Redmond dann allerdings doch irgendwann verstanden und mit Windows 7 ein funktionierendes Betriebssystem auf den Markt gebracht. Viele seiner Vorläufer sind - so das Gefühl - über den β-Status auch nach Jahren nicht hinausgekommen und dasselbe Risiko gehen auch Käufer mancher Internetradios ein.
Verbraucherrechte nutzen
Mangelnde Produktreife muss der Kunde aber nicht hinnehmen. Wer etwas im Onlinehandel bestellt, kann es innerhalb der Fristen, die zum Fernabsatz geregelt sind, zurücksenden und sich den Kaufpreis erstatten lassen.
Diese Regelung beschränkt sich auf Verkäufe zwischen einem Unternehmer und Verbraucher, die per Brief, E-Mail, Katalog, Telefonanruf oder Telefax zustande gekommen sind. Der Verbraucher kann den Vertrag innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen widerrufen. Die Frist beginnt, sobald der Kunde über sein Widerrufsrecht belehrt wurde und die Ware erhalten hat.
Der Widerruf kann ausdrücklich, etwa per E-Mail oder konkludent durch Zurücksenden der Ware erfolgen. Die Frist ist bei rechtzeitiger Absendung gewahrt, auf den Zeitpunkt des Zuganges kommt es dafür nicht an. Wird der Kunde erst nach Vertragsschluss auf das Widerrufsrecht aufmerksam gemacht, gilt eine Widerrufsfrist von einem Monat, die Beweislast für die Belehrung liegt beim Unternehmer. Wird der Verbraucher gar nicht belehrt, steht ihm sogar ein zeitlich unbegrenztes Widerrufsrecht zu. Nachdem der Widerruf erklärt wurde, haben Sie als Käufer einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises, allerdings müssen Sie die Ware zurücksenden, wobei der Verkäufer die Rücksendekosten tragen muss, sofern der Warenwert 40 Euro übersteigt, was bei Internetradios noch durchgehend der Fall sein dürfte.
Gebrauchsanleitungen sind Produktbestandteil
Ein Gerät ohne Bedienungsanleitung ist unvollständig und der Händler steht dafür gerade. Sogar unverständliche Bedienungsanleitungen kann der Verbraucher zurückweisen. Umut Schleyer, Rechtsanwalt in Berlin, findet: „Dass Gebrauchsanleitungen oft schlecht und unverständlich sind, ist nichts Neues. Neu ist jedoch seit der Schuldrechtsreform im Jahr 2002, dass der Händler oder Hersteller einer Sache dafür in die Pflicht genommen werden kann.“ Herumgesprochen hat sich das offenbar noch nicht überall, vor allem werden bei Produkten mit geringen Margen die Gebrauchsanleitungen meist ganz eingespart. „Dabei sind Gebrauchsanleitungen ein wesentlicher Produktbestandteil, weshalb ein Produkt mit hinreichender Qualität ohne Gebrauchsanleitung als nicht vollständig ausgeliefert gilt, was unter anderem Konsequenzen für den Beginn der Gewährleistung hat. Die Gewährleistung beginnt nämlich erst mit vollständiger Ablieferung der Sache beim Käufer zu laufen. Darüber hinaus stellt eine unverständliche Gebrauchsanleitung einen wesentlichen Produktmangel dar“, so Umut Schleyer, „ und das führt dazu, dass der Käufer die Möglichkeit auf Nacherfüllung nach § 434, 437 Nr.1, 439 BGB besitzt. Er kann nach seiner Wahl die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen. Sollte der Verkäufer dies verweigern oder die Nacherfüllung - wegen desselben Mangels- zweimal fehlschlagen, kann der Käufer vom Vertrag zurücktreten.“
Wenn es Probleme bei der Rückgabe gibt, kann Klage erhoben werden und zwar bei dem Gericht, an dem sich die Sache befindet – beim Käufer.