Um diese DAB-Diskussionen zu verstehen, muss der Blick zurück erlaubt sein. Zehn Jahre schleppt sich das Thema DAB nun asthmatisch durch die deutsche Radiogeschichte. Und verantwortlich für das Desaster sind immer die Anderen.
Kann man an einen Zufall glauben, wenn ich resümiere, dass die beim Thema DAB am langsamsten agierenden Landesmedienanstalten interessanter Weise die DAB-kritischsten ARD-Anstalten an ihrer Seite haben? Auch die Kräfteverhältnisse innerhalb der ARD sind unverändert: Der WDR, der Bayerische Rundfunk und der NDR sind die Schwergewichte auf der öffentlich-rechtlichen Bühne, doch ein in Worten und Taten klares Bekenntnis zum Digitalradio DAB ist von dem Trio seit Jahren nur in München zu bekommen.
Noch ist DAB nicht beerdigt, sondern liegt auf der Intensivstation. Eine Kommission entschied nun, dass lebensrettende Maßnahmen aus Kostengründen nicht mehr durchgeführt werden sollen. Eventuell geht die KEF sogar einmal als Totengräber von DAB in die deutsche Hörfunk-Geschichte ein, doch gestorben ist das System dann nicht an der KEF, sondern an einem multiplem politischen Organversagen.
Rauschen ab Aachen
Ein schwarzer Tag für das deutschen Radio ist der Entschluss allemal. Deutschland wird wohl ein technologisches Schlusslicht in Westeuropa. Schon heute können Portugal-Urlauber an der Algarve mehr DAB-Programme (6) empfangen, als in Deutschland an der Müritz in Mecklenburg (0) oder im Thüringer Wald (3). Aus Westen kommende Fernfahrer und Touristen werden sich in wenigen Jahren sehr wundern, was da plötzlich rauscht, wenn sie von Bordeaux die 1000 Kilometer über das belgische Lüttich zur Europastadt nach Aachen unterbrechungsfreien DMB- und DAB-Empfang gehabt haben und plötzlich die Stereo-Anzeige zu flackern beginnt, weil der analoge UKW-Empfang von „Antenne AC“ nach Köln hin abreißt.
Ein Lehrstück
DAB ist ein Lehrstück deutscher Technologie- und Wirtschaftspolitik: Föderal verwaltet, reguliert, von Lobbyisten klein geredet, zwischen Kirchturm-Eitelkeiten zerrieben. Viel zu spät und viel zu zaghaft erfolgte das Umsteuern. Bundesweite Programmverbreitung, eine Lizenz für alle Länder. Da wurden rundfunkrechtliche Freifahrtscheine ausgestellt, als bereits absehbar war, dass der DAB-Zug schon abgefahren war.
Der Architekt der KEF-Entscheidung, Dr. Ulrich Reimers, wusste vermutlich genau um die Befindlichkeiten der privaten Radioveranstalter beim VPRT. Die Absage des Privatradio-Verbandes war eine Steilvorlage.
Strategischer Treffer
Dort, wo DAB letztlich erfolgreich im Markt etabliert wurde, waren es stets der öffentliche Rundfunk, die eine solch fulminante Programmwirkung auf DAB entfalteten, dass die bis dahin erfolgreichen Privaten zwar um ihre UKW-Frequenzprivilegien bangten, dem Druck steigender DAB-Radioverkäufe aber schließlich folgen mussten. In Deutschland hat man der ARD nun Zucker in den Tank des Digitalradios geschüttet.
Was kann, was darf die ARD nach dieser Entscheidung überhaupt noch leisten und wo stehen die privaten Veranstalter mit bundesweiten Programm-Ambitionen? Die Antworten auf diese Frage, werden über die Zukunft von DAB entscheiden.
Mitglied seit
15 years 9 monthsTod mit Ansage
Länderegoimus der Mediengewaltigen - wo es um Geld und Einfluß geht, wird freiwillig nichts abgegeben.
Alle Projekte, die einen größeren Rahmen benötigen, als ein Bundesland ihn bieten kann, sind in D kaum noch durchführbar. Der von den Alliierten 1948/49 installierte Föderalismus mit starken Ländern und schwachem Bund wird uns noch ewig auf die Füße fallen - denn freiwillig werden die Länder keine Kompetenzen abgeben.
Die Ergebnisse sind zu besichtigen:
- in der Bildungspolitik
- beim digitalen Rundfunk.
Der Artikel ist sehr treffend. Ich werde meinen DAB-Receiver verkaufen und auf DVB-S umsteigen, was ich eigentlich vermeiden wollte, um nicht Fernsehgebühren (habe keinen TV) zahlen zu müssen.