Durchaus gut besucht präsentierte sich die HighEnd 2006 schon zum Vatertag. Während die überwiegend männlichen Besuchern ihren Ohren etwas Gutes tun wollen, entpuppt sich der typische Highend-Besucher als meditativ mit seinem Nervensystem verbunden. Etwas huldvolles, ja spirituelles liegt in der Luft.
14.000 Quadratmeter Fläche, 600 Marken, präsentiert von 210 Ausstellern aus 17 Ländern. Hinter den nackten Zahlen steht die suchterzeugende Lust an einer guten Tonreproduktion. Da gibt es zum Beispiel Verstärker mit charaktervollem Fundament, aber einem spitzen Abgang nach oben heraus. Lautsprecher mit verführerischen leicht ausspielenden Mitten. Ganz klar: Das Vokabular kann sich mit redseeligen Weinverkäufern ohne Weiteres messen.
Messen ist ein gutes Stichwort, denn Messen sind laut. Die High-End ist weniger laut als erwartet, denn die lauten Hörproben gibt es nur in stickigen Hörkammern bei geschlossener Türe. Wenn jedoch bei einer Vorführung kein Türsteher zu spät kommende Besucher mit grimmigen Blick davon abhält, öffnen sich Türen alle 15 Sekunden, um scheppernd wieder ins Schloss zu fallen. Aufdrindliche Pressevertreter sammeln ihre O-Töne in laufender Vorführung und sogar Handys läuten krächzend polyfon vor sich hin.
Baufehler versus Ohrenschmalz
Da hilft es wenig, dass Herren in Anzügen die verchromte Burmester-Anlage aus CD-Spieler und zwei Mono-Endstufen zum Paketpreis eines Kleinwagens an etwas Last vor der Vorführung warm laufen lassen. Diese Vorführungen haben etwas religiöses und wunderbarerweise haben alle Zuhörer, jeder Umgebungsbeeinträchtigung zum Trotz, eine klare Meinung zur Lautsprecherleistung, wenngleich jeder auch eine vollkommen andere. Die präsentierten Schallwandler in der Preisklasse ab 2.500 Euro pro Stück aufwärts haben dementsprechend erhebliche Schwächen, die keineswegs auf zu viel Ohrenschmalz, sondern ausschließlich auf das völlige Versagen von Ingenieuren zurückzuführen ist.
Was mich als interessierten High-End-Dilletanten faziniert, ist der Anspruch auf unverfälschte Tonreproduktion, der durch vorführungsgeeignetes Musikmaterial unterstrichen werden soll und bei jedem Hersteller doch nur bestimmte Schokoladenseiten zum Vorschein bringt. Bei Canton begann die Vorführung der großen Vento Reference-Standbox mit Material, bei dem sehr tieffrequente Töne im Spiel waren. Ja, das Tieftonfundament dieser Lautsprecher ist beeindruckend. Nebenan bei Elac eröffnete man die Vorführung mit einer faszinierenden weiblichen Stimme. Die rundstrahlenden Bändchenhochtöner der Linie 600 - FS 609 X-PI lassen solche Stimmen wundervoll frei durch den Raum fliegen.
Interessant war die Vorführung eines Magnapan-Lautsprechers. Magnepan stellt magnetostatische Lautsprecher her; bekannt auch unter dem Namen Magneplanar. Die Lautsprecher sehen aus wie stoffbespannte mobile Trennwände. Bei der Vorführhrung wurde Licht an die dahinterliegende Wand gestrahlt. Die Lautsprecher sind weitgehend durchsichtig. Es handelt sich um Flächenstrahler. Während der Bassbereich durch eine geladene Schwingfolie erzeugt wird, sieht man weiter oben kleine “EGK-Elektroden”, aus denen der Hochtonbereich austritt. Ein Gehäuse mit Luftvolumen fehlt. Solchen Flächenstrahlern wird wenig Tiefbass nachgesagt, was ich allerdings bei der Vorführung nicht bestätigen konnte. Beim Hören kann man aber tolle Beobachtungen anstellen.
Wie ich locker zum Hörraum-Poser wurde
Wärend privat Hören etwas zutiefst emotionales ist, braucht es in einem Hörraum ein ernstes, stets unbeeindruckes Pokerface. Manches Verhalten erklärt sich hingegen nur noch durch Nachahmung, wie ich mit meinem Nebenmann herausfinden konnte. Was verändert sich zum Beipiel am Klang eines Magnapan-Lautsprechers - abgesehen von Nebengesprächen im Raum und sich öffnender Türen - wenn man fortwährend mit ernster Miene den Kopf wendet, um mal mehr mit dem rechten und mal mehr mit dem linken Ohr die Lautsprecher wahrzunehmen. Meinen Nachbarn schein das Ergebnis zu überraschen. Ich habe es also einfach mal nachgemacht, um von erfahrenen Besuchern zu profitieren. Ja, tatsächlich, ich habe etwas feststellen können: Mein rechtes Ohr hat den Druckausgleich im Sinkflug auf den Münchner Flughafen offenbar nicht so gut verkraftet. Mein körpereigener rechter Kanal zeigt einen deutlichen Höhenverlust. Das Ergebnis überrascht mich und mein Sitznachbar registriert es. “Nicht wahr?”, fragte er sich vermutlich, “Du hörst es auch...”. Ich kann so nicht auf einer HiFi-Messe arbeiten, halte meine Nase zu und blase meine Backen auf, bis das rechte Ohr plopp macht. Es schmerzt ein klein wenig. Ich ergänze meine Technik durch einige schnelle Öffnungen meines Kiefers. Nach Prüfung meiner Ohrgesundung, blickte ich wieder zu meinem Hör-Nachbarn herüber, sah wie er sich die Nase zuhielt und dicke Backen machte. Nach der Prozedur nickte er mir stumm und zustimmend zu. Ich musste hingegen den Hörraum fluchtartig verlassen.
Dem Nervensystem ist nicht zu trauen
Wenn ich an der immer gleichen Anlage an den immer gleichen Lautsprechern zehn Tage hintereinander das immer gleiche Stück gehört habe, klingt das Stück jeden Tag wahrscheinlich eine feine Nuance anders, als ich es vom Vortag in Erinnerung behalten hatte. Unserem zentralen Nervensystem ist einfach nicht zu trauen. Das gilt auch für die selbstironische Eigenwahrnehmung der Realität: Im Foyer spielte eines feuriges ungarisches Trio Musik aus der Puzta. Ganz ohne elektrische Verstärkung und Schallwandung, also un-plugged. Zwei High-end-Freunde amüsierten sich königlich dabei, die Tonqualität zu kritisieren: “Jo mei, die Fidel kommt oben raus sehr schrill”, witzelt der Eine. “Wo du rescht host, host rescht. Furrchbar, überhaupt kei Bässe niet.” Merke: Manchmal ist die Reproduktion schlicht angemehmer als jede