Mitten ins Großspektakel der Medien- und Millionen-Schaffenden implantierte das Medienforum NRW 2006 erstmals den Podcastday mit Hilfe des Podcastverband e. V. - Medienguerilla trifft Medienmacht - das war spannend. Dieses Jahr umgabt sich die Medienwirtschaft in wohlmeinender Geste mit wenigen Vorzeige-Bloggern und blieb letztlich wieder unter sich.
Ein buntes Völkchen hatte sich noch 2006 eingefunden. Kravatten-Hemden beschnuppern T-Shirt-Träger mit einer gesunden Portion Neugierde und Wissensdurst. Doch schon ein Jahr später wirkt die Veranstaltung ausgestorben und blutleer. Vortragsveranstaltungen, die sich inhaltlich tatsächlich mit alternativen Online-Medien befassen, begrenzen sich auf drei zeitlich unzusammenhängende Sessions. Andere Themen wie die Radiodigitalisierung, Computer-Games, Medienregulierung und IPTV mussten der inhaltlichen Ideenvielfalt von Blogs und Podcasts Platz machen. Podcasts als Kommunikationsmittel für Werbung, Geschäftsmodelle für Internetvideos; es geht nicht um Inhalte, sondern Erlöse. Die wenigen echten Podcaster, die es nach Köln verschlug, mussten sich wie eine geduldete Minderheit fühlen.
Kuchen umsonst
Doch einigen der Young-Professional-Tagesticket-Trägern gelang es nicht, Distanz zu all den wichtigen CEOs und Politikvertretern zu wahren. Die Young-Professionals telefonierten stattdessen stolz mit den Eltern, um zu erzählen, dass sie sich intensiv mit Radiochef XY unterhalten haben und nun auf dem Weg ins nächste Panel sind. Sogar das Essen und der Kuchen seien völlig kostenlos. Irgendwie gehören sie jetzt mit dazu, in die Welt der Großen und Einflussreichen.
Dabei ist in der Welt der Großen und Reichen in Wahrheit kein Platz für Podcast & Co.
Andre Zalbertus, Vorstandsvorsitzender der Centerstone AG, die das Kölner Center-TV zu verantworten hat, erzählt stolz, wie er mit einigen preiswerten Digitalkameras Kölner Bürger zu „Veedels-Reportern“ gemacht hat, die nun nach Einweisung regelmäßig ab 16.00 Uhr ganze Sendestrecken belegen. Thomas Mrazek vom Fachausschuss Online-Journalisten des Deutschen Journalisten Verbandes hielt Zalbertus immerhin mutig entgegen, dass dies vor allen der Gewinnmaximierung diene. Ob Center-TV denn wenigstens die letzten verbliebenen Redakteure nach Tarif bezahlen würde? Man kann darüber streiten, ob die TV-Laien als kostenlose Erfüllungsgehilfen einer Geschäftsstrategie dienen, oder hier eigentlich nur die Verlagerung des „Offenen Kanals“ auf einen etwas prominenteren Sendeplatz stattfindet.
Bloggen als Kulturtechnik
Der gegenseitige Dünkel zwischen „Bloggern“ und „Qualitäts-Journalisten“ ist spürbar. So wagte sich der Internetaktivist und Blogger Markus Beckedahl immerhin einmal aus der Deckung. Auf dem G8-Gipfel saßen die Qualitäts-Journalisten in klimatisierten Containern und warteten auf den DPA-Ticker, der die Anzahl der Demonstrations-Teilnehmer am Zaun von Heiligendamm vermeldete. „Wir Blogger waren mit Laptop und UMTS-Karte mitten drin und hatten das alles längst gemeldet“, hinterfragt er die Qualität der kommerziellen Medien und erntete hierfür immerhin etwas trotzigen Applaus von den wenigen anwesenden Bloggern. Beckedahl sieht den Journalismus aber trotzdem nicht in Gefahr: „Bei Blogs und Podcasts handelt es sich in erster Linie um eine Kulturtechnik, die von jedermann eingesetzt werden kann.“
Nackte Hausfrauen?
Da es in Führungsetagen der etablierten Medien kaum eigene Erfahrungen und Erkenntnisse zu geben scheint, sind solche Erklärungen erforderlich, wie die Eröffnungsrunde des Medienforums mit WDR-Intendantin Monika Piel exemplarisch belegte: Mit der Veröffentlichung eigener Inhalte im Web gäbe es nach wie vor Urheberrechtsprobleme. Eigene Webinhalte wolle man aber gar nicht produzieren, manövrierte sich Piel hinter die Seitenauslinie, um dem „User Generated Content“ die Rote Karte zu zeigen: „Da gibt es im Moment zu viel Schund. Das passt nicht in unser öffentlich-rechtliches Profil“, zitierte die offizielle Pressemitteilung des Medienforums artig. 1 Das Medienmagazin DWDL.de wagt es, die Ursachen der Pielschen Ablehnung gleich mit bekannt zu geben: Wenn sie entsprechende Portale anschaue, dann sehe sie vor allem „Hausfrauen vor verstaubten Gummibäumen, die sich ausziehen“ und ähnliches. 2
Auch eine Intendantin darf sich freilich im großen Internet mal verirren, doch den Wunsch der Hörer und Fernsehzuschauer nach inhaltlicher Einflussnahme in dieser Form zurückzuweisen, erinnert an eine Zeit, als ARD-Programme mit einem Bürgerbildungsauftrag kokettierten. Dabei gehören solche Positionen selbst bei den öffentlich-rechtlichen Anstalten längst nicht mehr zum Repertoire.
Dass es bei Podcasts und Videoblogs durchaus Qualitätsprodukte gibt, beweisen Daniel Fiene und sein Gegenspieler „Herr Pähler“ mit ihren köstlichen Videobotschaften vom Medienforum. Sie machen Web-Fernsehen in einer selbst für WDR-Zuschauer akzeptablen Qualität. 3
Mehr Informationen:
1 (http://www.medienforum.nrw.de/nc/presse/...)
2 (http://www.dwdl.de/article/news_11314,00.html)
3 (http://www.wasmitmedien.de/medienforum/)