DRM - von global bis lokal

DRM - von global bis lokal Harald Kuhl

Neben dem UKW- Hörfunk gibt es nach wie vor ein großes analoges Hörfunkangebot in den so genannten AM-Rundfunkbereichen (Amplitudenmodulation auf Lang-, Mittel-, Kurzwelle). Allerdings wird dieses Angebot hierzulande nur noch von einer Hörerminderheit genutzt. Der Grund liegt auf der Hand: Im Zeitalter der Audio-CD und angesichts einer flächendeckenden UKW-Hörfunkversorgung möchte sich kaum noch jemand mit der oftmals geringen Audioqualität des analogen AM-Hörfunks zufrieden geben. Diese Entwicklung musste sich auch auf die Hersteller von Empfangstechnik auswirken: Viele der heute produzierten Radiogeräte sind gar nicht mehr mit AM-Frequenzbereichen ausgestattet oder erfassen allenfalls noch einen Teil davon.

Damit geht einem Großteil der Radiohörer ein bestehendes Programmangebot verloren, das im wahrsten Sinne des Wortes grenzenlos ist: Auslandssender aus bis zu 50 Ländern senden auf Kurzwelle täglich Programme in deutscher Sprache in Richtung Mitteleuropa. Die Zahl der per Kurzwelle hörbaren Fremdsprachenprogramme geht in die Hunderte. Und auf Mittel- und Langwelle sind in den Abendstunden Programme aus ganz Europa und angrenzenden Regionen vertreten. Wäre nur die Empfangsqualität besser.

Es ist Abhilfe in Sicht: Als letzte noch verbliebene analoge Bastion soll in den kommenden Jahren auch in den AM-Hörfunkbereichen eine digitale Übertragungstechnik Einzug halten und dem guten alten Dampfradio so zu neuem Glanz verhelfen. Werden die Pläne für eine Digitalisierung des AM-Hörfunks erfolgreich umgesetzt, könnte dies vergleichbare Auswirkungen haben wie in den 1950er Jahren der Übergang von der Röhre zum Transistor, als das tragbare und mit Batterien betriebene Transistorradio seinen Siegeszug um die Welt antrat.

Eine Idee gewinnt Konturen

Konkrete Bemühungen zur Gründung eines Forums mit dem Ziel der Digitalisierung des AM-Hörfunks fanden erstmals Ende 1996 mit der Gründung des europäischen Projektes NADIB (Narrow Bandwidth Digital Broadcasting) statt. Bereits im Vorfeld hatten Sendetechniker seit 1994 entsprechende Überlegungen angestellt und die Planung in Arbeitsgruppen aufgenommen, nachdem das Militär die zuvor geheim gehaltene Technologie frei gegeben hatte. Als Mitte der 1990er Jahre verschiedene digitale Satellitenprojekte (u. a. WorldSpace) aus dem Planungsstadium in eine konkretere Phase eintraten und sich als ein potenzielles Ersatzsystem insbesondere für die Mittel- und Kurzwelle präsentierten, legten die Befürworter digitaler AM-Systeme eine Entwicklungspause ein. Im Rahmen von Studien stellte sich jedoch heraus, dass es der Satellitentechnologie aufgrund der dort realisierbaren Strahlungsleistungen in absehbarer Zeit nicht gelingen würde, den terrestrischen AM-Hörfunk in seiner Gesamtheit abzulösen. Nach wie vor ist eine direkte Sichtverbindung zwischen Satellit und Empfangsantenne notwendig; Berge, Gebäude oder Bäume sorgen für Signaldämpfungen und Empfangsbeeinträchtigungen. Dies bestätigt mittlerweile auch die Praxis.

Daraufhin stieg bei Rundfunkveranstaltern und Herstellern von Sende- und Empfangstechnik erneut das Interesse an der Einführung digitaler Übertragungstechniken für Hörfunksendungen in den AM-Rundfunkbereichen. Auf der von der Internationalen Fernmeldeunion (ITU) veranstalteten Weltradiokonferenz von 1997 (WRC-97) wurde eine offizielle Empfehlung ausgesprochen, die Entwicklung von frequenzsparenden terrestrischen Sendesystemen für die Abstrahlung von Hörfunksendungen unterhalb von 30 MHz durch die Nutzung digitaler Techniken künftig verstärkt zu verfolgen. Gleichzeitig wurden die noch im Raum stehenden Pläne zur weltweiten Einführung der Einseitenbandtechnologie (SSB) für den AM-Hörfunk endgültig aufgegeben.

Das Gründungstreffen des internationalen Konsortiums Digital Radio Mondiale (DRM) fand im März 1998 in der südchinesischen Wirtschaftsmetropole Guangzhou statt. China wurde als Gründungsort ausgewählt, weil sich dort nach wie vor der weltweit größte Radiomarkt befindet. In der Folgezeit arbeiteten die beteiligten Partner mit Hochdruck an der Entwicklung geeigneter digitaler Übertragungsverfahren. Anders als zuvor im Falle der europäischen NADIB-Initiative, war DRM von vornherein als ein internationales Projekt angelegt. Zu den mittlerweile rund 70 Mitgliedern aus fast 30 Ländern des Konsortiums zählen internationale und nationale Rundfunkanstalten, Medienorganisationen, Hersteller von Sendetechnik, Forschungseinrichtungen und Universitäten, Betreiber von Sendeanlagen, und führende Produzenten von Empfangsgeräten.

Globale Perspektive

Zu den wesentlichen Anliegen des DRM-Konsortiums zählte von Beginn an die Beibehaltung eines weltweit einheitlichen und frei verfügbaren technischen Standards für die Ausstrahlung und den Empfang von digitalen Rundfunksendungen unterhalb von 30 MHz. Die Entwicklung und Einführung unterschiedlicher und untereinander inkompatibler Übertragungssysteme, wie sie im Bereich des Fernsehens und insbesondere bei den diversen bislang vorgestellten digitalen Hörfunkprojekten zur Ausstrahlung auf Frequenzen oberhalb von 30 MHz bzw. per Satellit stattgefunden hat, sollte in den AM-Bereichen weitestgehend verhindert werden. Auf diese Weise wollte man den traditionell globalen Charakter des AM-Rundfunks auch künftig erhalten: Ein heute in Europa erworbenes Transistorradio versieht seinen Dienst in Asien ebenso wie in Afrika oder in Lateinamerika. Umgekehrt kann ein nordamerikanischer Auslandssender auf Kurzwelle in Europa mit jedem Weltempfänger gehört werden.

Auch trägt ein weltweit einheitliches Übertragungssystem dazu bei, die Kosten für dessen Entwicklung und Einführung auf einem möglichst geringen Niveau zu halten. Zudem ist nur im Falle einer Einigung auf einen weltweit gültigen technischen Standard die massenhafte Produktion und der anschließende Verkauf künftiger Radiogeräte zu einem für den Endverbraucher attraktiven Einzelpreis möglich. Und wie am Beispiel DAB nach wie vor zu beobachten ist, stellen zu hohe Empfängerpreise eine fast unüberwindliche Barriere für den Erfolg einer neuen Hörfunktechnologie dar, sei sie auch noch so gut.

Den grenzüberschreitenden Kurzwellenrundfunk betreffend hat DRM das Ziel eines weltweit einheitlichen Systems erreicht. Für den Hörfunk auf Mittelwelle wird es künftig hingegen wohl zwei digitale Standards geben, da die U.S.-amerikanische Radioindustrie an einer eigenen Lösung arbeitet. Dies wird sich jedoch auf die Verbreitung von DRM kaum auswirken.

Das DRM-System

Im Gegensatz zum analogen AM-Hörfunksignal mit seinem einzelnen Träger und den beiden Seitenbändern, handelt es sich bei DRM um ein Mehrträgerverfahren. Genauer: Ein DRM-Signal setzt sich aus rund 200 Einzelträgern zusammen, die gemeinsam die ausgesendete (Audio-)Information enthalten. Selbst wenn mehrere dieser Träger gestört werden sollten, ist das Signal weiterhin robust genug für eine störungsfreie Übertragung. DRM stehen drei verschiedene Systeme für die Quellcodierung zur Verfügung: MPEG-4 AAC (Advanced Audio Coding) mit einem robusten Fehlerschutz für Audioübertragungen in mono und stereo; MPEG-4 CELP (Code Excited Linear Prediction) für die Codierung von Sprachsendungen in mono mit einem robusten Fehlerschutz; das Sprachcodierungssystem HVXC (Harmonic Vector Exitation Coding) für die Ausstrahlung mehrerer Sprachprogramme gleichzeitig auf einer Frequenz oder eines Nachrichtenkanals parallel zum Hauptprogramm. Die mit MPEG-4 AAC und MPEG-4 CELP erzielbare Audioqualität kann mit Hilfe eines spektralen Banderweiterungsverfahrens (Spectral Band Replication - SBR) selbst bei niedrigen Bitraten von bis zu 24 kbit/s auf die nahezu volle Audiobandbreite erweitert werden: Während man früher lediglich eine Audiobandbreite von maximal 4,5 kHz je Seitenband in einem AM-Sendekanal (HF) unterbringen konnte, gelingt mit Hilfe dieser digitalen Technologie eine Audiobandbreite von nun bis zu 15,2 kHz pro Sendekanal (HF). Dies entspricht dem Unterschied zwischen Telefon- und UKW-Mono-Qualität. Die höchste mit dem DRM-Verfahren erreichbare Netto-Bitrate für Audioübertragungen beträgt 24 kbit/s in einem 9 oder 10 kHz-Kanal. Dieser Wert wird allerdings in der Praxis nicht immer erreicht, da er in Abhängigkeit des benötigten Fehlerschutzes, der verfügbaren Bandbreite und der Fehlerkorrektur nach unten variiert. Letzteres betrifft hauptsächlich die Ausstrahlung auf Kurzwelle, bei der es im Fernbereich häufiger zu Beeinträchtigungen der Signalqualität kommen kann.

DRM bietet auch die speziell für Mittelwelle interessante Möglichkeit des Simulcast-Betriebs, also die Nutzung nur einer Frequenz durch mehrere Sender an verschiedenen Standorten, die das gleiche Programm ausstrahlen. Beim analogen AM-Hörfunk würde dies zu starken gegenseitigen Beeinträchtigungen führen, so dass die Verwendung verschiedener Frequenzen notwendig ist, selbst wenn über diese ein identisches Programm ausgestrahlt wird. Als Modulationsverfahren wird Quadratur-Amplituden-Modulation (QAM) von 16 und 64 QAM eingesetzt, wobei auch QPSK-Modulation (Quadratur Phase Shift Keying) möglich ist.

Durch die Einhaltung der bisher geltenden ITU-Vorgaben bezüglich Frequenzbereich, Kanalraster und Schutzabstände sind durch die Einführung von DRM keine zusätzlichen Frequenzkoordinationen notwendig, so dass unmittelbar nach Freigabe des Systems ein fließender Übergang von der analogen zur digitalen Ausstrahlung möglich ist. Zudem können viele der bisherigen Sender für die Abstrahlung von DRM-Signalen modifiziert und damit weiterhin verwendet werden. Gleiches gilt für die Antennenanlagen.

Argumente für DRM

Weltweit gibt es derzeit rund 12.000 Lang- und Mittelwellensender sowie zahlreiche Kurzwellensender niedriger Leistung für die Inlandsversorgung. Zudem werden allein für Hörer in Europa täglich 4.000 - 6.000 Programmstunden von internationalen Sendern auf Kurzwelle ausgestrahlt. Die BBC schätzt ihre weltweite Hörerschaft auf 150 Millionen Menschen wöchentlich (davon 80 % auf Kurzwelle), gefolgt von der Voice of America mit 80 Millionen und der Deutschen Welle mit 28 Millionen Hörern. Es ist also bereits eine immense Hörerzahl für schon bestehende Programminhalte vorhanden, die sich die internationalen Sendeanstalten durch einen baldigen Umstieg auf DRM erhalten möchten.

Für den Radiohörer steht die gegenüber den heutigen analogen Übertragungen wesentlich verbesserte Empfangs- und Audioqualität an erster Stelle der von DRM gebotenen Vorteile. Wie im Rahmen von Feldtests nachgewiesen werden konnte, ist die mit DRM erzielbare Audioqualität durchaus vergleichbar mit UKW-Hörfunk in mono. Die Empfangsqualität wird sogar besser sein als bei UKW, da es sich bei DRM um ein robustes Mehrträgerverfahren handelt. Darüber hinaus haben sich digitale Signale als deutlich unempfindlicher gegenüber den stetig zunehmenden elektromagnetischen Störungen erwiesen. Insbesondere der Empfang auf Lang- und Mittelwelle wird heute vielerorts durch Störsignale von industriellen Anlagen oder durch ungenügend abgeschirmte Computer oder gar Geräte der Unterhaltungselektronik (z.B. Schaltnetzteile von Sat-Empfängern) mitunter empfindlich beeinträchtigt.

Ein wichtiger Effekt für die Programmanbieter ist die deutliche Reduzierung der für die digitale Ausstrahlung anfallenden Energiekosten: Digitale Sendesysteme gehen sehr viel sparsamer mit Sendeenergie um: Mit nur 25 % der heute für analoge Ausstrahlungen aus dem Stromnetz entnommenen Energie erzielt DRM die gleiche Reichweite, was langfristig zu einer Entlastung der in vielen Sendeanstalten angespannten Haushaltslage beitragen wird. Die anfänglich notwendigen Investitionen in neue digitale Sender bzw. in die Erweiterung bestehender Sendeanlagen refinanzieren sich somit im Laufe der Zeit über eingesparte Energiekosten.

Durch eine Teilung des DRM-Datenstroms besteht die Möglichkeit, durchgängig oder zu bestimmten Zeiten beispielsweise auf einer Mittelwellenfrequenz gleichzeitig in zwei unterschiedlichen Sprachen zu senden, einer angesichts der in Europa voranschreitenden Entstehung von Regionen insbesondere im grenznahen Bereich interessanten Option. Bis zu einem gewissen Grad ist zudem die Reichweite einer Ausstrahlung steuerbar: Soll diese gesteigert werden, so lässt sich die Übertragung bei etwas herabgesetzter Audioqualität robuster gestalten, was insbesondere im Falle von Ausstrahlungen im Kurzwellenbereich häufig wünschenswert ist.

Unter dem Strich verspricht das DRM-System aus sendetechnischer Sicht eine Reihe von Vorteilen, die die Eigenheiten der analogen Lang-, Mittel- und Kurzwelle (Signalschwankungen, Verzerrungen, Störungen) abstellen werden. Gleichzeitig wird der größte Vorteil der AM-Rundfunkbereiche beibehalten: Die Versorgung ausgedehnter Gebiete und die Überbrückung großer Distanzen mit nur einem Sender.

Perspektive Inlandsrundfunk

Dass in den Hörfunkanstalten das künftige Potenzial von DRM auch für den inländischen Bereich bereits erkannt wurde, ist unter anderem an der hierzulande mittlerweile erheblich gestiegenen Nachfrage nach Mittelwellenfrequenzen zu erkennen. In den zurückliegenden Jahren waren in Deutschland eine ganze Reihe von Mittelwellensendern stillgelegt worden, nicht zuletzt aufgrund der für die Ausstrahlung anfallenden hohen Betriebskosten und der niedrigen Hörerzahlen. Wenn diese Frequenzen nun von den zuständigen Landesrundfunkanstalten zur Neuvergabe ausgeschrieben werden, ist die Liste der Interessenten regelmäßig lang. Denn wer sich heute eine AM-Frequenz auf Lang- oder Mittelwelle sichern kann, könnte in einigen Jahren zu den Vorreitern einer neuen Radioära gehören.

Auch für den lokalen Hörfunk bietet DRM eine Reihe interessanter Optionen. Über Mittelwellensender geringer Leistung und Reichweite eröffnen sich künftig neue Möglichkeiten für Lokalradios, die zuvor angesichts eines vielerorts überfüllten UKW-Hörfunkbereichs kaum eine Chance auf Zuteilung einer Sendefrequenz hatten. Aufgrund der durch die Einführung von DRM verbesserten Audioqualität könnte die Zahl solcher Lokalsender im Mittelwellenbereich merklich ansteigen und zur Entwicklung einer neuen Bürgerfunkkultur beitragen, auch im Rahmen des so genannten Veranstaltungsfunks. Ähnliche Überlegungen bestehen für den Frequenzbereich um 26 MHz am oberen Ende der Kurzwelle: Das dortige 11-m-Rundfunkband wird von internationalen Auslandssendern nur noch sporadisch genutzt und liegt daher weitestgehend brach. Nach einer Freigabe durch die nationalen Regulierungsbehörden könnte der Frequenzbereich künftig durch den Einsatz von DRM-Sendern geringer Reichweite auch für den lokalen Hörfunk eingesetzt werden, auf Wunsch sogar in stereo.

Trotz dieses möglichen Einsatzes für den Inlandsrundfunk betonen DRM-Verantwortliche ausdrücklich, dass man DRM keinesfalls in Konkurrenz zu DAB sieht. Vielmehr würden sich DRM und DAB bei der Digitalisierung des Hörfunks in geradezu idealer Weise ergänzen.

DRM-Empfänger

Die Einführung neuer Übertragungstechnologien erfordert immer auch die Anschaffung neuer Empfangsgeräte bzw. von Zusatzgeräten zur externen Signaldecodierung, damit die übermittelten Inhalte dem Rundfunkteilnehmer auch tatsächlich zugänglich sind. Beispielsweise wird für DAB-Empfang ein entsprechendes Autoradio benötigt, während für den Empfang des digitalen Satellitenrundfunks eine so genannte Settop-Box dient, die zwischen der Satellitenantenne und dem Fernseher bzw. der HiFi-Anlage geschaltet wird. Auch für den Empfang künftiger DRM-Aussendungen auf Lang-, Mittel- und Kurzwelle ist die Anschaffung eines neuen Empfangsgerätes unvermeidbar.

Zur Unterstützung einer raschenVerbreitung des DRM-Systems auch auf Seiten der Radiohörer verfolgt DRM mehrere Strategien: Bereits vor der offiziellen Einführung von DRM auf Kurzwelle, die für das Jahr 2003 während einer Weltradiokonferenz (WRC-2003; die Freigabe für Lang- und Mittelwelle soll im Rahmen von Regionalkonferenzen erfolgen) vorgesehen ist, soll an private Interessenten eine Softwarelösung abgegeben werden. Diese Software wird in der Lage sein, die DRM-Signale in einem modernen Multimedia-PC zu decodieren und in hörbare Radioprogramme umzuwandeln. Die zu decodierenden DRM-Signale werden von einem herkömmlichen Kommunikationsempfänger für analoge Lang-, Mittel- und Kurzwelle zur Verfügung gestellt und dem PC über dessen Soundkarte zugeführt. Das Empfangsgerät bedarf dabei einer technischen Modifikation, damit das DRM-Signal in der benötigten Bandbreite verfügbar ist. Mit dieser Lösung, die sich hauptsächlich an technisch interessierte Anwender mit entsprechender Ausrüstung wendet, werden die für das Jahr 2002 angekündigten DRM-Pilotsendungen bereits decodierbar sein. Stellt man heute mit einem herkömmlichen Empfangsgerät die Frequenz einer DRM-Testsendung ein, so hört man dort lediglich ein intensives Rauschen. Die für die Decodierung von DRM-Signalen notwendige Software sowie eine Anleitung zur Modifikation des Empfängers sollen über das Internet vertrieben werden. Nähere Informationen darüber werden sobald diese verfügbar sind unter www.drm.org bekannt gegeben.

Für eine allgemeine Einführung von DRM sind derartige Sonderlösung jedoch kaum geeignet. Es werden vielmehr einfach zu bedienende Komplettlösungen benötigt, die sich hinsichtlich ihrer Bedienung nicht wesentlich von herkömmlichen Radiogeräten unterscheiden. Und da man offenbar aus den Fehlern gelernt hat, die bei der Einführung von DAB auftraten, sollen künftige DRM-Empfänger weder deutlich teurer sein als bisherige Radiogeräte, noch soll man lange nach ihnen in den Fachgeschäften suchen müssen. Konkret bedeutet dies, dass ein DRM-taugliches Empfangsgerät den Endverbraucher im Vergleich zur herkömmlichen Technik rund 50 Euro mehr kosten soll. Da auch einige bedeutende Hersteller von Weltempfängern zu den Mitgliedern des DRM-Konsortiums zählen, stehen die Chancen auf eine Einhaltung dieser Ankündigung gar nicht schlecht. Bei den ersten Geräten wird es sich um Allbandempfänger handeln, die neben DRM auch weiterhin die analogen Übertragungen empfangen. Im Gegensatz zu DAB will man sich bei DRM von Beginn an nicht auf die Unterstützung bestimmter Gerätearten beschränken, es wird also portable, mobile und stationäre Empfänger geben.

Für Hersteller und Handel bietet ein sich künftig entwickelnder DRM-Empfängermarkt ein gewaltiges Potenzial: Geschätzte weltweit 2,5 Milliarden Empfangsgeräte, davon rund 700 Millionen mit Kurzwellenbereich, könnten langfristig gegen DRM-taugliche Modelle ausgetauscht werden. Erste Empfangsgeräte im Hochpreissegment werden für das Jahr 2003 zur Internationalen Funkausstellung erwartet. Ein Jahr später sollen bereits Billigversionen mit eingebauten DRM-Chipsätzen den weltweiten Markt erobern.
Zusatzdienste

Neben einer verbesserten Empfangs- und Audioqualität bietet DRM eine Reihe weiterer Möglichkeiten, die vor allem die Praxis des internationalen Radioempfangs erleichtern. Dies betrifft insbesondere das Auffinden eines bestimmten Hörfunksenders auf Kurzwelle: Während man heute noch dessen Sendefrequenz kennen muss, damit man diese manuell über eine Tastatur dem Gerät mitteilt, reicht künftig die Eingabe einer kurzen Senderkennung (z. B. DWD für „Deutsche Welle, deutsches Programm“ oder BBCE für „BBC World Service, englisches Programm“). Der DRM-Empfänger sucht daraufhin selbst nach der Frequenz, die am jeweiligen Standort die beste Signalqualität für das gewünschte Programm bietet. Gleichzeitig werden im Hintergrund über den DRM-Datenstrom empfangene Informationen über weitere Frequenzen gespeichert, auf denen dieses Programm ebenfalls ausgestrahlt wird. Verschlechtert sich die Empfangsqualität auf der aktuell von der Automatik des Empfängers eingestellten Frequenz, wechselt diese umgehend auf einen anderen Kanal mit besserer Signalqualität. Auf diese Weise sorgt das System selbst für optimale Empfangsergebnisse, ohne dass hierfür manuelle Bedienvorgänge notwendig sind oder wie bisher Alternativfrequenzen auswendig gelernt und eingegeben werden müssen. Damit werden für eine effektive Nutzung des Mediums Kurzwelle künftig weniger Spezialkenntnisse verlangt.

Zusätzlich zu Audio- und Frequenzdaten können weitere Informationen über den DRM-Datenstrom an das Empfangsgerät übermittelt werden. Hierzu zählen programmbegleitende Texte wie Programmhinweise, Musiktitel, Verkehrs-, Wetter- und Wirtschaftsinformationen. Diese werden intern gespeichert und stehen auf Knopfdruck für die Wiedergabe auf einem Display bereit. Ein Großteil dieser Zusatzdienste ist bereits vom analogen UKW-Hörfunk bekannt und finden sich nun bei DRM wieder. Denkbar wären neben kostenlosen auch kostenpflichtige Informationsdienste für spezielle Anwendungen. Selbst Bilder könnten auf diesem Weg in den Speicher des DRM-Empfängers übertragen werden.

Prognose

Der angestrebte Zeitrahmen für die weltweite Verbreitung von DRM wird von Mitgliedern des Konsortiums mit 15 - 20 Jahren angegeben. Während dieser Zeitspanne wird es in den heutigen AM-Hörfunkbereichen neben den digitalen auch weiterhin analoge Ausstrahlungen geben, so dass die heute verbreiteten analogen AM-Empfänger ihren Nutzwert keinesfalls von heute auf morgen verlieren werden. Angestrebt wird ein sanfter Übergang von der alten auf die neue Technik. Es ist kaum damit zu rechnen, dass innerhalb weniger Jahre sämtliche Betreiber von analogen AM-Sendeanlagen auf DRM umstellen. Dagegen spricht einerseits die in vielen Sendeanstalten angespannte Haushaltslage, wodurch Investitionen erschwert werden. Andererseits lassen sich gar nicht alle Sendeanlagen für die neue Technik ohne weiteres umrüsten. Zudem müssen insbesondere die internationalen Sendeanstalten darauf achten, dass diese nicht durch einen überstürzten Umstieg auf digitale Ausstrahlungen einen Großteil ihres Hörerstamms einbüßen. Speziell außerhalb der Industrienationen ist kaum mit einer raschen Verbreitung von DRM-tauglichen Empfangsgeräten zu rechnen, da dort oftmals die Kaufkraft fehlt (siehe das Beispiel WorldSpace). Es wird also für Auslandssender wie die Deutsche Welle notwendig sein, über einen längeren Zeitraum hinweg gleichzeitig analog und digital auszustrahlen, um die bisherige Hörerschaft auch weiterhin zu erreichen. Wahrscheinlich ist ein je nach Zielgebiet unterschiedlicher Zeitrahmen für die Umstellung der Kurzwellenausstrahlungen von analog auf digital.

Anders stellt sich die Situation in solchen Ländern dar, in denen Lang-, Mittel- und Kurzwelle aufgrund einer flächendeckenden Versorgung mit UKW-Hörfunk und einer vielfältigen Medienlandschaft ohnehin nur noch wenig genutzt werden. Dort wird die Digitalisierung der AM-Hörfunkbereiche und die damit verbundene Steigerung der Audioqualität nicht zuletzt angesichts knapper UKW-Frequenzen eine deutliche Wiederbelebung dieser Wellenbereiche für die Inlandsversorgung auslösen. Speziell für Programme mit hohem Wortanteil stellen die von DRM gebotenen Leistungen eine geradezu ideale Lösung dar.

Nur solche neuen Projekte und Produkte haben eine reelle Erfolgschance beim Endverbraucher, die diesem einen eindeutigen Vorteil gegenüber einer bisherigen Lösung bieten. Diese Erkenntnis auf DRM angewendet, stehen die Chancen auf eine rasche und zudem breite Akzeptanz aus derzeitiger Sicht ähnlich gut wie vor rund zehn Jahren für die Musik-CD: Die Vorteile des digitalen gegenüber des analogen Hörfunks auf Lang-, Mittel- und Kurzwelle sind derart offensichtlich, dass ein Erfolg des neuen Systems beim Endverbraucher kaum ausbleiben wird. Dies gilt allerdings unter der Voraussetzung, dass die notwendigen DRM-Empfänger tatsächlich nur unwesentlich teurer sind als bisherige Radiogeräte.

Da zudem für die Sendeanstalten geringere Ausstrahlungskosten bei gleichzeitig identischer Reichweite geboten werden, dürfte das lokale und überregionale Programmangebot für DRM-taugliche Empfangsgeräte nach der offiziellen Einführung des Systems zumindest in den Industrienationen rasch ansteigen. Im deutschsprachigen Raum werden die Deutsche Welle (Kurzwelle) und Deutschlandradio (Mittel- und Langwelle) zu den ersten Nutzern von DRM gehören.