Nach den Artikeln über die DAB+-Klanggüte in diversen Tageszeitungen schlugen in Internetforen einmal mehr die Wellen hoch: Wie viel vom Werbeversprechen der CD-nahen Klangqualität kann das Digitalradio tatsächlich einlösen? Unsere Nachforschungen ergeben, dass der bundesweite Multiplex ein eher schlechtes Klangbeispiel abgibt. In den Ländern ist es deutlich besser.
Das Digitalradiozeitalter verspricht uns rauschfreien Empfang in CD-naher Klangqualität. Die CD-Qualität wird aber keineswegs erreicht, weil alle DAB-Übertragungsarten stets auf einer verlustbehafteten Audiokompressionen beruhen. Man mag darüber streiten, ab wann man von einer CD-nahen Klangqualität sprechen darf. Vielleicht kann man sich darauf verständigen, darunter eine bessere Klangqualität zu verstehen, als bei einer 128-kbit-MP3.
Klang-bestimmende Elemente der DAB-Übertragung
Für die Tonqualität einer DAB-Aussendung gibt es mehrere klang-bestimmende Elemente. Dazu gehört die Zuspielung des Signals, der Encoder, der die einzelnen Audioquellen für den Multiplex aufbereitet und die Wahl der Kodierung selbst. Die Qualität des Quellsignals ist hier entscheidend. UKW-Sender arbeiten oft mit einem Soundprocessing. Damit werden die Bässe fetter, die Höhen leicht angehoben und der Modulationspegel „auf Anschlag“ gebracht. Beim Drehen über die UKW-Skala sollen die Sender mit dicker Soundschminke so hervorstechen. Bei DAB werden alle Sender in einer Liste angezeigt und ausgewählt. Die Idee des Hervorhebens ist damit eigentlich passé. Die Veränderungen im Frequenzgang stellen ja an sich schon eine Verfälschung des Quellmaterial dar, es sind somit „Fehler“, die durch die Kompressionstechniken bei DAB deutlich verschlimmert werden. Dies zu vermeiden, ist eigentlich einfach, weil Soundprozessoren inzwischen einen extra Signalausgang für die Digitalradio-Ausspielung besitzen. Der Einfluss der Encoder ist heute hingegen geringer als vor zehn Jahren. Die DAB+-Encoder sind eigentlich auf dem aktuellen Stand der Technik.
Die DAB-Codecs
Das Plus in DAB+ steht für modernste Audiokompression. Doch in Wahrheit werden heute im Digitalradio vier unterschiedliche Algorithmen eingesetzt:
- Der Codec des alten DAB (ohne Plus) MPEG-1 Layer II. Er wird von Deutschlandfunk bundesweit noch mit 128 kbit/s benutzt und liegt in seinen klanglichen Fähigkeiten knapp hinter einer MP3.
- In Deutschland am weitesten verbreitet ist der MPEG-4 HE AAC v1.
- Noch selten anzutreffen ist der MPEG-4 HE AAC v2. Er bietet zusätzlich ein bitsparendes Verfahren zur Stereo-Erzeugung (Parametric Stereo).
- Weiterhin wird der MPEG-4 LC AAC verwendet. Im Einsatz ist er vor allen bei ARD-Programmen, die komplexe Musik mit Bitraten über 96 kbit ausstrahlen.
LC lässt ein wesentliches Merkmal zum Einsparen der Bitrate des üblichen HE-Modus weg: Das HE steht für „High Efficency“ und dahinter verbirgt sich vor allen Dingen die Technik der Spectral Band Replication (SBR). Dieser Algorithmus ist durchaus umstritten. Er schneidet alle hohen Tonanteile einfach weg und rechnet sie beim Empfang aus dem, was sich aus dem verbleibenden Material an hohen Tönen und Obertönen vermuten lässt, wieder hinzu.
Was leistet DAB+ HE AAC?
Wenn es darum geht Übertragungskapazitäten zu sparen, ist der HE-Modus sehr leistungsfähig. Bei Messungen an einer 56-kbit-DAB+-HE-Quelle zeigt sich ein Audiofrequenzgang bis zu 20 kHz. In der Papierform ist UKW hier unterlegen. Bei UKW werden Töne bis etwa 15 kHz übertragen, danach wird das Signal abgesenkt, um den Pilotton (zur Regenerierung des Stereo-Unterträger) bei 19 kHz nicht zu bedecken. Hier eine schöne britische Analyse mit verschiedenen Codecs, Hörproben und Messgrafiken: Audio Quality comparison of PCM, DAB, DAB+, FM and AM.
Diese Messung sagt aber nichts über die empfundene Klangqualität aus. Das stark komprimierte Signal bringt gefühlt weniger Tiefbass und die Höhen sind zwar da, aber sie wirken ungelenk, maskiert, sie scheppern und schmirgeln, klingen unklar und künstlich.
Welchen Einfluss die Codecwahl hat
Tontechniker erklären, der in weiten Teilen in Deutschland genutzte Codec MPEG-4 HE AAC v1 ist erstaunlich stark bei 48 kbit/s Bitrate. Eine Erhöhung der Bitrate auf 72 kbit/s bringt hingegen kaum eine Qualitätsverbesserung. Erst bei 96 kbit kommt es zu einem Qualitätssprung. Die Änderung der Bitrate verändert bei diesem Codec die Trennfrequenz des Tiefpasses; verändert damit den Punkt, an dem die hohen Töne weggeschnitten werden. Offenbar muss die Spectral-Band-Replication bei 96 kbit schon etwas weniger raten, welche Hochtonbestandteile das Signal vormals beinhaltete. Die Spuren, die das Signal noch enthält, um die Hochtonbestandteile zu berechnen, werden deutlicher und die mathematische Prognose dadurch zuverlässiger. Jenseits von 96 kbit kann man auf die Spectral Band Replication des HE-Codecs eigentlich verzichten und stattdessen den einfacheren LC-Modus verwenden. Davon machen etliche ARD-Anstalten auch tatsächlich Gebrauch.
Interessanterweise benutzen die Privatradios im bundesweiten Ensemble durchgehend 72 kbit mit HE AAC v1 und damit eine eher ungünstige Konstellation zwischen Bitrate und Klangergebnis.
DAB+ auf Landesebene mit mehr Bitrate
Eine Prüfung der in Deutschland verwendeten Codecs und Bitraten auf DAB+ zeigt, dass es einige Stationen gut verstehen, die optimalen und damit betriebswirtschaftlichen Parameter für die Digitalradioausstrahlung zu wählen. Bundesweit sendet Dradio DokDeb mit 40 kbit im HE AAC v2 in parametrischen Stereo. Für ein Wortprogramm sehr praxisgerecht. Auch Radio Horeb und Mega SNA wählen mit 48 kbit HE AAC v1 günstige Einstellungen.
Bei den Landesensembles ist auffällig, dass in den noch nicht so stark belegten Multiplexen in Norddeutschland mehr Bitrate gespielt wird. In Bremen zum Beispiel vorwiegend 128 kbit HE AAC v1. Ähnliches kann man in Hamburg, Niedersachsen und Schleswig Holstein beobachten. Der lange DAB-abstinente Hessische Rundfunk leistet sich heute zwischen 112 und 144 kbit. Der HR2 bringt seine 144 kbit im LC-Modus ohne HE in den Äther. Auch der Südwestfunk erteilt der umstrittenen Bandreplikation eine Absage und sendet zwischen 96 und 112 kbit LC AAC in Rheinland-Pfalz und 120 kBit in Baden-Württemberg. In Bayern schöpft der BR mit seinen Programmen Klassik (144 kbit) und Heimat (128 kbit) mit LC AAC klanglich ebenfalls aus den Vollen.
Im Saarland ist genug Luft im Multiplex. Der Saarländische Rundfunk schickt seine Hauptwellen SR1, SR2, SR3 zwar noch in der alten Norm MPEG-1 Layer II – also in der ursprünglichen DAB-Audiokompression in die Luft – spendiert aber mit 192 kbit eine üppige Datenrate.
Private auf Länderebene mit etwas mehr Bitrate
Die Bitraten der Privatradio sind kleiner, liegen in Baden-Württemberg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen überwiegend aber bei 88 kbit mit HE AAC v1. Die Privatradios in Nürnberg setzen auf den neusten HE AAC v2 mit seiner sparsamen Übertragung der Stereodaten und belassen es dann bei 80 kbit. Im Schnitt liefern die privaten DAB+-Sender in den Ländern knapp 20 % mehr Bitrate als im Bundesensemble.
Den eigenen Ohren trauen
In der Praxis sollten sich Radiohörer besser auf ihre eigenen Ohren verlassen. So befand Wolfgang Hartmann vom Elektronik-Labor.de entgegen der Erwartungen, dass im Raum Nürnberg das Klassik-Radio besser klänge als der BR-Klassik - und das obwohl der BR-Klassik zum Testzeitpunkt mit 128 kbit sendete, währenddessen das Klassik-Radio nur mit 72 kbit unterwegs war. Der BR ohne die umstrittene HE-Bandreplikation, das Klassik-Radio hingegen mit der Bandreplikation. Sein akustischer Eindruck bestätigte sich erwartungsgemäß beim Ausmessen der Audiobandbreite.
Wenn der Sound des Lieblingssender im Digitalradio zu wünschen übrig lässt, lohnt es sich, seinem Sender das auch mitzuteilen. Die Höhe der versendeten Bitrate ist ein Kostenfaktor und wirtschaftlich operierende Unternehmen werden kein Bit mehr versenden, als der Hörer verlangt.
Hinweis: Die Angaben zu Bitraten und Codecs in Deutschland basieren auf Angaben der UKWTV-Senderliste. Alle Angaben ohne Gewähr.
Ergänzungen und Korrekturen nehmen wir gerne transparent als Kommentar entgegen.