Im nächsten Teil untersucht Nils Schiffhauer, welche Störungen den DRM-Signalen zum Verhängnis werden und welche Möglichkeiten das System bereithält, um Störungen zu begegnen.
Nach diesem Überblick ein paar Erfahrungen, gewonnen aus jahrelangen Beobachtungen von DRM-Sendungen mit praktisch allen genannten Empfangsmöglichkeiten:
- DRM entfaltet seine Qualitäten am besten bei starken Signalen aus bis zu 3.000 Kilometer Entfernung (bei nur einem ionosphärischer Sprung)
- kurzzeitige Empfangsunterbrechungen, die nicht vom internen Speicher aufgefangen werden, wirken sich in DRM störender aus als in AM (analog)
- DRM ist empfindlich gegenüber Störungen selbst durch relativ schwache AM-Sender, sogar dann, wenn diese nur mit einem Seitenband ins DRM-Signal ragen
leichte schmalbandige Störungen (vor allem von schwach modulierten AM-Sendern) scheinen hingegen nicht groß zu schaden
Abbildung 2: Einige Minuten BBC auf Mittelwelle zeigen das dort typische, langsame Fading. |
Abbildung 3: Wo sich eigentlich monotones Rauschen einer Vielzahl von Trägern zeigen müsste, gibt selektives Fading diesem Signal von Radio Kuwait das Aussehen eines Schlangenleders. |
Abbildung 4: Die Analyse der Gruppenlaufzeit in „Dream“ zeigt, wie unterschiedlich die einzelnen Träger hereinkommen. Der Hörempfang mit 27 dB ist dabei ausgezeichnet. Die Algorithmen funktionieren vorzüglich. |
Abbildung 5: Was in der von links nach rechts laufenden Wasserfalldarstellung des DRM-Signal aus Hannover auf 26.045 kHz aussieht wie Fraunhoferscher Linien im Sonnenspektrum, das ist durch ein Flugzeug verursachtes Flutter-Fading. Der Empfang brach zusammen, und unten links ist die kurzzeitige Erhöhung der Doppler-Shift des Signals zu sehen. |
Unter Fading versteht man die Schwankungen in der Empfangsfeldstärke. Fading aber ist – neben Störungen und generell zu niedrigem Empfangspegel – der größte Feind des DRM-Empfanges: relativ leicht wird langsames Fading verkraftet, wie es z. B. auf Mittellwelle (Abbildung 2) oder bei ruhigen Ausbreitungsbedingungen auf Kurzwelle zu beobachten ist selektives Fading hingegen erweist sich fast immer als limitierender Faktor beim Empfang und stört diesen extrem (Abbildungen 3 und 4) Flutter-Fading (hier überlagern sich Grundwelle und von einem Flugzeug reflektierte Wellen, die den Pegel rhythmisch anheben und abschwächen) zerstört die ohnehin zarten Signale im 26-MHz-Bereich schon bei fester Empfangsstation; die Reichweite bei Mobilempfang wird dadurch extrem reduziert und macht diese Lösung im Vergleich zum UKW-Rundfunk unsinnig (Abbildung 5)[19]
Wie DRM Störungen begegnen kann
Um die Auswirkungen von Schwankungen der Empfangsfeldstärke (Fading) und Nachbarkanalstörungen verstehen zu können, müssen wir uns zumindest oberflächlich mit dem DRM-Signal beschäftigen.
Das digitalisierte Signal – Audio und Multimedia kombiniert – wird in einem zumeist 10 kHz breiten Kanal übertragen. Diesen Raum kann man unterschiedlich nutzen. Im Extrem überträgt man entweder ein hochqualitatives Stereosignal, das dann freilich gegenüber Störungen kaum noch Reserven bietet oder man überträgt ein stark komprimiertes Sprachsignal in Telefon-Mono-Qualität, das dann außerordentlich robust ist. Zwischen diesen beiden Polen gibt es weitere Möglichkeiten. Leider neigen die Rundfunker eher zu einer Übertragung höherer Qualität. Deren Dekodierung jedoch erfordert ein gutes Signal und eine ruhige Strecke mit eher langsamem Fading, das gesamte Signal (und nicht: Ausschnitte davon) betreffend.
Zwischen 228 und 88 Trägersignale
Der Grund wird klar, wenn man sich das Konzept ansieht. Die Übertragung erfolgt nicht mehr mit einem einzigen Träger wie im klassischen AM-Rundfunk, sondern mit 228 (Modus A) oder 208 Trägern (Modus B) die somit 41,66 bzw. 46,88 Hz Abstand voneinander aufweisen. Die robusteren Modi C und D mit 138 oder gar nur 88 Trägern entsprechend 66,18 Hz oder 107,14 Hz Trägerabstand sind höchstens mal zu Testzwecken hörbar.
Moduliert werden die Träger in ihrer Phase bzw. in ihrer Phase und ihrer Amplitude. Der (logische) Datenkanal FAC ist hier am robustesten. Er kennt nur vier Phasenzustände (4-PSK). Funkamateure wissen von der Betriebsart PSK31, wie robust diese Art der Übertragung schon bei kleinen Bandbreiten ist. Deshalb kommt die digitale Stationsansage zusammen mit weiteren Daten wie belegte Bandbreite, Anzahl der übertragenen Dienste, Sprache und Programmtyp am besten durch.
Drei Pilottöne zur Orientierung
Abbildung 6: Zwischen zwei AM-Sendern sitzt die BBC auf 1.296 kHz in DRM. Im „oberen Seitenband“ sind bei aufsummierten Pegeln die drei Pilottöne auszumachen. Darunter das jeweils aktuelle Signal, das hier nur unwesentlich durch selektives Fading beeinträchtigt ist. |
Genutzt werden hierfür drei Träger, deren Position bei jedem DRM-Signal gleich ist und die zudem mit der doppelten Sendeleistung der anderen Träger ausgestrahlt werden [20]. Die Software im Empfänger weiß also genau, wo sie zuerst suchen muss und wird dorthin mit einem zudem relativ starken Signal geführt. Die Trägerfrequenzen sind +750 Hz, +2.250 Hz und +3.000 Hz (Abbildung 6). Ausgehend von der gedachten Mittenfrequenz des Senders also in dem, was in AM „oberes Seitenband” hieße. An diesen „Pilottönen” orientiert sich die etwas länger dauernde Decodierung der anderen beiden logischen Kanäle SDC (Service-Daten) und MSC, auf dem das eigentliche Hörfunkprogramm gesendet wird.
Nachdem wir nun einiges über den Aufbau des DRM-Signals gelernt haben, befassen wir uns noch in erklärender Art und Weise mit dem Effekt des Fading (der Signalsschwankungen) und seinen Ursachen. Einige Signalsschwankungen verdaut das DRM-Signal ganz gut, andere dagegen ganz und gar nicht.
Fading wird generell verursacht durch die Bewegung der Ionosphäre. Diese führt zu verschiedenen Arten von Fading. Gutmütig ist das Fading, das gleichmäßig den gesamten Kanal erfasst und zu Pegeln führt, die im langsamen Rhythmus wechseln. Das gleich die automatische Verstärkungsregelung oft derart komplett aus, dass wir nichts davon mitbekommen. Dieses Fading folgt oft einem sinusförmigen Verlauf und ist idealtypisch auf Mittelwelle anzutreffen. Auf Kurzwelle jedoch führt die Ausbreitung eines Signals auf mehreren Wegen zu Laufzeitunterschieden beim Empfang – Abbildungen 7 und 8. Mehr noch: Hier werden auch unterschiedliche Bewegungsgeschwindigkeit jener Teile der Ionosphäre spürbar, an denen das Signal wieder zur Erde zurückgebrochen wird. Im Ergebnis ändert sich der Pegel des Signal nicht gleichmäßig, sondern nur für bestimmte und dynamisch wechselnde Stellen innerhalb des Signal – wir sprechen daher von selektivem Fading, das Abbildung 9 auf 3.995 kHz zeigt. Der Rundfunkhörer klassischer Prägung bekommt davon vor allem dann etwas mit, wenn ein selektiver Fading-Einbruch ausgerechnet die Trägerfrequenz stark reduziert. Dann nämlich fehlt dem Diodendetektor die Orientierung, und eine erhebliche Verzerrung des demodulierten Signals ist die Folge.
DRM schützt seine Inhalte in gewissem Maße vor selektivem Fading, indem es die Träger über den breiten Bereich von 10 kHz verteilt und mit Mehrfachübertragung (Redundanz) arbeitet. Fällt mal ein Träger kurzzeitig ins Fading-Loch, übernimmt ein anderer diese Aufgabe. Bis zu einer gewissen Grenze, jedenfalls. Denn wird die Schneise des selektiven Fadings zu breit, so gehen dem DRM-Decoder die Eingangsinformationen aus. Kurzzeitige Ausfälle kann er aus dem Vorrat vorher empfangener Informationen ergänzen, danach verschwindet auch diese Möglichkeit. Zuerst verzerrt sich die Wiedergabe, dann treten eigenartige (Echo-) Artefakte hinzu, die in oft außerordentlich störender Weise zumeist eine Unterbrechung ankündigen.
Sich bewegende Ionosphäre führt überdies dank des Dopplereffekts zu – teilweise wiederum selektiven – Frequenzverschiebungen der Träger in der Größenordnung weniger Millihertz bis weniger (fast immer mehr unter zwei als unter fünf) Hertz. Packt man zu viele Träger zu dicht, so wird es dann auch für die Qualität zu eng. „Dream” misst und protokolliert daher auch diese Doppler-Shift, die auf selektives Fading hindeutet und sich somit als sehr empfindlicher Indikator für guten oder schlechten Empfang erweist.
Mit schnellem Flutter-Fading, das bei Erscheinen eines Flugzeuges zumeist schnell beginnt, um dann auf Null herunterzugehen, um dann wieder anzusteigen, kann DRM wenig anfangen. Der Empfang erstirbt fast sofort, erholt sich aber wenige Sekunden, nachdem die Ursache vorbei ist. Meine Empfangsversuche der immerhin 80 Watt starken DRM-Station Hannover auf 26.045 kHz [22] in nur 20 Kilometer Entfernung mit Top-Equipment kommen zum Ergebnis, dass von stabilem Empfang nicht die Rede sein kann und diesen nur eine erhöhte Sendeleistung sichern könnte. Im UKW-Bereich hingegen deckt ein solcher Sender sogar noch einen erheblichen größeren Umkreis stabil sowie auch bei Mobilempfang ab – und das mit herkömmlichen Empfängern!