Global-Radio - DAB aus dem All

Global-Radio - DAB aus dem All Harald Kuhl

Untersuchungen der Branche bestätigen es regelmäßig: In den Industrienationen wird Radio am häufigsten im Auto gehört. Und so sind es auch die Autofahrer Europas, die sich der Luxemburger Paul Heinerscheid zur Zielgruppe seines ambitionierten Projektes auserkoren hat: Der Aufbau eines Satellitensystems namens Global Radio, über das digitale Hörfunkprogramme und Datendienste an mobile und portable Empfangsgeräte gesendet werden.

Was sich zunächst wie eine Variante von WorldSpace anhören mag, ist in Wirklichkeit doch ganz anders: Anstelle eines geostationären Satelliten mit seiner festen äquatorialen Position zur Erde und einem in Europa flachen Empfangswinkel soll Global Radio aus drei beweglichen Satelliten bestehen. Diese drei Satelliten werden in elliptischen Umlaufbahnen um den Globus kreisen und sich während des europäischen Überflugs alle acht Stunden mit ihren Übertragungen abwechseln. Auf diese Weise wird in weiten Teilen Europas ein nahezu senkrechter Sendewinkel zwischen dem umlaufenden Satelliten und dem Empfänger auf der Erde erreicht (Elevation: 70 - 90°), so dass Häuserschluchten oder bergiges Gelände den Empfang kaum beeinträchtigen können. Und bei Tunneldurchfahrten soll ein im Empfangsgerät integrierter Datenpuffer dafür sorgen, dass keine Empfangsunterbrechungen auftreten.

Die Idee ist so neu nicht und hat Vorbilder in den USA, der wohl derzeit größten Nation von Autofahrern. 2001 gingen dort mit Sirius Radio und XM Radio zwei konkurrierende Anbieter an den Start: Jeweils bis zu 100 digitale Radiokanäle werden per Satellit an mobile Empfänger ausgestrahlt. Für den Empfang der Programme wird eine monatliche Gebühr erhoben, die rund 13 US$ beträgt und von den autofahrenden Nordamerikanern ein Umdenken verlangt. Denn bisher war man es dort zwar gewohnt, für das allgegenwärtige Kabelfernsehen zu bezahlen, nicht aber für den Hörfunk. Dieser war weitestgehend kostenfrei empfangbar, abgesehen natürlich von den zu ertragenen extensiven Werbezeiten des werbefinanzierten Kommerzradios oder von den freiwillig entrichteten Mitgliedsbeiträgen für den Bürgerfunk. Und wie bei allen neuen digitalen Übertragungssystemen der Fall, muss jeweils auch ein neues Empfangsgerät angeschafft werden, um in den Genuss der digitalen Radiovielfalt aus dem Orbit zu kommen. Geeignete Autoradios, die auch für den Empfang von UKW und Mittelwelle geeignet sind, werden anfangs rund 500 US$ kosten. Eine zusätzliche Flachantenne von der Größe eines Bierdeckels fängt die digitalen Signale auf dem Autodach ein. Trotz alledem strahlen die Betreiber neben ihren Programmen auch die Zuversicht aus, dass sich der Erfolg des Pay-TV auch im Radiobereich erzielen lässt. Dass diese Zuversicht nicht ganz unbegründet ist, zeigen vereinbarte Kooperationen mit führenden Autoherstellern auf dem nordamerikanischen Markt, die ihre neuen Modelle künftig ab Werk mit einem Autoradio für eines der beiden Satelliten-Systeme ausstatten wollen. Führende Hersteller von Autoradios ziehen mit und haben bereits erste Modelle vorgestellt.

Die erst im Juni 2000 gegründete Satellitenorganisation Global Radio will bereits im Jahr 2005 ebenfalls soweit sein, den Betrieb eines solchen Systems in Europa aufzunehmen. Möglich wird ein derart enger Zeitraum nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass man sich auf im Prinzip bekannte Technologien stützen kann und nicht selbst als Entwickler tätig werden muss. So will man sich im Bereich der Übertragungstechnik zu rund 80 % an der für das terrestrische Digitalradio (DAB) verwendeten EUREKA-147-Norm orientieren, wodurch die Integration des terrestrischen und des satellitengestützten Digitalradios in einem einzigen Empfangsgerät erheblich erleichtert wird. Nur bei der Codierung will man eigene Wege gehen und die voranschreitende Weiterentwicklung durch den Einsatz einer effizienteren Variante nutzen, die trotz einer deutlich geringeren Datenrate eine ähnliche Audioqualität wie heute bereits DAB bieten soll. Bis das System steht, wird mit Anfangsinvestitionen von bis zu 1,5 Milliarden Euro gerechnet, von denen allein 800 - 900 Millionen Euro für den Aufbau der technischen Infrastruktur benötigt werden. Investoren für derartige Summen zu finden, wäre selbst in Zeiten einer Hochkonjunktur nicht einfach. Immerhin hat die Regierung Luxemburgs bereits die Zuteilung einer Sendelizenz in Aussicht gestellt, was die Argumentation gegenüber potenziellen Geldgebern erleichtert.

Programme und Telematik

Da Europa sprachlich weitaus weniger homogen ist als der nordamerikanische Bereich, muss man bei Global Radio andere Wege gehen, um ein möglichst großes Publikum adäquat mit Programmangeboten in der jeweils eigenen Sprache versorgen zu können. Hierfür wurde Europa in acht so genannte Sprachmärkte eingeteilt. An jedem Ort Europas sollen rund 70 digitale Radioprogramme empfangbar sein, wobei sich die Zusammensetzung in den unterschiedlichen Sprachmärkten unterscheiden wird. Dies wird möglich, da die von Global Radio eingesetzten Satelliten über Spotbeams (Richtstrahler) verfügen werden, mit denen sich verschiedene Regionen Europas recht gezielt versorgen lassen. Daher möchte man zunächst die großen nationalen Rundfunkanstalten für das Projekt gewinnen und an diese Übertragungskapazitäten vermieten. Ihre Programme wären im jeweiligen Zielgebiet frei empfangbar. Darüber hinaus denkt man bei Global Radio an das Angebot eines speziellen Programmpakets bestehend aus werbefreien Musik- und Informationskanälen, für dessen Nutzung eine monatliche Gebühr erhoben wird. Langfristig wäre auch die Produktion eigener Radioprogramme durch Global Radio denkbar, die frei empfangbar wären und sich durch Werbeeinblendungen finanzieren würden.

Ergänzend zur Aussendung von Radioprogrammen - und im Gegensatz zu den beiden nordamerikanischen Projekten - will Global Radio seine Satelliten auch für die Übertragung von Datendiensten nutzen. Und anders als im Falle von WorldSpace denkt man hierbei nicht an ausgewählte Inhalte aus dem Internet, sondern an den ständig an Bedeutung zunehmenden Bereich der (Verkehrs-)Telematik. So könnten in Fahrzeugen montierte Navigationssysteme quasi in Echtzeit per Satellit auf den aktuellen Stand gebracht werden, während man heute noch umständlich und in unregelmäßigen Abständen eine neue CD-ROM beschaffen muss. Autoclubs oder andere Dienstleister könnten per Satellit aktuelle Stauwarnungen und Umleitungsempfehlungen übermitteln, die man zuvor per Mobiltelefon angefordert hat. Automobilhersteller könnten Datenkanäle für Servicezwecke einsetzen. Schließlich ließe sich Global Radio auch für das Flottenmanagement einsetzen, um Standzeiten zu verkürzen. Zur raschen Verbreitung des Global- Radio-Systems sollen erneut Kooperationen mit Autoherstellern eingegangen werden, die geeignete Autoradios als Erstausstattung anbieten sollen.

Prognose

Paul Heinerscheid ist ein erfahrener Profi im Satellitenbereich und weiß ganz genau: Die Endverbraucher kaufen keine Technik, sondern Inhalte. Folglich kann ein neuer Übertragungsweg wie Global Radio nur dann zu einem Erfolg werden, wenn dieser attraktive und zuvor nicht zugängliche Programmangebote und Datendienste bietet. Zuvor ist noch die finanzielle Hürde zu nehmen, die den Bau der Satelliten, deren Verbringung in ihre Umlaufbahn, und die Errichtung einer terrestrischen Infrastruktur in Form eines Kontrollzentrums und einer Uplink-Station umfassen. Die Herstellung geeigneter Empfangstechnik ist noch das geringste Problem, da die Grundlagenarbeit bereits für DAB geleistet wurde. Hilfreich für einen möglichen Erfolg von Global Radio ist die Tatsache, dass man kein proprietäres Übertragungssystem anstrebt, sondern einen offenen Standard. Wie im Falle von DVB könnten also alle interessierten Hersteller von Empfangstechnik das Global Radio-System in ihre Geräte integrieren, mit der Folge schnell sinkender Endverbraucherpreise. Kommen beide Faktoren zusammen - ein attraktives Programmangebot und niedrige Empfängerpreise -, wäre ein Erfolg von Global Radio keine Überraschung.