Vielleicht bilde ich mir das nur ein, aber mir scheint es so, dass in phantasielosen Radiomärkten die Jazzszene langsam austrocknet. Wer in Deutschland Jazz hört, wird beim Thema Radio sofort den Deutschlandfunk erwähnen. Der Jazz ist nicht tot, er fördert sogar talentierten Nachwuchs. Newcomer und Wiederentdeckbare hört man komprimiert im US-Podcast „WGLT – Jazz Next“.
Ungemein sympathisch präsentiert Jon Norton, Musikchef des Radiosender WGLT aus Chicago, Illinois regelmäßig all jene Musiker, die ihm im Ohr hängen geblieben sind. Das können Neueinsteiger sein, aber ebenso Branchengrößen, die zu unrecht etwas aus dem Fokus der Jazzszene geraten sind ,oder jene, die ein ganz neues Projekt wagen.
Norton beweist mit seinem Podcast nicht nur seine ausgewiesene Kennerschaft, die es ihm ermöglicht, musikalische Parallelen zu skizzieren, nein, dieser Mann hat ein unglaubliches Gespür dafür, welche Musik in die heutige Zeit passt. Nach zehn Folgen ist man immer wieder überrascht, dass es in den zahllosen Spielarten des Jazz für Norton scheinbar kaum Präferenzen gibt und man erkennt, welche enorme musikalische Bandbreite unter dem Begriff Jazz abgelegt wird.
Manche Folge besteht nur aus der Künstlervorstellung und warum dieser Podcast dem Künstler gewidmet wird, danach wird typischerweise ein Stück ausgespielt. Meistens gelingt es WGLT, den Künstler ans Telefon zu kriegen. Entweder wird ein kurzes Interview gemacht oder der Showhost bleibt gleich ganz im Hintergrund und die Künstler moderieren ihren Podcast vom Telefon aus selbst.
Was „WGLT – Jazz Next“ als Podcastfolge wirklich zu einer Empfehlung macht, ist etwas, das sogar das genrespezialisierte Internetradio bisweilen vermissen lässt: Überraschungseffekte, auf die man sich als Hörer einlassen muss. Nicht immer nur das moderations- und seelenlosen Selbe vom Gleichen, sondern ein abwechslungsreicher Strom von Empfehlungen, die dem Hörer nicht alle gefallen werden, denen man aber für die Qualität der Auswahl immer Respekt wird zollen müssen.