Das Thema Audiostreaming steht inzwischen sogar bei Audiophilen hoch im Kurs. Wir haben uns mit dem Majic DS des schottischen High-End-Herstellers Linn befasst und man höre und staune: Die Streamer-Technik und das Webradio bietet der Vinylschallplatte Paroli und lässt die Audio-CD hinter sich.
Linn aus Glasgow, Schottland, gehört zu den absoluten Top-Herstellern im Bereich der HiFi-Musik-Wiedergabe, High-End im besten Sinne. Seit etwa vier Jahren verfolgt das Haus mit der DS-Serie, seinem Angebot über Linn Records und neuerdings drei Webradio-Kanälen eine konsequente Strategie der digitalen Musik-Wiedergabe. Der Begriff DS steht dabei für Digital Stream. Daneben ist man seit Beginn vor 40 Jahren auch Anbieter eines Plattenspielers, der zu den besten gehört, die für Geld zu kaufen sind. Das Ziel ist in allen Fällen gleich: Musik so zu reproduzieren, wie sie gespielt wird.
Die Produktpalette
Linn hat heute drei Baureihen: Majic für Linn-Einsteiger, Akurate für Fortgeschrittene und Klimax für die Enthusiasten, die es sich leisten können. Die Baureihen umfassen DS-Spieler, Vor- und Vollverstärker sowie Lautsprecher in jeweils verschiedenen Größen (Stand- und Regallautsprecher, Center und Subwoofer). Um eine grobe Preisvorstellung zu haben, Majic-Geräte kosten um 2500 Euro, für die Akurate-Serie werden etwa 4000 bis 6000 Euro pro Baustein verlangt, für Klimax als den Höhepunkt sind Preise zwischen 10000 und 15000 Euro zu veranschlagen (pro Stück für DS-Spieler, Vor- und Endverstärker mit zwei Kanälen; von der Majic-Serie gibt es auch einen Vollverstärker in dieser Preisspanne). Unterhalb des „Majic DS“ wird noch ein „Sneaky DS“ angeboten, ein für Linn-Verhältnisse einfacher Streamer mit integriertem 2 x 20 W-Verstärker. Statt für einen Majik DS 2395 Euro und seinen Bruder, den Verstärker Majik I nochmals 2295 Euro auszugeben, wird auch ein Majik DS-I mit integriertem Vor- und Endverstärker für 2975 Euro angeboten. Für Linn-Verhältnisse ein echtes Schnäppchen, das allerdings etwas einfacher gestrickt ist als die beiden Einzel-Komponenten.
Die auf den ersten Blick recht selbstbewusst gestaltete Preisliste erscheint unter einem etwas anderen Licht, wenn man sich am Markt hinsichtlich Klangqualität vergleichbare Geräten anschaut. Stellt man doch fest, dass sich Linn in vielen Fällen preislich eher im Mittelfeld der Kategorie High-end aufhält, während die Testergebnisse die Geräte in vielen Fällen als Klassenbeste ausweisen.
Neben den erwähnten Geräten gibt es noch Multiroom-Anlagen und zwei Multiformat-Spieler für DVD, SACD, CD sowie zwei Mehrkanal-Verstärker. Allerdings wird kein BluRay-Player angeboten; die Mehrkanalverstärker haben keine HDMI-Anschlüsse, so dass davon auszugehen ist, dass diese Teile der Palette früher oder später entweder eingestellt oder substantiell überarbeitet werden.
Die drei gehobenen DS-Spieler haben auf der Frontplatte eine blaue LED-Punktanzeige, die nach Wahl alle Titelinformationen oder Format (z. B. FLAC oder MP3) und Abtastrate (z. B. 96 kHz/24 bit) anzeigen kann. Majik DS und Akurate DS kommen mit sechs Drucktasten auf der Frontplatte, der Klimax kommt ganz ohne aus. Eine Fernbedienung mit nachleuchtenden Tasten für alle Bauteile des Linn-Systems liegt immer bei.
Der DS-Spieler als Teil eines Systems
Während man bei einem CD-Spieler die Silberscheibe einlegt und auf „Start“ die Musik im Normalfall zu spielen beginnt, betreibt man mit einem DS ein etwas umfangreicheres System, das auf das Ineinandergreifen verschiedener Systemkomponenten angewiesen ist: Speichermedium, Steuerung des Speichers und Anschluss an den DS-Spieler. Im einfachsten Fall kann ein PC mit Festplatte verwendet werden. Auf dieser ist die Musik digital gespeichert, die Steuerung erfolgt durch ein (von Linn mitgeliefertes) Programm und der DS-Spieler wird über ein einfaches LAN-Kabel direkt an den PC angeschlossen.
Die etwas komfortablere Variante verwendet als Speichermedium einen kleinen NAS-Server (NAS: network attached storage) z. B. von QNAP aus der Baureihe TurboNAS mit 2 x 1 TB großen Festplatten, genug für rund 1.500 „gerippte“ (überspielte/konvertierte) CDs. Für das Zusammenspiel zwischen NAS und DS benötigt der NAS noch eine UPnP-Steuerungs-Software, z. B. Twonky Media Server, die auf dem QNAP beispielsweise schon vorinstalliert ist. Der NAS ist über das Heim-Netz (LAN) mit dem DS verbunden. Zur Bedienung des Systems wird eine Steuerung auf Basis UPnP benötigt. Neben der werksseitig zur Verfügung gestellten UPnP-Software für Apple oder Windows-PC bieten sich ein iPod touch oder iPad mit einem entsprechenden Applet und einer Verbindung zum WLAN-Router an, es können aber auch andere WLAN-Fernbedienungen mit UPnP-Schnittstelle verwendet werden. Damit kann aber nur die Titelwahl bzw. die Zusammenstellung eines Programmes, der so genannten Playlist erfolgen, so wie von der Bedienung des iPods bekannt. Wie bei einem CD-Spieler können auch hier die Grundfunktionen Start, Stop, Pause, beim Majik DS auch noch die Lautstärke über den regelbaren Ausgang ebenfalls mittels iPod touch/iPad bedient werden. Übrige Anlagenkomponenten werden dann z. B. über eine IR-Fernbedienung angesprochen.
Für Technik-affine Zeitgenossen ist die Einrichtung einer solchen Anlage kein Problem. Wer einen WLAN-Router konfigurieren kann, ist sicher auch zur Einrichtung eines solchen (wenn auch umfangreichen) Systems in der Lage. Um aber sicher zu gehen, verlangt Linn von jedem Fachhändler, dass das System vor Ort beim Kunden von hinreichend geschultem Personal des Fachhändlers eingerichtet wird. Alleine der kleine Sneaky DS kann auch ohne Vor-Ort-Konfiguration erworben werden.
DS-Wiedergabe in höchster Präzision
Als die DS-Spieler ab 2007 der Reihe nach auf den Markt kamen, hatten sie nur eine Funktion – die Musik von gerippten CDs besser wiederzugeben, als man es von den CDs kannte und wie man im direkten Vergleich auch hören kann. Der Grund ist verhältnismäßig einfach: Beim Abspielen einer CD werden die vom Laser abgetasteten Daten direkt vom eingebauten D/A-Wandler in Musik umgerechnet und ausgegeben. Lesefehler, Drehzahlschwankungen des Laufwerks sowie vom Antrieb ausgehende Schwingungen werden in das System induziert und führen zu Verfälschungen. Der Streamer hingegen zieht die Musikdaten aus dem Netz, puffert sie und rechnet sie dann in aller Ruhe in höchstmöglicher Qualität um.
Hört man den Majik DS in einer hochwertigen Stereoanlage, ist das Ergebnis zugegebener Maßen verblüffend: Ein Majik DS ist mit gerippten CDs von der Festplatte deutlich näher an live gespielter Musik, als die Wiedergabe mit einem CD-Spieler der 3000-Euro-Kategorie, was an sich schon erstaunlich ist. Im Klang unterscheiden sich die DS-Spieler erheblich. Der Gang zu einem gut ausgestatteten HiFi-Händler und der dort angestellte Hörvergleich mit einem Linn Akurate und einem Klimax führt aber zu der Erkenntnis, dass diese beiden deutlich aufwendiger gebauten Streamer dem Hörer ein noch erheblich wirklichkeitsnahes Klangbild anbieten können, wie der vergleichsweise einfache Majik DS. Viel hilft eben doch viel. Musik, egal ob Klassik, Pop oder anderer Kategorien, wird von allen drei Geräten fein aufgelöst und räumlich mit einem sehr gut hörbaren Dynamikumfang dargestellt. Der anspruchsvolle Hörer kommt mit einem Majik DS schon ganz gut zurecht. Das faszinierende an einem Klimax (in einer hochwertigen Anlage) ist, dass er sprichwörtlich so hinter der Musik zurück tritt, dass die Technik praktisch nicht mehr wahrnehmbar ist. Musik wird praktisch „live“ reproduziert.
Neben diesem Phänomen lässt sich noch bemerken, dass die Musik über Festplatte natürlich auch sehr viel bequemer abgespielt werden kann, da auf Fingertipp die gesammelte Musiksammlung zur Verfügung steht. CD-Regale können im Keller verschwinden, nach dem einmaligen Rippvorgang werden die Scheiben nie mehr gebraucht. Genau diese Bedienungsphilosophie liegt auch den hochwertigen Festplatten-Audiosystemen zugrunde, die seit einigen Jahren für PKW mit Navigation angeboten werden (u. a. Mercedes-Benz Command seit 2005, VW RNS 510 seit 2007).
Nach Einführung der kleinen Typen Sneaky DS und Majik DS war man in Glasgow konsequent und stellte die Produktion der CD-Player Ende 2009 ein. Man sieht im DS ein überlegenes System, was in Bezug auf Bedienungsfreundlichkeit und wirklichkeitsgetreuer Reproduktion von Musik (und nur darum geht es Linn) sicher stimmt. Auf der anderen Seite kommt es hier und da auch vor, dass die UPnP-Fernbedienung mal die Verbindung zum WLAN neu aufbauen muss, demzufolge auch das Programm auf der Fernbedienung wieder gestartet werden muss. Wer sein (W)LAN über Nacht ausschaltet und den NAS herunterfährt, muss die Geräte zumindest alle erst wieder anschalten oder hochfahren, bevor man sich erneut dem akustischen Genuss widmen kann. So gesehen ist das Einschalten eines (DAB-)Radioweckers oder das „Einwerfen“ einer CD nach dem Aufstehen zunächst schon etwas einfacher. Natürlich könnte man alles auch über Nacht weiterlaufen lassen, aber das wäre dann ein anderes Thema...
Radio DS
Als nächstes nahm sich Linn dem Thema Radio an und stellte fest, dass DAB-Sender meist mit 128 kbps (i. d. R. 96 - 192 kbps, selten 256 kbps), übertragen. Im Web dagegen sind Übertragungen mit bis zu 320 kbps und unterschiedlichen Codierungen problemlos möglich, wodurch die Übertragungsqualität hörbar besser, die Reichweite dazu deutlich höher ist (z. B. von Schottland nach Neuseeland). Da Linn in seiner 40-jährigen Geschichte nur ein einziges Mal ein Autoradio gebaut hat (für Aston-Martin DB9 von 2004 - 2007) legt man auf die mobile Versorgung der Hörer nicht den Stellenwert. So wird seit April 2010 allen Linn-Eigentümern ein kostenloses Software-Update für alle „Linn DS“-Geräte angeboten, die damit per Download wiederum konsequenter Weise zu einem äußerst klangstarken Radio DS mutieren. Zum Einrichten muss man sich auf der Seite radiotime.com anmelden und seine Daten vor dem Hochladen auf den DS noch in einer Konfigurationstabelle eintragen, das war's.
Studio Master Downloads
Seit iTunes wird der kommerzielle Musik-Download von Geräteherstellern dazu genutzt, die Programmbasis der Kunden zu erweitern. Linn nutzt mit seiner Firma Linn Records diese Möglichkeit gleich zweierlei: einerseits indem das ganze Musik-Repertoire über eine der drei Linn-Webradiostationen in höchstmöglicher Auflösung (320 kbps) in die Welt verschickt wird (Linn Classic, Linn Jazz und Linn Radio – gemischtes Programm), zum anderen werden über Linn Records auch Studio Master-Downloads mit 24-Bit-Bandbreite und zwischen 44,1 kHz (CD-Qualität) und 192 kHz Abtastrate (entspricht einer BluRay) angeboten. Vergleicht man Downloads mit einer Abtastrate von 192 kHz mit denen von 96 kHz ergibt sich beim Höreindruck zumindest mit dem Majik DS kein Unterschied zwischen den beiden Abtastraten. Möglich, dass die restlichen Glieder der verwendeten Stereo-Anlage die Verdoppelung der Informationen nicht mehr darstellen können. Andererseits konnte bei den Bewertungen anderer einschlägiger Magazine, z. B. Stereoplay, zwischen diesen beiden Abtastraten auch kein Bewertungsunterschied mehr festgestellt werden. Das ultimative 192-kHz-Format hat aber noch den Nachteil, dass es von anderen Streamern meist nicht verarbeitet werden kann (z. B. Naim NDX nur bis 96 kHz). Zudem verdoppelt sich mit der doppelten Menge an Information auch die Downloadzeit.
Die Beobachtungen beim Radiohören über Radio DS sind ebenfalls interessant. Während die drei Linn-Programme trotz der MP3-Kompression und der 320-kbps-Bitrate in wunderschöner HiFi-Qualität aufspielten, gab es einen merklichen Unterschied z. B. zum niederländischen Sender Avro Light Classics. Dieser bietet zwar identische Übertragungsraten, die Qualität der Aufnahmen ist aber nicht auf dem Niveau der Linn-Programme. Ähnliche Beobachtungen kann man auch mit anderen Sendern machen – zuweilen spielen 128-kbps-Sender mit einer besseren Qualität als solche mit 192 kbps. Nun ist der Majik DS für dieses Dilemma nicht verantwortlich, zeigt aber, dass mit entsprechend hochwertiger Elektronik doch so mancher Nachteil glattgebügelt werden kann. Ein anderer Schluss ist zulässig: unterhalb der Studio-Master-Aufnahmen ist jeder Unterschied bei der Aufnahme-Qualität deutlich hörbar.
Rein-Hören
Vergleicht man die Wiedergabe-Qualität der Linn DS mit anderen Geräten, stellt man doch ein wenig erstaunt fest, dass zwischen sehr guten DAB-Radios und einem einfacheren Linn Majik DS doch noch Welten in der realitätsgetreuen Abbildung der Musik liegen. Die Ursachen hierfür sind nachvollziehbar – die Datenraten von DAB (256 kb/s) liegen noch unter jenen für Webradio (320 kb/s, 44,1 kHz, 24bit) und beides liegt noch um Längen hinter der Qualität einer Studio-Master-Aufnahme, die bei Abtastraten von 88 bis 192 kHz deutlich hörbar feiner auflösen und auch CDs und SACSs deutlich hinter sich lassen.
Andererseits gibt es „Vinyl-Enthusiasten“, die behaupten, es gehe nichts über eine gut geschnittene Analog-Schallplatte, soweit diese dann auch mit einem adäquaten System angehört wird. Bei all den Nachteilen hinsichtlich der Handhabung von Schallplatten dürfte in der Summe seiner Eigenschaften ein Linn Klimax DS den besten Plattenspielern aber zumindest ebenbürtig sein. Schallplatten Liebhaber sprechen vom haptischen Erlebnis, vom sprichwörtlichen Zelebrieren des Hörgenusses, während eben die ganze Technik und die Handhabung derselben mit einem DS-Spieler mehr und mehr zugunsten der wirklichkeitsgetreu gespielten Musik, dem realitätsnahen Klangerlebnis in den Hintergrund tritt. Das ist die eigentliche Faszination, die die „Linn DS“-Spieler, allen voran natürlich den Klimax DS ausmacht.
Fazit
Betrachtet man das Hören von Musik nur alleine unter dem Aspekt der realitätsnahen Wiedergabe ist festzustellen, dass hochwertige Analog-Technik nach wie vor durchaus mit CD und DAB mithalten kann, während Streamer-Technik und Webradio demgegenüber einen deutlichen Qualitätssprung leisten können. Andererseits muss aber betont werden, dass DAB und CD ihre schon sehr beachtliche Qualität mit dramatisch geringerem Aufwand erreichen (auch finanziell), als das bei Streaming und Webradio notwendig ist (NAS, PC zum Überspielen der CDs, Herunterladen und Verwalten der Verzeichnisse, LAN & WLAN, DSL-Anschluss). Für den Musik-Genießer der aber möchte, dass alle Technik hinter der realitätsnahen Wiedergabe zurücktritt gibt es, aus heutiger Sicht konsequent betrachtet aber kaum eine andere Wahl. Eine Alternative gibt es doch: den Live-Genuss. Der ist aber weder „on demand“ möglich, noch wird er in der Regel für „lau“ geboten. Eine Karte für die Eagles liegt bei über 100 Euro und ohne die richtigen Beziehungen in den Wiener Musikverein wird es nie was mit der Karte fürs Neujahrskonzert – vom Preis ganz abgesehen.